Erfolgsmodell Pumptrack in Hachenburg
Dass sich Engagement, innovatives Denken und vor allem Durchhaltevermögen auszahlen – und zwar in jedem Alter – beweist die beeindruckende Geschichte des Hachenburger Pumptracks. Die Anlage ist Beispiel für eine erfolgreiche Einbindung von Kindern und Jugendlichen.
Hachenburg. Zu einem nicht unerheblichen Teil verantwortlich ist dafür nämlich der jetzt zwölfjährige Anton Orthey, der mit seinem Vorschlag bei Stadtbürgermeister Stefan Leukel auf offene Ohren gestoßen ist. Ganze zehn Jahre alt war der begeisterte Fahrradfahrer, als er in Winterberg eine Pumptrack-Anlage besucht und direkt Feuer und Flamme war.
Mit normalen Straßenfahrrädern, Mountainbikes, Inlinern, Laufrädern, Scootern und sogar Rollstühlen, – kurz, allem, was Rollen hat, kann man den Track benutzen. Sowas wünscht sich der Hachenburger auch für seine Heimatstadt. Denn die Ausübung seines Hobbies fällt ihm und seinen fahrradbegeisterten Freunden immer schwerer in der Löwenstadt. „Überall werden wir weggejagt, auf dem Alten Markt sollen wir nicht fahren, im Burggarten will man uns nicht, selbst wenn wir im Wald unterwegs sind, kommen Beschwerden“, erklärt Anton. Ein eigenes Gelände, wo sich die Jugendlichen mit ihren Rädern austoben können, ist sein Traum.
Diese Begeisterung kann er wenig später bei einem Workshop zur Gestaltung des Spiel- und Freizeitgeländes am Rothenberg einbringen und auch andere dafür begeistern, unter anderem Stadtbürgermeister Stefan Leukel. Als dritter Bauabschnitt soll ein kleiner Pumptrack-Parcours innerhalb des Spiel- und Freizeitgeländes entstehen. Auch der Fachausschuss gibt grünes Licht, aber im Stadtrat wird das Projekt erst einmal ausgebremst. Eine solche Anlage könne zu viel Tagestourismus in das Wohngebiet ziehen und in der Konsequenz eine Belästigung für die Anwohner darstellen, ist die Befürchtung der Ratsmitglieder. Anton ist am Boden zerstört, doch Aufgeben ist keine Option. Beim nächsten städtischen Workshop, diesmal zum Thema „Kinder in der Stadt“ stellt er nochmal seine Idee eines Hachenburger Pumptracks vor und bekommt prompt die meisten Stimmen für sein Projekt. Doch damit nicht genug. Mithilfe seiner Eltern, Doro und Eike, die nicht nur die Listen erstellen, sondern auch Pumptrack-T-Shirts für Anton und seine Freunde drucken lassen, stellt er eine Unterschriftenaktion auf die Beine und sammelt die Signaturen von knapp 800 Unterstützern für die Anlage.
Das bringt ihm eine Einladung von Stadtbürgermeister Stefan Leukel in den Stadtrat, wo er neben der Präsentation seines Projektes auch eine Videobotschaft des bekannten Mountainbikers Fabio Schäfer vorstellen kann. Der Stadtrat ist begeistert und eine Standortanalyse, die geeignete Flächen im Stadtgebiet sondieren soll, wird in Auftrag gegeben. Die Wahl fällt auf das Gelände an der Rundsporthalle. Ein idealer Standort, er ist nah an der Innenstadt, am Schulzentrum und dem Jugendzentrum, es gibt zahlreiche Parkplätze und niemand wird gestört. Leukel macht Nägel mit Köpfen, in den Haushalt 2020 werden 200.000 Euro für das Projekt eingestellt und einstimmig verabschiedet. Bei einer gemeinsamen Fahrt nach Holland schaut sich der Stadtchef mit ein paar fahrradbegeistern Kids und ihren Eltern eine Pumptrack-Indooranlage an, um sich eingehend über die verschiedenen Möglichkeiten eines Parcours zu erkundigen.
