WW-Kurier |
Ihre Internetzeitung für den Westerwaldkreis |
|
Nachricht vom 30.05.2021 |
|
Region |
Sanfte Technik und Pferde helfen Wald im Klimawandel |
|
Die Holzproduktion in unseren Waldökosystemen steht in Zeiten des Klimawandels vor neuen Herausforderungen und erfordert unbedingt die Weiterentwicklung bisheriger Forsttechnik zu einer sanften Waldtechnik mit maximalem Bodenschutz. Neben neuen Techniken erlebt auch der Pferdeeinsatz in der Waldarbeit eine Renaissance. |
|
Hachenburg. Diesem Thema widmete sich der Workshop ‚Holzrücken mit Pferden: Einsatzbereiche, Potentiale und Grenzen‘ am Forstlichen Bildungszentrum Rheinland-Pfalz in Hachenburg am 21. Mai 2021 (corona-konform). Die interdisziplinäre Besetzung mit Forstleuten, Pferderückern, Forstmaschinenunternehmern, Bürgermeistern, Naturschutzverwaltung, Privatwaldbesitzenden und Forsttechnikern machte den Workshop einzigartig und im Ergebnis besonders erfolgreich.
Bodenschutz im Klimawandel
Die Bedeutung der Bodengesundheit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Menge und Qualität der Trinkwasserversorgung hängt maßgeblich von den Waldböden ab. Die Retentionsfähigkeit der Böden tragen zum Hochwasserschutz bei. Unsere Böden speichern fünf-mal so viel Kohlenstoff wie die oberirdische Biomasse und sind damit eine sehr wichtige CO2-Senke. Die Biodiversität der Böden ist immer noch weitestgehend unerforscht, aber –so viel wissen wir- enorm hoch. In einer Hand voll Waldboden leben mehr Organismen als Menschen auf der Erde. In den 30 Zentimetern Oberboden pro Hektar des Waldbodens leben zwischen 15 und 25 Tonnen Organismen. Der Artenreichtum dieser hoch komplexen Lebensgemeinschaft sichert maßgeblich die Resilienz (Stresstoleranz) der Waldökosysteme ab. Und davon brauchen die Wälder in Zeiten des Klimawandels mehr denn je.
Forscher haben begonnen, eine Genbank der Bodenorganismen anzulegen, da man zu verstehen beginnt, dass es ein Schatz ist, der unter unseren Füßen schlummert. Pilze, die Sandkörner zu fruchtbarem Boden machen, Bodenorganismen, die in der Organtransplantation oder zum Färben von Jeans verwendet werden, Organismen für Antibiotika und Sojasaucenproduktion sind erst der Anfang.
Betriebswirtschaftlich betrachtet wissen wir, dass der Boden das langfristigste Produktionsmittel ist. Wer dauerhaft erfolgreich wirtschaften will, muss den Boden achten und darf ihn nicht verdichten, verseuchen, deformieren - denn das nehmen die Bodenlebewesen übel. Allein von den Mykorrhiza Pilzen hängt 15 Prozent der Produktivität der Waldbäume ab. Bodenschutz ist betriebswirtschaftlich höchst sinnvoll.
In Zeiten des Klimawandels nimmt die Bedeutung des Bodenschutzes exorbitant zu. Bodenschutz braucht ‚sanfte Waldtechnik‘, erfordert Wandel der Forsttechnik und Umdenken aller im Wald Tätigen.
‚Sanfte Waldtechnik‘ beginnt mit Gassenabständen von mindestens 40 Metern
Mit diesem neuen Begriff ‚sanfte Waldtechnik‘ möchte Monika Runkel, Leiterin des Forstamtes Hachenburg verdeutlichen, dass die Technik der Waldarbeit sich der Sensibilität des Waldökosystems anpassen muss. Dies beginnt mit der Reduzierung der Gassenabstände. Forsttechnik muss waldgerecht sein, nicht umgekehrt. Prozesse der Holzbereitstellung und Vermarktung müssen sich den Ansprüchen des Waldökosystems unterordnen. Dazu sind sanfte Techniken wie ‚leichte Raupentechnologie‘, Seilkrantechnik, Seilschlepper und auch die Pferdearbeit vermehrt in den Blick zu nehmen. In diesem Workshop wurden die drei Varianten Rückeschlepper mit Seil, die bodenschonende WIKI-Raupe und das Rückepferd im Vergleich gezeigt, verstanden und diskutiert. Die Einsatzmöglichkeiten des Pferdes standen diesmal im Fokus.
