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Nachricht vom 26.07.2021
Kultur
Open-Air-Sommer in Altenkirchen: Veranstalter reagiert auf Kritik am Standort Glockenspitze
Seit einiger Zeit begeistern die Veranstaltungen des Open-Air-Sommers auf der Glockenspitze die Besucher in Altenkirchen. Die Stadträtin Gabriele Sauer hatte sich jüngst in einem Leserbrief an die Rhein-Zeitung gegen den Standort ausgesprochen. Wie positioniert sich der Geschäftsführer des Kultur-/Jugendburös, Hellmut Nöllgen?
Hellmut Nöllgen. (Fotos: Archiv/Wolfgang Rabsch)Altenkirchen. Die Stadträtin Gabriele Sauer hatte in einem Leserbrief an die Rhein-Zeitung kritisiert, dass der Open-Air-Sommer auf der Glockenspitze stattfindet. Gymnastikgruppen seien von der Wiese dafür „verbannt und einige Parkplätze“ gesperrt worden. Aus Sicht von Sauer hätte sich der Festplatz der Stadt besser angeboten für die Durchführung der Events. Hier würden auch die Karnevalisten und Schützen ihre Feste veranstalten. Zudem sei die Erreichbarkeit für ältere Bürger fußläufig gut zu erreichen. Dieser – windstillere – Standort hätte sich ebenfalls für das „schöne“ Zelt geeignet. Die Stadträtin abschließend: „So aber macht man die Stadt nicht bekannter und lädt keine Gäste in die Stadt ein. Ich denke, dass der Stadtbürgermeister für diese Veranstaltung auch sein Einverständnis gegeben hätte.“

Wie reagiert nun der Veranstalter? Der Geschäftsführer des Kultur-/Jugendburös, Hellmut Nöllgen, bat den AK-Kurier um Veröffentlichung seines Statements, welches er im Nachgang zu einem Leserbrief einer Stadträtin aus Altenkirchen verfasst hat. (Wolfgang Rabsch/ddp)

Hier ist der Text im Wortlaut:
„Die ersten vier Wochen mit Liveveranstaltungen waren nach so langer ‚Pause‘ wunderbar und anstrengend zugleich. Beim Spiegelzelt als Großveranstaltung verfügen wir über Erfahrungswerte in allen Bereichen, bei einem Open Air Sommer zu unserem 35-jährigen Jubiläum unter all den Bedingungen wie Corona, Wetter etc. sind viele Dinge neu und müssen sich erst einmal einspielen.

Fast alle Künstler haben durch die Pandemie bedingt eineinhalb Jahre keine Auftritte gehabt und zeigen eine große Spielfreude und auch Dankbarkeit, bei einem solch ambitionierten Festival in einer kleinen Stadt auftreten zu können. So hatten wir schon 10 sehr unterschiedliche Kulturabende mit Publikum aus allen Teilen der Republik. Und alle waren sich da durchaus einig; tolles abwechslungsreiches Programm, beste Organisation, klasse Standort und ein Hochgenuss beim Anblick des Gesamtensembles des Geländes.
Und an dem Punkt kommt der erste Wehmutstropfen. Der Leserbrief von Frau Sauer irritiert mich da doch heftig. Wäre es ein „normaler Leserbrief“ könnte ich damit anders umgehen, da er aber als Stadtratsmitglied unterschrieben ist, stellen sich mir eine Fülle von Fragen, zumal mit mir seitens der Stadt bis heute nie persönlich darüber und über andere Dinge gesprochen wurde. Ich erfahre vieles nur aus der Zeitung.

Richtig ist, dass es sich bei der Wiese Glockenspitze um ein Grundstück der Verbandsgemeinde handelt und alle Absprachen im Vorfeld mit dieser auch getroffen wurde, inclusive eines Sicherheitskonzeptes, das mit VG und Kreisordnungsamt detailliert in mehreren Ortsterminen umgesetzt wurde, wie man auch an Absperrungen, „Terrorblöcken“ Parksystem usw. unschwer erkennen kann. Dass es bei solch einem Großprojekt zu Veränderungen gewohnter Abläufe auf der Glockenspitze kommen würde, war klar, bewegen sich aber in einem kleinen, überschaubaren Rahmen und wurde seitens des Ordnungsamtes z.B. mit einem Fußmarsch von 50m mehr als durchaus zumutbar für Sportler und Nutzer der Großsporthalle eingestuft.

