Diakonie: Suchtberatung ist wichtiger denn je
Die Zahl ist erschreckend: Weit mehr als 80.000 Menschen im Westerwald sind durch Sucht belastet. Mehr als die Hälfte davon sind selbst abhängig oder stehen in der Gefahr, abhängig zu werden; rund 39.000 Menschen leiden unter den Folgen der Abhängigkeit eines nahen Angehörigen. Die Sucht- und Drogenberatung des Diakonischen Werks Westerwald berät, behandelt und begleitet jedes Jahr rund 800 Betroffene und 200 Angehörige.
Westerburg. Aber sie steht vor großen Herausforderungen: Nur vier Fachkräfte sind in der ambulanten Suchtberatung für die Betroffenen da. Angemessen wären nach Auffassung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) jedoch 20. Der bundesweite Aktionstag „Suchtberatung: Kommunal Wertvoll!“, initiiert von der DHS unter Schirmherrschaft der Bundesregierung, macht auf diese – bundesweite – Diskrepanz ebenso aufmerksam, wie auf die unzureichende Finanzierung der bestehenden Suchtberatungsstellen. Viele Suchtberatungsstellen stehen finanziell mit dem Rücken an der Wand. Ziel des Aktionstages ist, auf die große Notwendigkeit kommunaler Suchtberatungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen. Weil gute Beratung vor Ort der erste Weg in ein gesundes Leben ist. Deshalb schließt sich die Diakonie der bundesweiten Forderung an, Suchtberatung personell ausreichend auszustatten und stabil zu finanzieren.
„Der Konsum von Suchtmitteln hat in Corona-Zeiten weiter zugenommen“, sagt Diplom-Psychologin Hiltrud Bartmann, die die Suchtberatung des Diakonischen Werks Westerwald leitet. „Der Druck für die Menschen wird größer: die Krisen, die Gewalt, die finanzielle Not, die psychischen Erkrankungen. Deshalb würden wir gerade jetzt die Betroffenen gerne noch intensiver unterstützen. Aber das Team braucht schlicht Verstärkung, um dem großen Bedarf gerecht zu werden, und das galt auch schon vor Corona.“
Die Arbeit, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stemmen, ist breit gefächert und basiert auf der Beratung, der Behandlung und Prävention. Das Team berät Menschen und deren Angehörige, die von Sucht betroffen oder gefährdet sind. Behandlung findet im Rahmen der Ambulanten Rehabilitation, der Ambulanten Nachsorge sowie einer Gruppe für glücksspielabhängige Menschen statt. Und schließlich arbeitet es auch präventiv.
Die Resonanz darauf ist groß: Sämtliche Angebote der Sucht- und Drogenhilfe sind komplett ausgelastet, und immer wieder berichten Menschen von Schritten in ein neues Leben, die sie ohne Hilfe nie gegangen wären.
Das Problem ist die Finanzierung. Bundesweit sind die meisten Suchtberatungsstellen chronisch unterfinanziert. Auch die Westerwälder Suchtberatungsstelle ist von einer kostendeckenden Finanzierung weit entfernt. „Sie ist nur mit enorm großen Eigenmitteln des Diakonischen Werkes und Spenden aufrecht zu erhalten“, sagt Petra Strunk, Stellvertretende Leiterin des Diakonischen Werkes Westerwald. „Damit sie für suchtgefährdete und abhängigkeitskranke Menschen sowie deren Angehörige weiterhin die zentrale und hilfreiche Anlaufstelle im Westerwald sein kann, wünschen wir uns eine Ausweitung der Beratungsmöglichkeiten und eine verlässliche Finanzierung“.
Und in Suchtberatung zu investieren, rechnet sich in mehrfacher Hinsicht: Alkohol und Drogen können nicht nur das Leben der Betroffenen und deren Umfeld aus der Bahn werfen. Sie richten auch einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden an. „Jeder Euro, der in die Suchtberatung investiert wird, erspart der Gesellschaft einen Schaden von 28 Euro. Anders herum: Der volkswirtschaftliche Schaden, der pro Jahr alleine durch problematischen Alkoholkonsum entsteht, liegt laut DHS bundesweit bei rund 60 Milliarden Euro“, sagt Hiltrud Bartmann.
Eine Summe, die durch Behandlungskosten, körperliche und psychische Folgen, Fehlzeiten am Arbeitsplatz, Überschuldungen, Frühverrentung, Unfälle oder Schäden im familiären Umfeld zustande kommt. „Die Schäden sind also immens“, fasst die Diplom-Psychologin zusammen. „Wenn wir die Menschen früh unterstützen, würden dadurch nicht nur extreme Kosten gespart. Es hilft, das Leid der Betroffenen und deren Familien zu mildern. Und das ist letztlich unbezahlbar.“ (bon)
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