Wahlen in Zeiten der Pandemie – bisher mehr Fragen als Antworten
Das Thema hätte aktueller nicht sein können: Wenige Stunden nach der Ablehnung des Landeswahlleiters zu einer reinen Briefwahl im Westerwaldkreis hatte die CDU die Westerwälder Ortsbürgermeister zu einem Video-Treffen über die Durchführung der Landtags- und Bürgermeisterwahlen am 14. März geladen.
Montabaur. Der Tenor der Teilnehmer aus den Orts- und Verbandsgemeinden zur Entscheidung des Landeswahlleiters auf eine reine Briefwahl zu verzichten, war einhellig: fassungslos, unverständlich, gesundheitsgefährdend sowie rechtsfehlerhaft.
Die CDU-Kreistagsfraktion hatte die Entscheidung über die reine Briefwahl kurzfristig zum Thema ihrer Reihe „Impulse Digital“ gemacht. Fraktionsvorsitzender Dr. Stephan Krempel kritisierte die Entscheidung des Landes scharf: „Bisher kann keiner zuverlässig sagen, wie sich die Pandemielage bis dahin entwickelt und in welchem Umfang die Rückkehr zu einem normalen gesellschaftlichen Leben möglich ist. Aus heutiger Sicht ist es mehr als wahrscheinlich, dass das öffentliche Leben am Wahltag immer noch stark eingeschränkt sein wird:“ An die Bürgermeister und Ortsbürgermeister gewandt: „Wir wissen aus vielen Vorgesprächen, dass es eine große Anzahl von Fragen gibt, die bisher nicht zufriedenstellend beantwortet wurden. Es ist uns ein Anliegen, Sie mit diesen Sorgen nicht allein zu lassen. Teilen Sie uns diese Fragen und Schwierigkeiten mit. Gemeinsam werden wir versuchen, Lösungen zu finden. Im Übrigen werden wir im Nachgang den Landeswahlleiter bitten, alle Ihre Fragen zu beantworten. Die Antworten werden wir wiederum allen Beteiligten übermitteln.“
Bürgermeister Ulrich Richter-Hopprich, der auch Wahlleiter im Landtagswahlkreis Montabaur ist, hält die rechtliche Einschätzung von Landeswahlleiter und Innenministerium für nicht nachvollziehbar, fehlerhaft und letztlich unverantwortlich. Jeder Bürger stelle in seinem Umfeld fest, dass das öffentliche Leben weitgehend - mit all seinen augenblicklichen Einschränkungen - zum Erliegen gekommen sei. Der Gesundheitsschutz der Wähler und der Mitglieder in den Wahlvorständen habe offenbar keine Rolle gespielt. Mit der Entscheidung würden landesweit weit über eine Million Kontakte provoziert, die vermieden werden könnten. Obwohl ihm keine Rechtsmittel zur Verfügung stünden, sei es ihm wichtig gewesen die Realitätsferne der Entscheidung gegenüber dem Landeswahlleiter nochmals deutlich zu machen.
Eine skandalöse Entscheidung, die parteitaktisch motiviert sei, nannte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Stephan Krempel die Entscheidung des Landes. Das Land setze die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer unnötigen Gefahren aus. „Wenn das Hygienekonzept des Landes angeblich so ausgereift ist, dann kann das Land dies ja auch bei den Frisören und anderen Unternehmen anwenden. Wer jetzt öffentlich behauptet, es sei doch alles nicht so schlimm, verspielt seine politische Glaubwürdigkeit“
Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jenny Groß MdL nannte die vom Land getroffene Entscheidung ein falsches Signal. Als Landtagsabgeordnete habe sie mit der Zustimmung zu einer Gesetzesergänzung ihr Ja zu einer pandemiekonformen Durchführung der Wahlen gegeben. Der Verweis auf mögliche jüngere Wahlhelfer sei unredlich, da auch diese Personengruppe den Gesundheitsgefahren ausgesetzt sei.
„Fassungslos“ zeigte sich CDU-Landtagskandidat und Stadtbürgermeister Janick Pape. Während Frisöre und andere Geschäftsinhaber „Berufs- und Kontaktverbot“ haben, eröffne das Land mit seiner Entscheidung eine Vielzahl von zusätzlichen Kontaktgefährdungen. Gleichzeitig produziere es eine Vielzahl von rechtlichen Fragen bei den Wahlvorständen, die bis zur Ungültigkeit einer Wahl führen könnten.
CDU-Kreisvorsitzender Dr. Andreas Nick MdB verwies darauf, dass die Westerwälder Christdemokraten an das Land appelliert haben, die Wahl als reine Briefwahl durchzuführen. Dies trage dem allgemeinen politischen Willen Rechnung, die Zahl der Kontakte zu verringern, außerdem werfen Präsenzwahlen in Wahllokalen mit einer großen Zahl von Wahlhelfern viele unnötige Probleme auf. Die CDU kenne auch die leidvolle Erfahrung der örtlichen Wahlleitungen, dass bereits bei den Wahlen in der Vergangenheit die Bereitschaft, als ehrenamtlicher Wahlhelfer zur Verfügung zu stehen, deutlich zurückgegangen ist. lm Anbetracht der derzeitigen lnfektionslage sei auch davon auszugehen, dass insgesamt deutlich weniger Bürger bereit sind, sich wissentlich den nicht abschätzbaren Gesundheitsgefahren im Wahlvorstand auszusetzen.
Auch Landrat Achim Schwickert kann nicht nachvollziehen, dass einerseits von Bund und Land massive Einschränkungen angeordnet und angedroht werden, andererseits eine Vielzahl von Gefahrenmomenten und Risiken völlig unnötig provoziert werden. Hierunter leide auch das Vertrauen der Bürger in die Politik. Niemand könne verlässlich sagen, ob kurzfristig noch Hemmnisse auftreten, die im Extremfall zur Ungültigkeit der Wahlen führen könne. Bei einer ausschließlichen Briefwahl seien viele Gefahrenmomente dagegen ausgeschlossen.
Im weiteren Verlauf der Videokonferenz wurden eine Vielzahl an Fragen zur Arbeit in den Wahlvorständen gestellt, die mit der Pandemie neu auftreten und noch nicht beantwortet sind. Die CDU mail@cdu-westerwald.de will diese sammeln und dem Landeswahlleiter zur Beantwortung zukommen lassen.
Bürgermeister Ulrich Richter-Hopprich machte abschließend nochmals deutlich, dass er die Entscheidung für grundlegend falsch und fehlerhaft hält. Es sollte auf eine andere Entscheidung hingewirkt werden. Zunächst müsse allerdings eine rechtssichere Urnenwahl und die gleichzeitige Briefwahl vorbereitet werden. Auch das jetzt erforderliche Beantragen der Briefwahlunterlagen produziere erfahrungsgemäß zusätzliche Kontakte in den Verwaltungen. Das Land habe die ohnehin sehr schwierige Situation für die Menschen im Land unnötig verschärft. (PM)
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