WW-Kurier
Ihre Internetzeitung für den Westerwaldkreis
Pressemitteilung vom 04.10.2021
Region
Welthospiztag steht unter dem Motto "Leben! Bis zum Schluss."
Auch in diesem Jahr findet wieder der Welthospiztag am Samstag, 9. Oktober, statt. Der Tag soll die Aufmerksamkeit für hospizliche und palliative Belange auf internationaler Ebene erhöhen und findet jährlich am zweiten Samstag im Oktober statt.
Symbolfoto (Foto: Clemens von Dressler)Hadamar. In Hadamar steht das Hospiz ANAVENA für eine individuelle und selbstbestimmte Sterbebegleitung. Christiane Stahl, Leiterin des Hospizes „ANAVENA“, beantwortet anlässlich des Welthospiztages einige Fragen zu diesem besonderen Tag, der Arbeit im Hospiz und persönlichen Erfahrungen.


Der Welthospiztag am 9. Oktober steht unter dem Motto „Leben! Bis zum Schluss.“
Was genau bedeuten diese Worte in Ihrem Arbeitsalltag mit Menschen in ihrer letzten Lebensphase?

Christiane Stahl: „Ich denke, dass dieses Motto genau das widerspiegelt, um was es bei unserer täglichen Arbeit im Hospiz geht. Für uns bedeutet Sterben, Leben bis zum letzten Augenblick. In unserer Gesellschaft sprechen wir in der Regel entweder vom Leben oder vom Sterben. Damit separieren wir das Sterben aus dem Leben. Persönlich bin ich der Meinung, es müsste Lebens- und nicht Sterbebegleitung heißen; denn genau das tun wir. Wir konzentrieren uns auf das Leben, die letzte Lebensphase der uns anvertrauten Menschen, auf den Augenblick, was ist möglich, was ist jetzt wichtig, was tut jetzt gut. Wir lindern Symptome um eine gute Lebensqualität zu erhalten. Wichtig ist es uns hierbei, den Menschen nicht auf seine Krankheit zu reduzieren, sondern ihn in seiner Gesamtheit wahrzunehmen – mit allem was ihn ausmacht. Da unseren Hospizbewohner in der Regel bewusst ist, dass sie ihr irdisches Leben bald hinter sich lassen müssen, sind die einzelnen Tage für sie und ihre Angehörigen oft sehr kostbar, Momente des Glücks, die genossen werden. Ein gutes Beispiel dafür, wie sehr diese Phase mit Leben erfüllt ist, ist die Beziehungsqualität, die viele Familien in dieser Zeit noch miteinander erleben, die von einer tiefen Verbundenheit geprägt ist.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass der Alltag im Hospiz von vielen unterschiedlichen Emotionen geprägt ist. Krankheit, Trauer stehen neben Freude und Lachen – intensives Leben halt.“


Welche Bedeutung hat das Hospiz Anavena für Menschen am Lebensende und ihre Angehörigen aus der Region Limburg-Weilburg?
Christiane Stahl: „Eine immer größere, würde ich sagen. Unser Hospiz hat die ersten Bewohner im Dezember 2014 aufgenommen. Seitdem haben wir jährlich zwischen 126 und 156 Menschen begleitet. Ich möchte nicht vermessen klingen, doch ich glaube, dass die Region sich glücklich schätzen kann, ein Hospiz zu haben. Wir, die wir im Hospiz arbeiten, bekommen oft gesagt, wie sehr unsere Arbeit geschätzt wird, welche hohe Wertigkeit sie habe. Viele Menschen in der Region unterstützen uns, wir sind in den letzten Jahren bekannter geworden. Ich würde mir wünschen, dass immer mehr Menschen in der Region verstehen, was für ein besonderer Ort ein Hospiz ist, über welche Möglichkeiten es verfügt, den betroffenen schwerstkranken Menschen ihre letzte Lebensphase mit Fürsorge und menschlicher Nähe möglichst symptomfrei, würdevoll zu gestalten.“

