"Linden-Kompromiss ist eine Mogelpackung"
Die Bürgerinitiative (BI) „Rettet die Linden von Allmannshausen“ bezeichnet den jüngsten Beschluss des Stadtrates von Montabaur, nur eine der beiden alten Linden am “Allmannshäuser Kapellchen” zu fällen und die zweite zu erhalten, als eine “Mogel-Packung”. Die BI fordert weiterhin, beide Linden zu erhalten und als Naturdenkmal anzuerkennen und wirft Stadt und Kreis vor, gegen das Bundesnaturschutzgesetz zu verstoßen.
Montabaur. Hintergrund der erneuten Diskussion um die Linden ist ein Beschluss des Stadtrates, der in seiner Sitzung am 30. September von seiner ursprünglichen Entscheidung, beide Linden zu fällen, um ausreichend Platz für eine Linksabbiegespur von der K 82 in das künftige Baugebiet “Kesselwiese” im Stadtteil Allmannshausen zu schaffen, abgerückt war.
Anlass für diese Entscheidung war, wie Edmund Schaaf, Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Montabaur, in der Ratssitzung vom September erläuterte, das Ergebnis eines Gespräches mit dem Beirat für Naturschutz des Westerwaldkreises, an dem neben dem Ersten Beigeordneten der Stadt Montabaur, Gerd Frink, auch Schaaf selbst sowie Marion Gräf von der Bauverwaltung der VG teilgenommen hatten. Der Naturschutzbeirat hatte zuvor auf Antrag der Sprecher der BI, Harry und Gabriele Neumann aus Quirnbach, entschieden, dass die Linden “im Ensemble mit der Kapelle grundsätzlich die Voraussetzungen zur Ausweisung als Naturdenkmal erfüllen”.
Der Beirat hatte der Kreisverwaltung für den Fall, dass die beiden Linden dennoch nicht erhalten werden können, folgende Alternative empfohlen:
Der geplante Rad- und Gehweg wird im Bereich des Kapellengrundstücks zusammengeführt, um dadurch etwa einen Meter in der Grundstücksbreite erhalten zu können.
Die Linde, die vom Straßenrand weiter entfernt steht, soll stehen bleiben.
Im hinteren Bereich des Kapellengrundstücks sollen zwei neue, hochstämmige Linden beiderseits der Kapelle gepflanzt werden. Damit könnte “auf längere Sicht” eine mit dem jetzigen Ensemble vergleichbare symmetrische Wirkung erzielt werden.
Für den Wegfall einer Linde soll “ein adäquater externer Ausgleich” geschaffen werden.
Die Stadt Montabaur soll darauf hinwirken, dass die Bruchsteinmauer hinter der Kapelle erhalten bleibt.
Laut Schaaf haben Forstfachleute im Naturschutzbeirat nicht ausgeschlossen, dass die zu erhaltende alte Linde durch die Baumaßnahmen geschädigt werden könnte, sahen demnach aber durchaus die Chance, dass der Baum dort noch so lange Zeit stehen könne, bis die neuen Linden ausreichend herangewachsen sind. Die Vorschläge des Naturschutzbeirates, so hatte Schaaf erklärt, seien auch für den Landesbetrieb Mobilität vertretbar und fänden dessen Zustimmung. Der Rat der Stadt hatte sich daraufhin mehrheitlich für die vom Beirat genannte Alternative entschieden.
Die Bürgerinitiative hingegen sieht “weiteren Handlungsbedarf”, weil sie mittlerweile zahlreiche Telefonanrufe und E-Mails von besorgten Bürgern aus Montabaur erhalten habe, die das Fällen der Linden strikt ablehnten. Keiner dieser Bürger habe für das Vorgehen von Stadt und Kreis Verständnis und alle äußerten Kritik an der mangelhaften Informationspolitik, so die BI.
Die Sprecher der BI erheben den Vorwurf, Stadt und der Kreisverwaltung habe eine frühere Stellungnahme des Fachbeirates für Naturschutz nicht gepasst. Deshalb sei zu einer zweiten Sitzung eingeladen worden, “um einen „genehmen“ und „auslegungsfähigen“ Beschluss zu erhalten”. Dies sei eine, die zu wachsender Politikverdrossenheit führe.
