Regina Kehr blickt in biblische Abgründe - Geschichten von Mord und Habgier
Manche Geschichten der Bibel sind wie ein Blick in den Abgrund. Sie erzählen von Hass, Neid, Begierde, Mord. Geschichte, die kein Blatt vor den Mund nehmen und den Menschen in all seiner Verletzlichkeit und Härte zeigen. Einige dieser Erzählungen erinnern an einen düsteren Krimi. In der Evangelischen Kirche Roßbach hat Regina Kehr nun drei Geschichten präsentiert.
Roßbach. Denn Regina Kehr ist nicht nur Bildungsreferentin im Evangelischen Dekanat Westerwald, sondern auch eine begnadete Erzählerin. Einen Abend lang entführte sie rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörer in der evangelischen Kirche Roßbach an biblische Tatorte.
Sie beginnt den Abend mit der Mutter aller Morde: der Geschichte von Kain und Abel. Regina Kehr orientiert sich eng an der biblischen Erzählung, aber schmückt sie aus: „Was hatte er getan? Vor ihm färbte sich der Boden rot vom Blut seines Bruders. Es war so schnell gegangen. Abel bedeutet Windhauch – und nun lag Abel da und hatte seinen letzten Atem ausgehaucht“. Regina Kehr erzählt die Geschichte dramaturgisch clever: Sie beginnt mit der Tat und geht danach auf Spurensuche. Die Gäste erfahren, wie Kain mit seinem Vater über die Felder wandert, wie seine Mutter unter Schreien seinen Bruder Abel zur Welt bringt, wie Neid und Hass immer mehr wachsen. Bis Kain schließlich diesen perfekt geformten, scharfkantigen Stein nimmt und seinen Bruder erschlägt. Das Motiv: Eifersucht. Im Krimi würde er dafür mindestens hinter Gitter kommen oder gar zum Tode verurteilt werden. „Aber Gott tötet Kain nicht. Stattdessen muss Kain fortan im Land der Rast- und Ruhelosen leben“, schließt Regina Kehr.
Ein seltsam offenes Ende für eine Kriminalgeschichte. Aber welches Urteil ist wirklich gerecht? Wer trägt welche Schuld? Diese Fragen ziehen sich wie eine rote Spur durch den Abend, auch durch die zweite Geschichte, die des Propheten-Dieners Gehasi, der im wahrsten Sinne des Wortes krank vor Gier wird. Die Antworten bleiben den Zuhörern selbst überlassen.
Zum Schluss erzählt Regina Kehr die Geschichte von Tamar, der Tochter König Davids, die von ihrem Halbbruder Amnon vergewaltigt wird. Regina Kehr inszeniert die Erzählung aus dem zweiten Buch Samuels als Gerichtsverhandlung. Sie lässt alle Beteiligten zu Wort kommen – ohne am Schluss das Urteil zu verkünden.
In einem Krimi ist solch ein offenes Ende oft unbefriedigend. Doch hier passt es. So wie die Musik des Organisten Martin Löw, der an diesem Abend Regina Kehrs Komplize ist. Zwischen den Geschichten improvisiert er gekonnt über bekannte Krimi- und Thriller-Melodien und liefert so den passenden Soundtrack für einen biblischen Krimi-Abend mit Tiefgang. Ein Abend, der trotz – oder wegen – der offenen Fragen nachklingt. (bon)
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