Buchtipp: „Das Corona-Buch“ von Matthias Scheben
Von Helmi Tischler-Venter
Untertitel: „Anregungen zum Weg aus einer irritierten Gesellschaft“. Das Buch ist Schebens Lösungsvorschlag für alle, die die Gunst der Stunde nutzen wollen. Er zeigt Visionen auf, wie das erzwungene Innehalten den Fokus auf wirklich Wichtiges und Wesentliches richten und in der Folge die Gesellschaft besser und die Kommunikation humaner machen kann.
Dierdorf/Neuwied. Der Neuwieder Mathias Scheben verfügt über Lebenserfahrung und fachliche Kompetenz, denn er ist studierter Wirtschaftswissenschaftler, langjähriger Journalist, Kommunikationsberater, Sachverständiger, Trainer und Coach. Er ist Autor mehrerer Bücher über professionelle Kommunikation und war Lehrbeauftragter an den Universitäten Leipzig und Bamberg.
Während das Buch in Druck ging, verursachten rasant steigende Infektionszahlen den erneuten partiellen Lockdown, Schebens Erleichterung kam zu früh. Aktuell ist dagegen seine Analyse, dass es manchmal eben ganz schlimm kommen muss, damit alles besser werden kann, als es je war. Und er prognostiziert, dass es keinen Sinn macht, nach der Corona-Epidemie so weiter leben zu wollen wie bisher. In der zwangsläufigen Neueinrichtung unseres Lebens sieht er die Chance, Zeit zu haben zum freien Denken, zum Aufatmen, Durchatmen, zur großen Befreiung von innen heraus. „Uns selbst finden wir ausschließlich in uns selbst, in unserem Selbstvertrauen, nicht im Annehmen der Ansprüche anderer und nicht im Kopieren deren Lebensweisen. Selbstfindung ist ein autonomer, befreiender, auf uns konzentrierter Entschlackungsprozess für Seele und Geist.“
Wir müssen nach vorne denken. Im eigenen Reich, der Wohnung, besteht die neue Freiheit in mehr Raum und weniger Gerümpel. Auch die Seele sollte entrümpelt, von Altlasten befreit werden. In punkto Mobilität bedeutet das: umdenken und umsteigen. Das neue „Knappheitsbewusstsein“ lässt einen etwas verantwortungsvolleren Umgang mit Geld und Ressourcen erwarten. Durch bewusstes, verantwortungsvolles Kaufverhalten können wir dem Planten noch eine Chance geben. Der Schwund an Einzelhändlern in den Städten sollte für vielfältige Wohnraumnutzung zu bezahlbaren Preisen statt zur Verödung von Innenstädten führen. Onlinehandel und Homeoffice gehen zu Lasten des Einzelhandels und erfordern neue Konzepte.
Digitale Medien, Telefon und Post machen möglich, dass die Menschen trotz sozialer Distanz nicht vereinsamen. Etwas mehr Abstand aus Anstand wäre auf Dauer wünschenswert. Ein Plus an Distanz, Diskretion und Contenance, Höflichkeit und guten Umgangsformen als Folge von Corona wäre ein Lichtblick. Respekt in den sogenannten „sozialen Medien“ werden wir erst durch Abschaffung der Anonymität erreichen. Verschwörungserzählern, die von „Corona-Diktatur“ faseln, sollte man keinen Glauben schenken und erst recht nicht antworten. Und unser Interesse an guter Staatsführung soll nicht erlahmen, die gefährlichen Autokratien um uns herum sind warnende Beispiele, wie schnell Demokratie abgeschafft werden kann. Die Corona-bedingten Einschränkungen müssen nach Ende der Pandemie wieder restlos abgeschafft werden. Corona hat gezeigt, dass die Menschen bereit sind, Unannehmlichkeiten zu ertragen, wenn es um das große Ganze geht.
Die Globalisierung, ehemals Allheilmittel, wurde durch Corona in Frage gestellt. Die Pandemie zeigt, dass eine ausreichende Lagerhaltung von Staats wegen erforderlich ist. Nicht nur für Grundlebensmittel, sondern auch für Impfstoffe, Medikamente und medizinisches Zubehör. Sensible Produktionen müssen nach Europa zurückgeholt Lieferanten diversifiziert werden. Europäische Zusammenarbeit und Handelsbeziehungen müssen schneller und unbürokratischer funktionieren.
Juristen und Schulen hängen mangels digitaler Ausstattung und Kenntnisse hinterher und können ihre Aufträge nicht zufriedenstellend und im vorgegebenen Zeitrahmen erledigen. „Systemrelevante Berufe“ entsprechen in Auswahl und Entlohnung nicht den tatsächlichen Risikoberufen. Nur Beifall reicht nicht, die Politiker müssen diese Menschen gegen Unterbezahlung und Altersarmut absichern.
Corona hat gezeigt, wie klein und angreifbar alle Menschen sind. „Wenn wir die Natur überfordern mit zu viel Raubbau, zu viel Monokulturen, zu viel Landwirtschaft, zu viel Beton und Asphalt, dann werden wir sie vernichten. Verbrauchen wir mehr Wasser, als Erde und Himmel recyceln können, dann trocknen wir sie aus – und uns gleich mit.“ Die weltwirtschaftlichen Eingriffe in die natürlichen Reservoirs mancher Viren machten ein Überspringen von Erregern auf Menschen überhaupt erst möglich. Extensive Landwirtschaft mit Monokulturen und Pestiziden leisten ebenso Beitrag zur Virenwanderung wie die globalen Handelsströme. „Wenn Corona und die Jahre danach eine Zeitenwende bedeuten hin zu mehr Nachdenklichkeit und Nachhaltigkeit, dann wird das auch Auswirkungen haben müssen auf das, was wir gebrauchen, verbrauchen, verzehren.“
Ein Umdenken ist auch bei Reisen erforderlich, Fernreisen werden (aus gesundheitlichen Gründen) weder erholsam noch (aus politischen Grünen) ethisch vertretbar sein. Wer wirklich Urlaub machen will, vermeidet engen Massentourismus und Hot-Spot-Lokale. Wer über Garten oder Terrasse verfügt, kann dort die individuelle Freiheit genießen. Wenn regionale und saisonale Lebensmittel zu ehrlichen Preisen gekauft und Gastronomen unterstützt werden, die damit kochen, hilft das der heimischen Wirtschaft.
Wir alle sollten Hüter unseres Planeten sein und sein Klima und seine Ressourcen schützen. Das erfordert ein Umdenken von Politik und im privaten Bereich. Dessen Verletzlichkeit hat Corona auch offenbart. „Es gibt viel zu tun: Packen wir es an!“ Hoffentlich bleiben Schebens Visionen keine Illusionen.
Das Taschenbuch ist erschienen im Verlag Zeitenwende, ISBN 978-3-945701-28-7. htv
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