Die Wahl des Geländes erweist sich als ideal. Mit Büschen und Bäumen natürlich eingefasstes Areal, angenehmer Wiesenuntergrund, kein schwer begehbarer Schotterplatz usw. Das Gesamtensemble mit Open Air Bühne und dem „Ausweichort“ Viermasterzelt ist geradezu perfekt und unter diesen Wetterbedingen bisher bis auf zwei Ausnahmen ständig genutzt. Auf dem Festplatz wären wir und das Publikum bei den Regengüssen weggeschwommen, zumal wir da über reichlich Erfahrung durch unser Zeltfestival in der Vergangenheit verfügen. Dass das Publikum bei einem Open Air natürlich lieber auf einer grünen Wiese sitzt, als auf einem groben Schotter müsste jedem klar sein.

Ich habe vor einer Entscheidung zum Standort viele Abende bis ins Dunkle hinein am Rande des Festplatzes gesessen um zu schauen, wer und wie oft wird das Gelände Weyerdamm um den Bouleplatz genutzt, welches „Klientel“ bewegt sich in der Dämmerung dort usw. und bin dann sehr schnell zu dem Schluss gekommen, dass für ein Wochenende in einem Festzelt mit Boden das Gelände gut ist, aber nicht für ein Open Air Sommer über einen längeren Zeitraum nur bedingt. Auch seitens der Polizei Altenkirchen, die bei allen Ortsterminen zugegen war, wurde mir die Wahl des Standortes im Vergleich zum Festplatz als deutlich entspannter bestätigt.

Unrichtig ist leider auch die Behauptung von Frau Sauer, es würden Gymnastikgruppen von der Wiese verbannt. Richtig ist, dass es von Beginn an Absprachen u.a. auch mit der Volkshochschule gab, dass alle Gruppen die Wiese an allen spielfreien Tagen nach wie vor nutzen können - und diese verfügen auch über Schlüssel für die Bauzaunabsperrungen. Von Zumba bis Cheerleader wird die Wiese nach wie vor genutzt, wenn es nicht gerade schüttet.
Der dreimonatige Festivalsommer wird von allen bisherigen Künstlern und Zuschauern, von den vielen Sponsoren und Kollegen als ein in Corona-Zeiten mutiges und vorbildliches Projekt gesehen. Ein Tonmeister aus einer Großstadt wie Dortmund als Gast beim Udo Jürgens Abend kann sich nicht erinnern, in Dortmund oder im Ruhrgebiet ein solch abwechslungsreiches Programm von Kabarett über Alpenländermusik bis hin zu Comedy und Themenabenden wie Iran etc. zu kennen.

Eine von vielen Bestätigungen, dass solche eine Kulturarbeit und entsprechender Angebote im ländlichen Raum nicht zu erwarten ist. Ebenso reagierte Baumarktbesitzer und IHK „Lotse“ Hans Peter Röhrig aus Treis-Karden an der Mosel bei einem Besuch auf dem Festivalgelände zum Tangoabend und zeigte sich mehr als überrascht ob solcher Vielfalt.

In dieser Gesamtdiskrepanz zwischen kulturellem Alltag und Realität von Kulturschaffenden im ländlichen Raum als Dienstleister am Publikum sowie Denken, Wünschen, und Erwartungen von Verwaltung als Dienstleister für die Bevölkerung erscheint es mit diesem Leserbrief einer Stadträtin und auch anderen Erfahrungswerten der letzten Jahre insgesamt mir inzwischen als eine legitime Fragestellung , ob der Standort Altenkirchen für unsere vielfältige Kulturarbeit in Zukunft noch der richtige ist.“

Helmut Nöllgen
Geschäftsführer Kultur/Jugendkulturbüro Haus Felsenkeller e. V
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