Neuer Rückerother Pfarrer vertraut auf Gottes Wege
Am Anfang ist da dieses leere Blatt Papier. Stefan Thomanek ist noch keine 20, als er es unterschrieben vor sich hinlegt. Währenddessen stellt er Gott eine Frage: Was willst Du von mir? Das Blatt ist sozusagen ein Blanko-Scheck für den Herrn – und ein Vertrauensbeweis, den Stefan in Richtung Himmel schickt. Was folgt sind (Um-)Wege, die dem Mann aus Obertshausen tatsächlich eine gehörige Portion Gottvertrauen abverlangen – und ihn letztlich in den Westerwald führen: in die Evangelische Kirchengemeinde Rückeroth. Dort ist er der neue Pfarrer.
Rückeroth. Als Jugendlicher kann er es sich freilich noch nicht vorstellen, irgendwann einmal im Auftrag des Herrn unterwegs zu sein. Stefan schwärmt damals eher für die Offenbacher Kickers als für den Glauben. Fan von Gott wird er erst Ende der 1980er-Jahre, während eines Aufenthalts im Freizeitheim Klostermühle. Die Erlebnisse dort haben ihn fasziniert, sagt er heute. Und sie motivieren ihn, sich in seiner damaligen Kirchengemeinde in Obertshausen zu engagieren und später seinen Zivildienst im Missionswerk „Wort des Lebens“ anzutreten. In dieser Zeit stellt er sich immer häufiger die Frage, die letztlich in Form des unterschriebenen Blattes vor ihm liegt: Gott, was willst Du von mir?
Vielleicht, dass ich einen grundsoliden Job wähle? Er beginnt eine Lehre als Großhandelskaufmann und erlebt in den nächsten Jahren eine Zeit mit vielen Einschnitten und Rückschlägen. Eine Beziehung geht in die Brüche; sein kaufmännischer Beruf macht ihn nicht glücklich. Dann, Ende der 1990er-Jahre, füllt sich das leere Blatt allmählich: Stefan Thomanek weiß, dass er Theologie studieren will.
Doch der Weg durchs Studium führt ihn nicht in einer geraden Linie nach Rückeroth. Thomanek studiert unter anderem in Oberursel, Marburg, Münster und schließlich in Greifswald. Dort lernt er seine Frau Judith kennen und tritt 2008 sein Vikariat an. Heute sagt der Vater von zwei Kindern, dass er durchaus in Greifswald hätte bleiben können. Aber nach seinem Vikariat gibt es in der Region keine Stelle für ihn – wohl aber in Schaafheim im Odenwald. „Die Kirchengemeinde ist sehr missionarisch, und es gab einen schönen Austausch zwischen der Landeskirche, den katholischen- und den Freien Gemeinden“, erzählt er. Außerdem steckt er in Schaafheim viel Kraft und Energie in die Jugendarbeit. Fast ein bisschen zu viel, wie er rückblickend sagt. Denn sein Amtskollege verlässt die Gemeinde, und auch dessen Nachfolger wurde krank. „Plötzlich stand ich also mit der ganzen Arbeit alleine da. Es ist fast ein Wunder, dass ich damals keinen Burnout bekommen habe.“
Stefan Thomanek hält durch und prägt die Gemeinde entscheidend: Er organisiert Kurse für die Mitarbeitenden und ruft ein Pfarrerfrühstück ins Leben, stellt kulturelle Veranstaltungen und Taufgottesdienste auf die Beine, führt die Alpha-Glaubenskurse ein und pflegt den Kontakt zu anderen Gemeinden. Die Zeit ist anstrengend, aber gut. Das weiße Blatt füllt sich. Bis die Thomaneks 2019 heimatlos wird.
Die Familie wohnt in Schaafheim nicht im Pfarrhaus, sondern in einem Mietshaus. „Das sollte plötzlich verkauft werden, und wir konnten keine neue Bleibe in der Region finden“, erinnert sich Stefan Thomanek an diese Zeit. „Der Silvesterabend war der Tiefpunkt. Wir wussten nicht, wo wir wohnen oder arbeiten werden.“
Dann gibt ihm ein Freund den Tipp mit der freien Stelle in Rückeroth im Westerwald – einer Region, die für Thomanek bis dahin ein weißes Blatt ist. Er meldet sich bei seinem Amtsvorgänger Peter Boucsein und dem Ehepaar Katrin und Michael Kleck, die die zu Rückeroth gehörende Evangelische Andreasgemeinde Herschbach leiten. Die Chemie stimmt: Rückeroth versteht sich als eine Gemeinde, die Menschen für den lebendigen Glauben an Jesus Christus begeistern will. So ähnlich fasst auch Stefan Thomanek sein Herzensanliegen zusammen, als er am 1. August als neuer Rückerother Pfarrer seinen ersten offiziellen Gottesdienst im Pfarrgarten hält. „Dass alles in so kurzer Zeit so toll zusammengekommen ist, trägt für mich ganz klar Gottes Handschrift. Deshalb ist mein erstes Ziel, auch in Zukunft auf ihn zu hören und zu fragen, was er mit der Gemeinde vorhat.“
Und noch etwas ist dem 45-Jährigen wichtig: Er versteht sich als Teamplayer und möchte eng mit dem Kirchenvorstand, den Mitarbeitenden und vor allen Dingen mit dem Ehepaar Kleck zusammenarbeiten. „Es geht nur gemeinsam. Jede und jeder hat Gaben, die es gilt, zu entdecken.“
Wie sich diese Gaben ausprägen, weiß der neue Pfarrer heute noch nicht. Er hofft, dass besonders die Jugend- und Familienarbeit neue Impulse bekommt. Fest steht für ihn nur eines: „Gott ist das Wichtigste. Es ist schön, wenn sich Freundschaften entwickeln. Aber früher oder später muss es darauf hinauslaufen, dass Menschen zum Glauben an ihn kommen.“ (bon)
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