Naturfreunde folgen den Spuren des Bibers
Eigentlich hätte Roger Koch gute Gründe, sauer auf den Freirachdorfer Biber zu sein. Viele der 150 Weiden, die der Freilinger Revierförster gepflanzt hat, fielen dem Nager zum Opfer. Aber Roger Koch schätzt das Tier – schließlich hat es zwischen Freilingen und Wölferlingen eine völlig neue Landschaft geschaffen. Nun haben rund zwei Dutzend Naturfreunde dieses Kleinod erkundet und sind mit Roger Koch auf „den Spuren des Bibers“ gewandelt. Die Erwachsenenbildung des Evangelischen Dekanats Westerwald hatte zu der Exkursion eingeladen.
Freilingen. Die Spurensuche startet an einer kleinen Brücke – also dort, wo auch die Bibergeschichte 2015 beginnt. Als die Brücke damals saniert wird, taucht plötzlich ein Damm im Bachbett auf. „Zuerst dachten wir, dass der durch die Brückenarbeiten entstanden ist oder von Kindern gebaut wurde“, erinnert sich Roger Koch. Doch so oft er und seine Mitstreiter ihn auch entfernen: Stets taucht ein neuer Damm auf. Und als Roger Koch dann noch Bissspuren entdeckt, weiß er: Hier waren keine Kinder, sondern ein Biber am Werk.
Was danach passiert, verändert das Gebiet zwischen Freilingen und Wölferlingen grundlegend: Die Feuchtwiesen werden überflutet, und die Gegend erinnert plötzlich an eine Seenlandschaft. An manchen Stellen ist das Wasser einen halben Meter tief, oft reicht es aber nur knapp über den Knöchel. „Wegen der geringen Tiefe erwärmt sich das Wasser stark und ist die ideale Brutstätte für Mücken“, sagt der Förster. Die locken wiederum Vögel und Fledermäuse an, und so werden die Feuchtwiesen im Laufe der Jahre ein Musterbeispiel für Biodiversität: Zwergtaucher, Sumpfhühner, kleine Fische, verschiedene Entenarten und sogar Nutrias siedeln sich an, und auch viele neue Pflanzenarten werden in der Region heimisch.
Inzwischen ist das Biber-Revier ein Paradies für Naturfreunde, Wanderer und Fotografen. Einigen Anwohnern ist es ein Dorn im Auge: Manch einer hat Angst, dass das Wasser irgendwann Wege und Felder überflutet. Um das zu verhindern, werden 2018 Rohre installiert, die dafür sorgen sollen, dass der Wasserspiegel nicht zu stark steigt. Doch auch die baut der Biber irgendwann zu, und inzwischen sorgt ein großmaschiger Drahtkorb nahe der Brücke dafür, dass die Rohre künftig frei bleiben.
Der Biber ist eben ein fleißiger Kerl: Er packt nicht nur Schlamm und Äste in seine Dämme, sondern verbaut auch gerne mal eine Radkappe oder größere Steine. „Inzwischen gibt es einen vierten Damm bei Wölferlingen. Justin ist wie eine Planierraupe“, sagt Roger Koch. Ganz recht: Der Biber hat einen Namen, und man merkt, dass der Förster das Tier schätzt: „Das hier ist das einzige rechtsrheinische Bibervorkommen in Rheinland-Pfalz. Die Tiere werden etwa zwölf Jahre alt und bringen zwei bis vier Junge zur Welt. Falls Justin also keine Gemahlin findet, war’s das“, sagt Roger Koch. Doch das mit der Biberdame ist gar nicht so leicht. Denn auf natürlichem Wege locken die Männchen ihre Weibchen mit Bibergeil an – einem herb riechenden Duftstoff, an dem die Teilnehmer der Exkursion auch mal schnüffeln dürfen. Ob die Biberdame Justins Duft in Richtung Freilingen folgt, ist aber fraglich. „Es wäre allerdings kein Problem, ihm einfach ein Weibchen hierherzubringen“, sagt Roger Koch. „Allerdings gibt es in Rheinland-Pfalz – anders als in Bayern – keinen Biberfonds, der für Biberschäden aufkommt.“ Deshalb wird wohl niemand das Risiko dieses Mitbringsels eingehen wollen.
Wie lange Freilingen noch Bibergebiet sein wird, ist also offen. Roger Koch blickt trotzdem zufrieden auf die rund ein Hektar große Wasserfläche vor ihm – trotz der Weiden, die er wegen Justin verloren hat. „Ich habe das Tier mit eigenen Augen gesehen. Dass sich hier ein Biber ansiedelt und ich das noch erleben darf, hätte ich nie geglaubt.“ (bon)
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