Arge Nister erhält 100.000 Euro vom Land für die Muschelaufzuchtstation
Extreme Wetterlagen häufen sich auf der ganzen Welt, aber auch hier bei uns im Westerwald bleiben sie nicht ohne Folgen. Wer mit offenen Augen durch die Natur geht stellt fest, dass auch im Westerwald die Natur zu kämpfen hat: Klimawandel, Waldsterben, Trockenheit, veralgte Nister und Fischsterben am Oberlauf sind nur einige Folgen für unsere Natur. Deshalb besuchte Hendrik Hering die Arge Nister, um sich über den Zustand unserer Fließgewässer im Westerwald zu informieren und um die ARGE Nister zu informieren, dass das Land den Neubau der Muschelaufzuchtstation mit 100.000 Euro finanziell unterstützt.
Stein-Wingert. Was brachte oder bringt der vor Jahren erstellte Nistervertrag den Gewässeren, wie geht es mit der Wasserrahmenrichtlinie weiter und wo besteht dringender Handlungsbedarf? Bei fast 37°C Außentemperatur gab Manfred Fetthauer an der noch nicht ganz fertiggestellten Muschelaufzuchtstation in Stein-Wingert Antworten und Einschätzungen. Wenn Hendrik Hering nicht schon 2006 das Anliegen der Arge Nister, die Bachmuscheln in der Nister zu schützen, unterstützt hätte, wüsste man heute nicht, dass der Bestand in der Nister von circa 20.000 Tieren innerhalb von 14 Jahren um 90 Prozent zurückgegangen ist, trotz zurück gegangener Belastungswerte (Phosphat und Stickstoff). Doch welche Bedeutung hat schon allein diese eine unscheinbare kaum zu sehende Tierart? Und was, wenn nicht die stoffliche Belastung des Gewässers ursächlich für den Bestandseinbruch ist?
Antworten darauf hatten die beiden Wissenschaftlerinnen Dr. Daniela Mewes und Dr. Meike Koester von der Universität Koblenz Landau (Projektgruppe Fließgewässerökologie unter Leitung von PD Dr. Carola Winkelmann). Seit 2013 forscht die Projektgruppe an der Nister und begleitet die, vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung geförderten, Projekte „Biomanipulation in Mittelgebirgsflüssen“ (BIOEFFEKT I und II), sowie das Vorprojekt und die Begleitforschung zum E+E Projekt „Integrativer Artenschutz aquatischer Verantwortungsarten an der Nister“ (INTASAQUA) welche durch das Bundesministerium für Naturschutz gefördert wurden/werden. Sieben Jahre Forschungsarbeit an der Nister offenbarten, dass die einzelnen in der Nister beobachteten Probleme, wie der Bestandseinbruch der Bachmuscheln, das hohe Algenaufkommen in Frühjahr und Sommer und der Bestandsrückgang großwüchsiger Fische (vor allem Nase, Barbe, Döbel), zusammenhängen und sich derzeit in einer Abwärtsspirale gegenseitig verstärken.
Im Rahmen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wurden bereits viele Rahmenbedingungen für die Fließgewässer verbessert. So wurden beispielsweise eine Verbesserung der Durchgängigkeit, die Anpflanzung von Ufergehölzen und Schaffung von Uferrandstreifen oder die strukturelle Renaturierung von Gewässerabschnitten sowie die Reduktion der Nährstoffeinträge vorangetrieben. So wichtig diese Maßnahmen auch sind, brachten sie doch vielerorts nicht den gewünschten Erfolg. Und auch die Nister – einst grünes Juwel des Westerwalds und erfolgreiches Lachs 2000 Gewässer – kämpft ums Überleben.
Im Kern des Problems erscheinen nun nicht mehr vorrangig die Gewässerstruktur oder Einträge aus dem Umland (auch wenn Einzelereignisse auch jetzt noch zu regionalem Fischsterben führen), sondern vielmehr die im Gewässer lebenden Tiere selbst, deren Zusammenleben aus dem Gleichgewicht geraten ist. Während 1998 noch große Bestände von Bachmuscheln circa 1,92 Millionen Liter Nisterwasser pro Tag filtriert und so gereinigt haben, große Fische (vor allem Nasen) und kleine Wirbellose (vor allem Schnecken und Insektenlarven) den Algenrasen kurzhielten, fehlen die großen Bestände dieser Tiere heute und die Nister droht in Algen und Schwebstoffen buchstäblich zu ersticken.
Eine Schlüsselrolle spielt hierbei der Kormoran, welcher erstmalig im Winter 1998/99 in großer Zahl (118 Tiere) über das Siegsystem vom Rhein her bis in die Mittelgebirge an die Nister vorstieß. Während große Ströme, wie der Rhein, den Fischen Ausweichmöglichkeiten bieten, sind die Fließgewässer der Mittelgebirge zu flach und zu schmal, um den Fischen Rückzugsräume vor diesem intelligenten und im Schwarm jagenden Fischfresser bieten zu können. Durch die hohe Effizienz bei der Jagd und einen täglichen Bedarf von circa ½ Kilogramm Fisch je Kormoran, konnte Dr. Jörg Schneider (BfS Frankfurt) an der Nister im Jahr 1999 einen Einbruch der Fischbestände (unter anderen Nase, Döbel, Barbe) von circa 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr nachweisen. Leider beschränkt sich dieses Phänomen nicht auf die Nister, sondern kann in den meisten deutschen Mittelgebirgsflüssen beobachtet werden. Daher ist dort ein effektiver Schutz der Fischbestände, nur in Kombination mit einem konsequenten Management der Kormoranbestände erfolgsversprechend. Auf Grund der alarmierenden Bestandseinbrüche der Nase und ihrer großen Bedeutung für die Fließgewässer wurde die Nase 2020 zum Fisch des Jahres gewählt. Ein erster Schritt um diesen kulinarisch uninteressanten, aber für das Ökosystem Fließgewässer hoch relevanten, Fisch ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und effektiv zu schützen.
Als einen Meilenstein der Anstrengungen im Rahmen des Nistervertrages hebt Manfred Fetthauer auch den Rückbau des Heberwehres Schneidmühle hervor. Sei dies nicht geschehen, hätte das in der derzeitigen Trockenperiode zu einer zeitweisen Austrocknung von fast 40 Kilometern Nister geführt. In enger und schneller Zusammenarbeit zwischen dem Land, der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, dem LBM in Diez und den örtlichen Behörden konnte der Rückbau 2017/18 erfolgen.
„Mit der Förderung der Muschelaufzuchtstation unterstützt das Land jetzt einen weiteren Meilenstein der ARGE Nister. Hier vor Ort am Fluss in Stein-Wingert leistet das Team um Manfred Fetthauer großartige Arbeit zum Wohl unserer Flüsse“, sagte Hendrik Hering bei seinem Besuch. Mit dem Ziel Ende Mai die ersten jungen Bachmuscheln dort anzuzüchten, hatte die ARGE im November 2019 mit dem Abriss des alten Gebäudes begonnen, die Station erweitert und wiederaufgebaut. Den Bewilligungsbescheid für die Innenausstattung der Anlage hatte Hendrik Hering im Gepäck. Damit kann nun endlich die geplante technische Ausstattung der Station in Angriff genommen werden. Davon, dass sich schon jetzt in drei Fließrinnen einige tausend Bachmuscheln befinden, welche teilweise schon bis zu 1 Millimeter herangewachsen sind, konnte sich der Landtagspräsident zum Schluss selbst überzeugen. Noch gibt es viel zu tun, bis die Station, nach Corona, auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. „Packen wir es an!“, so Fetthauer zum Schluss. (PM)
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