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Obwohl sich der Fachbeirat für Naturschutz auch beim zweiten Mal klar für die Anerkennung des Ensembles aus Kapelle und Linden als Naturdenkmal ausgesprochen habe, “hat die Kreisverwaltung mit fadenscheinigen und sachfremden Argumenten unseren Antrag auf Anerkennung als Naturdenkmal abgelehnt”, so Harry und Gabriele Neumann. Dies sei im „politischen Schulterschluss“ mit Stadt- und Verbandsbürgermeister erfolgt.
Nach Ansicht der BI wurde das „Vermeidungsgebot“ bei der Aufstellung des Bebauungsplanes “in keiner Weise berücksichtigt und von der Kreisverwaltung als Genehmigungsbehörde nicht beanstandet”. Die Kapelle und die beiden Linden als zusammengehörendes Ensemble gehören nach Meinung der BI zu den so genannten „Zwangspunkten“ und seien völlig außer Acht gelassen worden. Dies wertet die BI als gravierende Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz. Der Bebauungsplan könnte daher mit einer Normenkontrollklage angegriffen werden.
Die Bürgerinitiative behauptet außerdem, das Kapellengrundstück liege außerhalb des Plangebietes zwischen ICE-Bahnhof und „Kesselwiese“, es sei keinem Planbereich zugeordnet. “Insofern ist ein Fällen der Linden gar nicht statthaft. Wir fordern den Stadtbürgermeister daher auf, die geplanten Fällmaßnahmen sofort einzustellen”, so die BI-Sprecher.
Das jetzt geplante Fällen nur einer Linde sei nicht naturschutzrechtlich begutachtet worden. Insbesondere fehle eine Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Das beabsichtigte Pflanzen von zwei neuen Bäumen diene bislang lediglich der Erhaltung des Gesamtbildes „Kapelle – Linden“, jedoch nicht den naturschutzrechtlichen Aspekten. Auch wenn der Erhalt der einen Linde einen ersten Erfolg der BI darstelle, sei dieser „Kompromiss“ eine Mogelpackung.
Der ökologische Schaden durch das Fällen der Bäume kann nach Auffassung der BI nicht mit dem Pflanzen von zwei neuen Bäumen ausgeglichen werden. “Weitere Ausgleichsmaßnahmen werden jetzt ins Spiel kommen. Sicherlich wird eine Wiese gefunden werden, auf der man einige Bäume pflanzen will und die dann zukünftig auch für weitere Bau- und Versiegelungsmaßnahmen als „Ausgleichsfläche“ genutzt werden kann. So laufen die Verfahren üblicherweise ab. Es geht also gar nicht um Naturschutz, sondern um das „Zurechtbiegen“ für die Ziele, die man eigentlich verfolgt” kritisieren Harry und Gabriele Neumann.
Die BI-Mitglieder fragen, wieso seit Jahren die Kennzeichnung der Kapelle als „denkmalgeschützt“ fehlt und wie die die Stellungnahme der Denkmalpflege dazu aussieht. “Wieso tagt der Fachbeirat Naturschutz nichtöffentlich, obwohl es um wichtige öffentliche Belange geht?” und “Warum weigert sich Stadtbürgermeister Mies, unserer Bürgerinitiative das faunistische Gutachten aus dem Jahre 2008 zukommen zu lassen?” sind weitere Fragen der Initiative.
“Des Weiteren haben wir erfahren, dass jetzt doch 26 der 39 geplanten Baugrundstücke in der Kesselwiese, also zwei Drittel, über die Tonnerrestraße angefahren werden sollen”, so die Sprecher der BI. "Warum braucht man dann überhaupt eine Linksabbiegerspur? Wie werden sich die Bewohner jetzt verhalten, die diese Zufahrt schon einmal mit einer Unterschriftenaktion verhindert hatten? Außerdem würden damit die vorliegenden Beschlüsse auf falschen Tatsachen basieren und wären angreifbar.”
Die BI appelliert an die Stadtratsmitglieder, der “undurchsichtigen Informationspolitik nicht tatenlos zuzusehen und naturverträgliche Alternativen zu fordern”. Die ganze bisherige Planung für das Neubaugebiet Kesselwiese sei unkoordiniert und „naturschutzignorant“ verlaufen. Die BI will in der nächsten Sitzung des Stadtrates deutlich machen, “dass sich zahlreiche Bürger für den Erhalt der beiden Linden einsetzen”. (art)
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