Nicole nörgelt – über Treib- und Drückjagden
Von Nicole
GLOSSE | „Treffen sich zwei Jäger. Beide tot.“ Dieser alte Witz kam mir neulich unwillkürlich in den Sinn, als eine Treibjagd in meiner Region angekündigt und durchgeführt wurde. Bei dem Thema habe ich ganz böse Gedanken. Das sind die Momente, wo die Decke der Zivilisation über dem menschlichen Wesen ganz, ganz dünn wird.
Region. Um eins klarzustellen: Natürlich sind Jäger nicht von Haus aus schießwütige Rambos, die adreanlingepeitscht durchs Gehölz trampeln, nur „Töten! Töten! Töten!“ im Kopf haben und sich mit der Waffe in der Hand an der Macht über Leben und Tod aufgeilen. Ja, die Jagd an sich ist ökologisch sinnvoll und dient letzten Endes auch dem Artenschutz, weil Populationen unter Kontrolle gehalten, Lebensräume geschützt und Tierseuchen eingedämmt werden, vom Nutzen für Landwirtschaft und Viehhalter ganz zu schweigen.
Aber Drück- oder Treibjagden haben damit kaum noch etwas zu tun. Da hetzen Treiber mit laut kläffenden Hunden das Wild auf, um es den Jägern vor die Büchse zu „drücken“, da zählt nur noch die Abschussquote, draufhalten und ballern wie im Egoshooter vor dem Computer-Bildschirm, nur im echten Leben mit lebenden, atmenden Kreaturen. Rehe, die in Panik flüchten, Füchse, von einer wilden Hundemeute gehetzt, Wildschweine, die mit Bauchschüssen qualvoll verenden. Wie viele werden gar nicht erst gefunden und bleiben im Wald liegen? Wie viele sind nicht mal mehr genießbar, weil das Fleisch vom Geballer durchlöchert oder vom Adrenalin der Panik sauer geworden ist?
Und wieso muss ich grade an „Bambi“ denken, dem vielleicht traumatischsten Filmerlebnis meiner Kindheit? Jaja, schon gut, ich sehe mal wieder alles schwarzweiß und ich gebe gerne zu, dass ich selber – außer an der Schießbude auf der Kirmes und bei gelegentlichen Ausflügen zum Schützenfest – noch nie ein Gewehr in der Hand hatte. Gefühlsduselei ist hier nicht wirklich angebracht und bigottes Gutmenschentum dreimal nicht.
Aber ich werde einfach den Gedanken nicht los, dass sowas nicht sein muss. Wie laut war der Aufschrei, als ein Zahnarzt aus den USA vor ein paar Jahren über 40.000 Euro für einen Jagdausflug nach Simbabwe ausgab, um sich dann stolz neben dem abgeschossenen Löwe Cecil mit der berühmten schwarzen Mähne fotografieren zu lassen? Wie heftig schütteln wir alle die Köpfe, wenn Wilderer sich irgendwo in Afrika mit grimmigem Gesicht fürs Foto neben Bergen von Elfenbein aufbauen? Aber hier bei uns direkt vor der Haustür geht es in Ordnung, wenn sich Leute mit zweifelhafter Erfahrung einen Platz bei einer Treibjagd kaufen, um nach Lust und Laune draufhalten zu können? Von Corona-Bedingungen will ich gar nicht anfangen, wo Fußballvereine nicht trainieren, grünberockte Angehörige der Risikogruppen aber gemeinsam auf die Jagd gehen können.
Ich jedenfalls werde mir nun vielleicht doch nochmal „Bambi“ angucken. Und mich ausnahmsweise doch mal freuen, dass ich ein klitzekleines bisschen zu dick bin, um beim Abendspaziergang mit einem Reh verwechselt zu werden.
In diesem Sinne.
Ihre Nicole
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