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Nachricht vom 08.12.2010
Region
"Stromlieferverträge nicht überstürzt verlängern"
Der Kampf zwischen den Energiekonzernen um die Stromlieferungs- sowie Konzessionsverträge mit den Städten und Gemeinden in der Region ist in vollem Gang. Nachdem mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz mehr Wettbewerb in den Strommarkt gebracht werden soll, hat eine Arbeitsgruppe des Kreises Altenkirchen jüngst an Städte und Gemeinden die Empfehlung gegeben, Konzessionsverträge nicht mehr mit der RWE, sondern mit Eon abzuschließen. Prompt kündigte RWE laut Pressemeldungen an, das Feld nicht kampflos zu räumen. Die RWE-Tochter KEVAG hat nun jüngst den Gemeinden im Westerwaldkreis und im Kreis Mayen-Koblenz angeboten, die zum 31. Dezember 2012 auslaufenden Stromlieferverträge vorzeitig bis Ende 2014 zu verlängern – bei einer Entscheidungsfrist von gerade mal zehn Tagen.
Westerwaldkreis. Die derzeitigen Bedingungen auf dem Strommarkt, so schrieb die KEVAG bereits am 15. November an die Verbandsgemeinde (VG) Montabaur, „erlaubt es uns, den Gemeinden eine Verlängerung der Verträge auf gleicher Preisbasis für die Jahre 2013 und 2014 anzubieten“. Der Haken an der Sache: Die Gemeinden müssten sich schnell entscheiden, denn die Beschaffungspreise, so die KEVAG, seien „volatil“, also nicht von Dauer und von kurzfristigen Marktentwicklungen abhängig.

Der Erste Beigeordnete der VG, Andree Stein, erklärte in einem Schreiben vom 16. November an die übrigen VGs im Kreis sowie an die Kreisverwaltung, dass die KEVAG die Strommenge deshalb schon jetzt kalkulieren und am Strommarkt einkaufen müsse. Gekauft werden könne aber erst dann, „wenn alle teilnehmenden Kommunen der Verlängerung des Stromlieferungsvertrages zustimmen“. Nach Steins Schreiben sollten Orts- und Verbandsbürgermeister bis zum 26. November eine Entscheidung treffen. Somit blieb den Bürgermeistern gerade mal eine gute Woche Zeit. Gemeinden, die sich nicht an die RWE-Tochter KEVAG binden wollen, können im Jahre 2012 ihre Stromversorgung europaweit ausschreiben.

Ob die KEVAG ihre Preisversprechungen tatsächlich einhalten kann, erscheint vorerst zweifelhaft. Laut VG-Beigeordnetem Stein behält sich die Koblenzer RWE-Tochter nämlich vor, „selbst im Falle unserer Zustimmung ihr Angebot nicht umzusetzen, wenn sich der derzeitige Marktpreis nicht halten lässt“. Das ist dem täglich wechselnden Marktpreis geschuldet, der auf der Leipziger Strombörse gehandelt wird. Stein schätzt allerdings, „dass im Wege einer Ausschreibung im Jahr 2012 zu erzielende Stromeinkaufspreise nicht unter den derzeitigen Vertragspreis fallen werden“.

Die VG-Verwaltung Selters reagierte nun prompt: Bürgermeister Klaus Müller teilte den Ortsbürgermeistern in der VG am 19. November kurzerhand mit, dass er tags zuvor "im Einvernehmen mit den Beigeordneten und Fraktionsvorsitzenden“ entschieden habe, dass die VG-Verwaltung Selters „aufgrund der derzeitig guten Marktsituation einer Verlängerung des Vertrages mit der KEVAG bis zum 31.12.2012 zustimmt“.

Ein Vorgehen, das längst nicht überall auf Zustimmung stößt. Die Kreisgruppe Westerwald des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) richtete an die Gemeinden, Städte und den Kreis die Bitte, „dringend, zukunftsorientierte Wege in Richtung der echten ökologischen Stromanbieter zu gehen, die ihren Strom aus erneuerbaren Energien ohne Zertifikatshandel gewinnen“. Der BUND nennt dafür beispielhaft die Firmen Mannstrom (Sitz im Westerwald), Naturstrom, Lichtblick, das Angebot der Umweltorganisation Greenpeace (Greenpeace Energy) sowie den kommunalen Energieversorger der Gemeinde Schönau.

Nach Auffassung des BUND sollten auch die anstehenden neuen Konzessionsverträge als Chance für eine Energiewende genutzt werden.„Die Vergabe der Konzession für die Strom- und Gasnetze ist für die kommunalen Einflussmöglichkeiten auf die lokale und regionale Energieversorgung eine wichtige Richtungsentscheidung“, so die BUND-Kreisgruppe.

Oliver Götsch, Bürgermeister der Gemeinde Quirnbach, bezeichnete das Vorgehen der Verbandsgemeinde Selters als überstürzt. „Ich kann nicht nachvollziehen, wieso eine so wichtige Entscheidung innerhalb von einer Woche übers Knie gebrochen werden soll“. Harry Neumann, stellvertretender Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe und zugleich Mitglied im Quirnbacher Rat, signalisierte bereits, er werde einer solchen Entscheidung im Rat nicht zustimmen.

Neumann spricht von einem Versuch des Atomkonzerns RWE, das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu blockieren, indem vorzeitig vollendete Tatsachen geschaffen würden. Stattdessen sollten die Kommunen im Kreis auf Stromlieferungen aus umweltfreundlichen Energiequellen setzen. „Damit eine zukunftsfähige Energieversorgung klimafreundlich, bezahlbar und sicher ist, ist der Umbau auf dezentrale Lösungen und die Nutzung der Erneuerbaren Energien dringend notwendig. Je weniger Einfluss die großen Atom- und Kohlekonzerne haben, desto mehr Einfluss gewinnen Städte, Gemeinden und Kreise vor Ort. Und umso mehr können wir unser Klima und die Natur schützen.“

Laut Neumann hat eine Mehrheit der vertragsbeteiligten Kommunen in der VG Selters einer Verlängerung des Stromlieferungsvertrages mit der KEVAG nicht zugestimmt. Auch die Stadt und VG Hachenburg sowie die VG Bad Marienberg haben demnach eine vorzeitige Verlängerung abgelehnt. (art)
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