Welche Sterbebegleitung ist Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben?
Christiane Stahl: „Da fallen mir einige ein – viele menschliche Begegnungen. Doch um noch einmal auf die Möglichkeiten, über die ein Hospiz verfügt, zurückzukommen, möchte ich von einem Herrn berichten, der im Vorfeld von dem einweisenden Krankenhaus als sehr unruhig beschrieben wurde, und aufgrund dessen dort am Bett fixiert wurde. Als er im Hospiz angekommen war, haben wir sehr schnell gemerkt, dass er im Bett sehr unruhig wurde und Angst vor dem Alleinsein zu haben schien. So haben wir ihn in einen Relaxsessel gesetzt, der auch liegend gestellt werden konnte und ihn mit in den Aufenthaltsraum, das Schwesternzimmer und so weiter genommen. Dadurch wurde er schon sichtlich ruhiger. Im Gespräch mit seinem Sohn kam heraus, dass er sich Zeit seines Lebens am liebsten im Freien aufhielt und so etwas wie ein Hobbyschäfer war. Wir sprachen mit einer Bekannten des Mannes, diese besorgte ein Behältnis vom Tierarzt und kam mit Heidi, dem Schaf zu Besuch. Als der betreffende Herr das Schaf berührte, den Geruch wahrnahm, wurde er sehr ruhig und entspannte sich sichtlich. Die Atmung wurde gleichmäßig, der Besuch tat ihm augenscheinlich gut. Bevor Heidi ging, baten wir um etwas Wolle von ihr. Ein Teil davon legten wir in seine Hand, den Rest in Reichweite. Wenige Tage darauf verstarb er friedlich und entspannt. Diese Begegnung ist mir so gut in Erinnerung geblieben, da sie zeigt, was erreicht werden kann, wenn mehrere Menschen sich zusammentun und wie wenig es doch manchmal bedarf, einem Menschen etwas Gutes zu tun, wie wichtig es ist, den Menschen als Ganzes wahrzunehmen.“

Wofür benötigt das stationäre Hospiz Anavena finanzielle Unterstützung in Form von Spenden?
Christiane Stahl: „Zuerst sei an dieser Stelle gesagt, dass ein Hospizplatz zu 95 Prozent von den Kranken- und Pflegekassen getragen wird und wir die letzten 5 Prozent über Spenden erwirtschaften müssen. Dies sind pro Bett 24,80 Euro am Tag, dies allein sind knapp 109.000 Euro im Jahr. Diese Summe wird benötigt, um allein den laufenden Betrieb zu gewährleisten.
Hinzu kommen noch die Tage, an denen Betten nicht belegt sind, wenn etwa ein Bewohner verstorben ist und Angehörigen die Möglichkeit einer Verabschiedung über den Sterbetag hinaus gegeben wird. Ein nicht belegtes Bett bedeutet für das Hospiz 495,95 Euro täglich, die zusätzlich finanziert werden müssen. Für uns bedeutet Hospizarbeit jedoch in Ruhe ankommen, verweilen und gehen können. Deshalb ist es uns wichtig, den Angehörigen diese Zeit zu lassen.
Neben den laufenden Kosten benötigen wir Spenden für Aromapflege, Homöopathie, Musiktherapie, Kunsttherapie und vieles mehr. Doch besonders die Trauerbegleitung liegt mir zurzeit sehr am Herzen, denn auch diese wird nicht von der Kasse refinanziert. Doch ist der Bedarf hierfür sehr hoch. Gerne würden wir hier mehr für unsere Bewohner und deren Angehörige tun, ein breiteres und mehrschichtigeres Angebot anbieten.“


Der Welthospiztag wird von der Worldwide Hospice and Palliative Care Alliance (WHPCA) als Netzwerk von nationalen Hospiz- und Palliative Care Organisationen und weiteren Partnern veranstaltet und durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt. (PM)
Pressemitteilung vom 04.10.2021 www.ww-kurier.de