In der naturnahen Waldwirtschaft verzichten die Förster bereits auf Düngung, Bodenbearbeitung, flächige Bodenbefahrung und Pestizideinsatz. Bei den Abständen der Rückegassen gibt es noch große Unterschiede. Dort wo die hochmechanisierte Holzernte mit ‚Harvestern‘ (Vollerntern) möglich ist, wird sehr häufig der 20 Meter Gassenabstand gewählt. So sind alle Bäume mit dem 10 bis 12 Meter langen Greifarm der Maschine erreichbar, werden gefällt, entastet, gemessen und an der Rückegasse abgelegt. Dort werden sie dann mit einem Forwarder aufgeladen und zum Abtransport an die LKW-befahrbare Waldfahrstraße gebracht. Leistungsstark, kostengünstig, schnell und sicher ist diese gängige Methode.
Rückegassen konzentrieren die Befahrung und schonen den restlichen Waldboden. Das ist gut. Andererseits ist jede Gasse unvermeidbar verdichtet und wirkt wie eine kleine Drainage im Waldboden. Wenn der Forwarder das Holz dort auflädt, fährt er sehr schwer über die Gasse und verdichtet dort unvermeidbar. Bei 20 Metern Gassenabständen werden 20 Prozent des Waldbodens verdichtet. Bei 40 Metern Gassenabständen sind dies noch lediglich 10 Prozent, und so weiter. Ganz ohne geht es nicht, denn Holz ist schwer, ein verderbliches Gut und muss irgendwie an die Waldstraße.
Bodenschutz bedeutet damit weitere Gassenabstände. Damit ist nicht mehr alles hochmechanisiert erntbar. Die Zwischenzonen außerhalb des Harvester-Arms müssen anders geerntet und an die Gasse gebracht werden. Hierzu brauchen wir andere Technik und Arbeitsverfahren. Der dabei entstehende Mehraufwand für die ‚Rückung‘ liegt zwischen 30 und 50 Prozent, manchmal auch noch mehr. Das billigste Verfahren mit Harvester liegt dann abhängig von Holzstärke und Gelände bei circa 20 Euro pro Erntefestmeter, während die weiteren Rückegassen circa 35 Euro/ Erntefestmeter Holzerntekosten verursachen. Mehrkosten die dem Bodenschutz dienen und die egal ob mit einer Raupe oder einem Pferd entstehen. Es ist also nicht das Pferd, das mehr kostet, sondern der Bodenschutz. Der sollte und muss es uns wert sein.
Renaissance der Rückepferde
Manche Forstkollegen sprechen beim Pferdeeinsatz von ‚rückwärtsgewandter Technik‘ und listen die Grenzen auf. Andere würden am liebsten alles mit dem Pferd machen. Die Wahrheit liegt wie so oft dazwischen.