Dann kommt Corona und erst einmal Stillstand, auch für den Pumptrack. In der ersten Stadtratssitzung nach dem Lockdown sollen die einzelnen Projekte dann beschlossen werden, doch die Ratsmitglieder möchten lieber erst alle Fördermöglichkeiten ausschöpfen, da die Kosten im Vergleich zu der damals angedachten Anlage am Rothenberg teurer sind, sich aber auch in Größe und Art nicht vergleichen lassen. Bei Anton und seiner Fahrradgang, die die Stadtratssitzung fiebernd mitverfolgen, fließen Tränen, doch noch ist nicht alles verloren. Von den veranschlagten Kosten von 170.000 Euro ist der Stadtrat bereit, 130.000 Euro zu finanzieren. Stadtbürgermeister Leukel nimmt die Herausforderung an, die restlichen 40.000 Euro bereit zu stellen. Langwierige Förderanträge lehnt er ab, um den Kids, die in Coronazeiten schon genug gelitten haben, möglichst bald ihre heiß ersehnte Freizeitanlage ermöglichen zu können.
Die neuerliche Hürde mobilisiert die Kids noch mehr, ihren Traum zu verwirklichen. Sie gehen Klinken putzen und stellen auf Supermarktparkplätzen und dem Alten Markt Infostände auf, verteilen Flyer und sammeln Spenden. Social-Media-Kanäle sorgen für ein Übriges, Yoran Leicher dreht ein werbewirksames Video und bald können großzügige Spenden von Privatpersonen und Gewerbetreibenden verbucht werden. Dazu kommt eine Crowdfunding-Aktion, bei der die Westerwald Bank jede Einzelspende von mindestens 5 Euro mit 10 Euro unterstützt und eine Spendenbox bei Rewe, die sich stündlich füllt. Summa summarum kommen statt der angestrebten 40.000 Euro innerhalb kürzester Zeit sogar 50.000 Euro zusammen, sodass die Stadt für die Umsetzung der Anlage sogar nur 120.000 Euro in die Hand nehmen muss. Fazit: Ziel übererfüllt.
Dann geht alles ganz schnell. Innerhalb von drei Wochen ist die Anlage gebaut und wird sogar noch um einen Kleinkinderparcours ergänzt, für dessen Finanzierung von zusätzlichen knapp 20.000 Euro die DJK Marienstatt, die aufgrund des Pumptracks eine eigene Fahrradabteilung gegründet hat, hauptsächlich verantwortlich zeichnet. Wie gut das Projekt in der Bevölkerung angenommen wird, zeigt auch die Spende des Versicherungsbüros Sartors aus einem Allianzfördertopf für die Begrünung der Außenanlagen.
Zur inoffiziellen Eröffnung des Pumptracks kommt nicht nur Fabio Schäfer, der Anton ganz zu Anfang das Versprechen gab, sondern auch dessen Mountainbike-Kollege Lukas Schäfer, der sich in der coronafreien Zukunft Workshops auf der Hachenburger Anlage vorstellen kann. Nach drei Wochen Betrieb musste der Parcours corona- und wetterbedingt leider geschlossen werden, doch Anton und seine Fahrradgang freuen sich jetzt schon, wenn sie nach Schnee, Eis und Virusgefahr wieder über die Pumptrack sausen können.
„Der Pumptrack ist ein gutes Beispiel, dass sich Kinder und Jugendliche jederzeit mit einbringen und in kürzester Zeit etwas auf die Beine stellen können“, ermuntert Stadtchef Leukel alle jungen Menschen zum Mitgestalten ihrer Heimat.
Für sein außergewöhnliches Engagement hat Leukel bereits zur Kirmes 2019 die Auszeichnung „Junior des Jahres“ in Leben gerufen und an Anton verliehen. Als nächstes könnte sich der Familienvater nicht nur ein Kinderparlament, sondern auch einen Kinderstadtdirektor vorstellen. Vielleicht ist das ja Antons nächstes Ziel, denn sein Berufswunsch ist klar: Bürgermeister! (PM)
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