Wernert: Kliniken brauchen dringend Unterstützung
Das Gesundheitssystem hat der ersten Covid-Welle standgehalten. Derzeit erreicht die Zahl der positiv auf Corona getesteten Menschen in Deutschland ihren Höchstwert. Damit nimmt auch die Zahl derjenigen zu, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Nahezu zeitgleich liefen zum 30. September die Ausgleichszahlungen an die Krankenhäuser für weniger belegbare Betten aus.
Dierdorf/Selters/Limburg. Auf Befremdung stößt bei Klinikverantwortlichen das aktuelle politische Geschehen. Es stellt sich die Frage, ob in der Politik der Plan der deutlichen Reduzierung der Kliniken noch existent ist? Zur Erinnerung: Vor der Pandemie in 2019 wurde diskutiert, dass 600 statt 1.500 Krankenhäuser in Deutschland reichen würden. In 2019 wurden von der Bundespolitik vor Covid Pflegeuntergrenzen und Strafabzüge bei Abrechnungen eingeführt, die letztendlich nur die Klinikeinnahmen enger machen sollten.
Frage nach dem Warum und dem Zeitpunkt
„Die Zeit während der ersten Welle hat gezeigt, dass unser Gesundheitssystem eines der besten weltweit ist. Bundesweit waren alle Krankenhäuser da, als sie am dringendsten gebraucht wurden. Selbstverständlich sind wir von unserer Seite her vorbereitet, aktuelle Kapazitäten erneut hochzufahren“, erklärt Guido Wernert, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft St. Vincenz Limburg. Durch das aktuelle politische Vorgehen drohen den Kliniken in Deutschland ab Herbst Erlösausfälle und hiermit eine weitere finanzielle Belastung über die Zusatzkosten hinaus – da die Krankenhauskapazitäten mit einem realistischen Blick auf die Infektionszahlen bis weit über den Herbst hinaus durch vorgehaltene Kapazitäten zur Covid-Versorgung eingeschränkt bleiben. Darüber hinaus ist das Patientenverhalten hinsichtlich Behandlungen nicht stabil kalkulierbar - obwohl Kliniken sich auf sichere Patientenbehandlungen absolut vorbereitet haben.
Es stellt sich die Frage, warum die Politik zu diesem Zeitpunkt so agiert? Nach Wernerts Information werde branchenintern diskutiert, dass es Absprachen unter privaten Klinikkonzernen und der Bundespolitik gäbe, die 2019 geplante Klinik-Reform zu realisieren und nach einem „Crash“ die Bürgerversorgung auf einem Restmaß abzusichern.
Aktuell gibt Bundessozialminister Spahn nachhaltige Signale, dass die Krankenhauslandschaft keine Unterstützung mehr braucht. Über das gesamte Frühjahr und den Sommer wurde über die Krankenhausgesellschaften und einzelne Bundesländer versucht, Jens Spahn klar zu machen, dass Krankenhäuser einen fixen Lohn für ihre Vorhaltung täglich und zeitgleich brauchen. Dies, um nicht ständig und vor allen Dingen in Krisenzeiten, 100 Prozent von variablen Patientenzahlen abhängig zu sein. Jetzt kommt es auf die Kooperationsfähigkeit und den Weitblick des Gesundheitsministers und der Bundesregierung an, um die Krankenhäuser an der Front richtig aufzustellen. Gegenüber den Krankenhäusern „bockig“ zu sein, funktioniert an der Front nicht.
Einen eindringlichen Appell zur weiteren Unterstützung der Krankenhäuser hat der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft St. Vincenz Limburg, Guido Wernert, an den hessischen Sozialminister Kai Klose sowie die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing gerichtet. Zeitgleich hat Sozialministerin Sabine Bätzing einen Brandbrief mit allen notwendigen Eckpunkten (Ausgleichsfinanzierung der Unterbelegung im Vergleich zu 2019) angesichts der exponentiell steigenden stationären Covid-19-Patientenzahlen an Jens Spahn gerichtet.
„Das Ende September von der Bundesregierung verabschiedete „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ beschreibt sich schon selbst. Es greift irgendwann und irgendwie in der Zukunft,“ so Wernert.
Aussage von Helios-Chef macht nachdenklich
Nachdenklicher erscheine Wernert aktuell die Presseaussage von Francesco De Meo, Chef der in Deutschland vorhandenen über 100 Helios-Kliniken. „Vorsorglich Betten frei zu halten oder Ausgleiche an Krankenhäuser zu zahlen ist nicht nötig“. Dadurch könne die Meinung entstehen, dass aktuell Ausgleiche für freie Betten nicht mehr notwendig seien. Die Wahrheit ist, dass durch die exponentiell steigenden stationären Covid-19 Patientenzahlen vorhandene Ressourcen personell, räumlich, sächlich mehr gebunden sind, als im Normalbetrieb. Weiter vermeidet die Bevölkerung, obwohl die Kliniken hygienisch gut vorbereitet sind, stationäre Aufenthalte aus Vorsicht. Ferner wird eine Betriebsbereitschaft durch Quarantänemaßnahmen im Mitarbeiterbereich zusätzlich beeinflusst.
Ehrliches Miteinander
Guido Wernert fragt: „Herr De Meo, Herr Spahn - was ist Ihr gemeinsames Ziel für die deutsche Kliniklandschaft?“ Es sei doch klar, dass auch im Moment weiter der Betriebshaushalt der Kliniken durch taggleiche Ausgleichszahlungen von Unterbelegungen erfolgen muss. Notaufnahmen müssen auch offen sein wenn kein Patient kommt. „Ich finde, Ihre Strategie ist für die an der Front arbeitenden Ärzte, Pfleger sowie verantwortlichen Geschäftsführer zu durchsichtig, dass der Plan der deutlichen Reduzierung der Kliniken als unehrliches Ziel immer noch existent ist“, meint Wernert. Daher erwarte man von Seiten der Kliniken ein deutliches Agieren der Bundespolitik, wie es als Beispiel im aktuellen Brandbrief der rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerin skizziert ist. Guido Wernert: „Ich wünsche mir ein ehrliches Miteinander!“ Wernert ist in Personalunion Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft St. Vincenz mit den Standorten Limburg und Diez sowie des Evangelischen Krankenhauses mit den Standorten Dierdorf und Selters. Somit verantwortlich für vier Krankenhausstandorte, mit 2.400 Mitarbeitern und aktuell jährlich 37.000 stationären und 90.000 ambulanten Patienten. (PM)
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