Pfarrerin Fritz verabschiedet sich in Richtung Eifel
Sechseinhalb Jahre lang war Ilona Fritz Pfarrerin der Evangelischen Willkommensgemeinde Freirachdorf-Roßbach. Jetzt verabschiedet sie sich in die Eifel und startet dort im März als Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Prüm.
Roßbach-Freirachdorf. Eine Entscheidung, die sie der Liebe wegen getroffen hat. Denn sie und ihr niederländischer Mann führen seit Jahren eine Wochenendbeziehung. Nun ziehen die beiden (endlich) zusammen und haben sich die Schnee-Eifel als gemeinsame Heimat ausgesucht. Den Westerwald verlässt sie deshalb im Guten – obwohl der Abschied gerade jetzt ziemlich schmerzt.
Denn die Pfarrerin hat mit ihrer Gemeinde viel erlebt. Dass sie sich wegen der Corona-Pandemie nun nicht so von ihrer alten Wirkungsstätte verabschieden kann, wie sie es gerne tun würde, hat ihr bis vor kurzem zu schaffen gemacht. „Ich habe mit vielen Menschen gemeinsam Gemeinde gestaltet und das Leben geteilt, und nun gehe ich still und leise. Das hätte ich mir anders gewünscht, aber ich habe mich inzwischen damit abgefunden“, sagt sie. Immerhin soll es am 27. Februar zumindest einen kleinen Gottesdienst und vielleicht nochmal ein gemeinsames Grillen im Sommer geben.
Dann wird Ilona Fritz schon Pfarrerin in der flächenmäßig größten Gemeinde der Evangelischen Kirche in Deutschland sein: in Prüm. Zu der gehören zwar „nur“ 1.800 Menschen, aber die verteilen sich über ganze 100 Ortschaften. Für Ilona Fritz bedeutet das nicht nur lange Autofahrten durch die Eifel. Für sie ist ihre nächste (und wohl auch die letzte) Station als Gemeindepfarrerin vor allen Dingen eine weitere spannende Erfahrung: „Es ist eine Herausforderung, Gemeindeleben in dieser riesigen Fläche zu gestalten – noch dazu in einer Region, die sehr katholisch geprägt ist. Aber ich freue mich drauf. Denn die Gemeinde hat schon jetzt eine lebendige Kinder- und Jugendarbeit und ist auch digital sehr gut aufgestellt.“
Ilona Fritz mag solche Herausforderungen. Vor ihrer Zeit im Westerwald ist sie Bischöfin der „Evangelisch-Lutherse Kerk in het Koninkrijk der Nederlande“ und Pfarrerin in der „Evangelisch-Lutherse Gemeente“ in Amsterdam. Unter ihr vereinigen sich die drei protestantischen Kirchen des Landes, und außerdem ist sie in den Niederlanden als Pfarrerin in einer Gemeinde tätig, die fast ausschließlich aus südamerikanischen Einwanderern besteht.
Der Wechsel in den Westerwald scheint im Vergleich dazu eher ein Wechsel in ruhigeres Fahrwasser zu sein. Aber 2015 sind nicht nur Freirachdorf und Roßbach, sondern auch das ganze Land in Bewegung. Es ist die Zeit der Flüchtlinge, des „Wir schaffen das!“, und auch Roßbach wird im wahrsten Wortsinn über Nacht mit der gesellschaftlichen Realität konfrontiert: Von heute auf morgen leben mehr als 40 Flüchtlinge in dem kleinen Ort, und in Freirachdorf sind ebenfalls einige Flüchtlingsfamilien untergebracht. Ilona Fritz übernimmt gemeinsam mit den Kirchengemeinden und vielen Ehrenamtlichen der Kommune Verantwortung und hilft den Männern, Frauen und Kindern. Die Einheimischen begleiten und unterstützen die neuen Mitbewohner; die Kirchengemeinde feiert Feste mit den Flüchtlingsfrauen und deren Kindern; man kocht, tanzt und lebt zusammen, erzählt sie: „Das war eine bewegende und prägende Zeit – nicht nur für mich, sondern für beide Gemeinden.“ Besser gesagt: die Gemeinde. Denn 2016 schließen sich Roßbach und Freirachdorf zusammen und wählen als neuen Namen „Evangelische Willkommensgemeinde“. Einen passenderen hätten sie kaum finden können.
Unter Ilona Fritz ist in Roßbach und Freirachdorf vieles zusammengewachsen und neu entstanden: „Menschen bringen sich gestalterisch ein, moderne Lieder haben sich im Gottesdienst etabliert, es ist Vertrauen und Neugierde da“, sagt die Pfarrerin.
Und der Prozess geht weiter. Denn spätestens 2022 vereinigen sich die Willkommensgemeinde Freirachdorf-Roßbach mit Wahlrod und Höchstenbach zu einer Gesamtkirchengemeinde. Aber das wird schon, ist sich Ilona Fritz sicher. „Unser Kirchenvorstand hat in den vergangenen Jahren viele wertvolle Erfahrung sammeln können, was solch einen Prozess angeht. Aber manches kann man nicht planen: Das entsteht erst im Losgehen.“ Was das angeht, macht sie sich aber keine Sorgen – so lange „ihre“ Willkommensgemeinde neugierig und offen bleibt. „In den vergangenen Jahren ist hier so viel Gutes entstanden – weil die Menschen hier immer wieder über den eigenen Tellerrand geschaut haben. Wenn sie sich das bewahren, bleibt die Willkommensgemeinde auf einem guten Weg.“ (bon)
Der Abschiedsgottesdienst für Ilona Fritz findet am 27. Februar um 14 Uhr in der Evangelischen Kirche Roßbach statt.
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