Im Workshop ging es darum, die Einsatzbereiche und Potentiale aber auch die Grenzen aufzuzeigen. Die Potentiale sind jedoch bedeutend. In einer 360 Grad- Beurteilung schneidet das Pferd extrem gut ab. Das Pferd ist in geeigneten Bedingungen wirtschaftlich sehr konkurrenzfähig mit anderen bodenschonenden Verfahren. Durch seine Wendigkeit ist es sehr schnell und sucht sich den kürzesten Weg. Es arbeitet sehr bodenpfleglich und schonend für die verbleibenden Bäume. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Rückeschäden kaum vorkommen. Falls doch, sind sie nur klein und wenig schädigend. Pferde brauchen keine fossilen Brennstoffe und haben damit einen unschlagbaren ‚carbon footprint‘. Das Arbeitsverfahren mit dem Pferd ist immissionsarm und leise. Ein Verfahren, welches sich harmonisch in den Wald einpasst. Damit trägt der Pferdeeinsatz erheblich zur Akzeptanz der Bevölkerung für die Waldbewirtschaftung bei. Zudem ist die Waldarbeit mit Pferden ergonomisch. Der Mensch wird körperlich und mental gefordert, in einer sozialen Beziehung zum Tier tätig. Tierschutz wird bei der heutigen Pferdearbeit großgeschrieben. Die Pferde arbeiten maximal halbtags, weshalb immer mindestens zwei Pferde dabei sind. ‚Holzrückung mit Pferden‘ ist darüber hinaus ein Kulturgut. Dennoch bildet kaum eine andere Technik die neuen Herausforderungen des Klimaschutzes so gut ab wie das ‚Holzrücken mit Pferden‘. Damit ist die Pferdearbeit im Wald zukunftsfähig und wird eine Renaissance erleben. Darüber waren sich die Teilnehmenden einig.
Problemlage: Wo liegen eigentlich die Hemmnisse für die Pferdearbeit?
Tatsächlich stoßen die Forstämter bei der Bekämpfung von Borkenkäferkalamitäten, wie sie seit 2018 den gesamten Westerwald heimsuchen, an die Grenzen des Pferdeeinsatzes, da sie sehr schnelle, leistungsstarke Systeme brauchen (in der Regel Harvester). Dennoch bleiben große, geeignete Einsatzbereiche und um diese geht es.
Warum wird die ökologisch und ökonomisch sinnvolle Pferdearbeit so selten umgesetzt? Auch zu dieser Frage führten die Workshopteilnehmer folgende 360 Grad-Beurteilung durch.
In der Forstwirtschaft leidet die Pferdearbeit häufig unter dem Image einer ‚veralteten Technik‘, die wenig leistungsfähig und deswegen ‚zu teuer‘ ist. Tatsächlich ist der Einsatzbereich der Pferde in den schwächeren Holzstärken (mittelstarke Pflegewälder) konzentriert. Da liegt allerdings auch der Hauptarbeitsschwerpunkt! Pferderücker sind schwer verfügbar und es benötigt immer auch Maschinen und Holzfällung für die vollständige Ausführung der Arbeit. Viele Pferderücker bieten jedoch nur diese Teilleistung ‚Rückung‘ an, was wiederum einen erheblichen, organisatorischen Mehraufwand im Bereich der Ausschreibung und Vergabe der Unternehmerleistung für Forstleute bedeutet. Vertreter des privaten Waldbesitzes - Haubergsgenossenschaften und Großprivatwald – schließen sich hier der Sichtweise der Forstleute an. Die IGZ (Interessensgemeinschaft Zugpferde) listet auf Ihrer Internetseite bundesweit Betriebe mit dem jeweiligen Angebotsportfolio und berät individuell .
Waldbesitzende Kommunen begrüßen die Pferdearbeit, allein weil es eine leise, von der Bevölkerung sehr akzeptierte Technik ist. Selten oder gar nicht, wird Pferdearbeit seitens der betreuenden Forstleute angeboten. Man wünscht sich hier mehr Beratung in diese Richtung. Speziell in ländlichen Gemeinden wird um deutlich mehr Information und Aufklärung über die Zusammenhänge in den Stadt- und Gemeinderäten gebeten.
Die Pferderücker selbst leiden unter zum Teil unangemessene Entlohung und mangelnder Auftragslage. Von punktuellen Aufträgen kann kein Unternehmen leben und darauf kann auch keine Kapazität aufgebaut werden. Immerhin braucht ein Pferd circa sechs Jahre bis es ins ‚Arbeitsleben einsteigt‘. Übung und Training des Pferdes und der Pferdeführer sind bei dieser sehr anspruchsvollen Arbeit erforderlich. Dazu braucht es möglichst dauerhafte Aufträge. Genau da liegt das Manko. (PM)
Ein Bericht mit Lösungsansätzen folgt.
|
|
Nachricht vom 30.05.2021 |
www.ww-kurier.de |
|
|
|
|
|
|