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Nachricht vom 22.02.2011 |
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Region |
Den Landtagskandidatinnen "auf den Zahn gefühlt" |
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„Beide Damen haben hier eine gute Figur gemacht“, schmeichelte der ehemalige Bürgermeister der Verbandsgemeinde Ransbach-Baumbach, Gottfried Dahm (CDU) den Landtagskandidatinnen der beiden großen Parteien für den Wahlkreis 6 (südlicher Westerwald), Gabriele Wieland (CDU) und Dr. Tanja Machalet (SPD). Beide standen im Mittelpunkt der von den Wirtschaftsjunioren Westerwald und Rhein-Lahn organisierten Podiumsveranstaltung in Montabaur, zu der Markus Buhr, Kreissprecher der Wirtschaftsjunioren, knapp 80 Zuhörer begrüßte. |
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Montabaur. Weniger schmeichelhaft war kurz vor Beginn der Veranstaltung allerdings das handgreifliche Vorgehen zweier „Security“-Leute gegen den stellvertretenden BUND-Kreisvorsitzenden Harry Neumann im Foyer der Stadthalle „Haus Mons Tabor“, von dem die zwei Kandidatinnen allerdings nichts mitbekamen. Nach einer vom BUND vorbereiteten Mahnwache zum Thema „Atompolitik“ vor dem Eingang des Gebäudes wollte Neumann neben einer Reihe weiterer Vertreter von Umweltverbänden die Podiumsveranstaltung besuchen, wurde allerdings massiv daran gehindert.
Begründet wurde das rüde Vorgehen der Sicherheitskräfte damit, dass das BUND-Vorstandsmitglied eine etwa DIN-A 3-große Fahne mit dem bekannten Anti-Atomkraft-Emblem nicht mit in den Versammlungsraum nehmen dürfe, obwohl er sie nach einem entsprechenden Hinweis zusammengefaltet und in die Tasche gesteckt hatte. Als die Security-Leute den BUND-Sprecher schließlich mit massivem Körpereinsatz vom Eingang zum Veranstaltungsraum abdrängten, erlitt seine Ehefrau Gabriele einen Schwächeanfall. Neumanns Begleiter informierten daraufhin die Polizei, die den Vorfall vor Ort festhielt. Schließlich konnte Neumann den Saal nach Beginn der Veranstaltung doch noch betreten.
Bildung, demographischer Wandel, kommunaler Finanzausgleich, regionale Wirtschaft und Arbeit – es waren die üblichen, von den Medien vorzugsweise transportierten politischen Querschnittsthemen, die bei der Befragung der Landtagskandidatinnen von CDU und SPD für den Wahlkreis 6 (südlicher Westerwald) im Vordergrund standen. Die Fragen stellte Björn Barz vom regionalen Fernsehsender WW TV / TV Mittelrhein.
In Sachen Bildung machte CDU-Kandidatin Wieland gleich Front gegen jede Form von „Einheitsschule“ und sprach von einem bewährten dreigliedrigen Schulsystem im Land. Niemand rede von Einheitsschule, konterte ihre SPD-Konkurrentin Dr. Machalet. Auch sie sah die rheinland-pfälzische Bildungszukunft in einem „gut gegliederten Schulsystem“ sicher aufgehoben. Einig waren sich beide darin, dass das Modell „Ganztagsschule“ ausgebaut werden soll. Während Wieland jedoch vor dem Charakter einer „Verwahranstalt“ warnte und einen deutlichen Schwerpunkt auch für nachmittäglichen Unterricht einforderte, sprach sich Machalet klar dafür aus, den Schulen zu überlassen, wie sie ihr Ganztagsschulangebot gestalten und organisieren.
Bei der Stärkung der Regionen im zu erwartenden Wettbewerb um junge Familien waren sich die Kandidatinnen einig, dass die Infrastruktur funktionsfähig erhalten und zum Teil ausgebaut werden müsse. Wieland nannte neben steuerlichen Erleichterungen zur Förderung der Wirtschafts- und Kaufkraft vor allem den Ausbau schneller Internetzugänge durch mehr Breitbandversorgung, Machalet wies darauf hin, dass der Westerwald mit einer Breitbandabdeckung von deutlich über 90 Prozent schon recht gut ausgestattet sei. Für Bereiche, in denen dies nicht möglich sei, müsse nach anderen technischen Lösungen gesucht werden. Machalet sieht dabei durchaus „politische Gestaltungsmöglichkeiten“. Wielands Vorschläge zur Stärkung der Region ergänzte sie mit Hinweisen auf ein ausreichendes Angebot an Bildungseinrichtungen oder – mit Blick auf die Unternehmen in der Region – die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Die CDU-Vertreterin forderte ganz entschieden, den Kommunen wieder mehr Freiraum für eigenständige Entscheidungen zu geben und „die Menschen vor Ort in Ruhe arbeiten zu lassen“. Einig waren sich beide darin, Kreise, Städte und Gemeinden finanziell besser auszustatten, stritten aber über den Weg dorthin: Die CDU-Kandidatin nannte kommunalen Kassensturz, Haushaltsanalyse und die Formulierung klarer Einsparungsziele als ihr haushaltspolitisches Credo. So gebe es in Rheinland-Pfalz mehr Beamte als in anderen Bundesländern und auch mehr Prestigeobjekte. Ihre SPD-Konkurrentin hingegen will durchaus auch jetzt schon klären, „welche Möglichkeiten wir auf der Einnahmeseite der Kommunen noch nutzen können“.
Kaum Gegensätzliches gab es beim Thema „Demographischer Wandel“: Beide wollen den ländlichen Raum für junge wie für ältere Menschen interessant und lebenswert machen. Neben der schon angesprochenen attraktiven Infrastruktur als Lockmittel für Junge sahen beide in einer sicheren Versorgung der immer größer werdenden Gruppe von Senioren sowohl im medizinischen und pflegerischen Bereich als auch im Bereich der Güter des alltäglichen Bedarfs eine wichtige Herausforderung für die Zukunft. Nicht zuletzt spielt nach Auffassung beider Parteivertreterinnen die Bedeutung ehrenamtlichen Engagements in diesem Bereich sowie dessen Förderung eine wichtige Rolle.
Damit Politik wieder glaubwürdiger wird, will Gabriele Wieland sie „handwerklich besser“, Dr. Tanja Machalet sie transparenter machen und „die Bürger stärker in Entscheidungsprozesse einbeziehen“. Die Möglichkeit, den Kandidatinnen „auf den Zahn zu fühlen“, nutzten die Zuhörer denn auch reichlich. Die Themen reichten von einem sehr engagiert vorgetragenen Plädoyer für die Erhaltung von Trödelmärkten an Sonntagen (einer Forderung, mit der sich die Kandidatin der Christdemokraten etwas schwerer tat als ihre SPD-Konkurrentin) – über eine sinnvolle Förderung öffentlicher Projekte, eine Begrenzung der Leiharbeit bis hin zur Energiepolitik und der Rolle des Bundesrates bei der Entscheidung der schwarz-gelben Bundesregierung über verlängerte Laufzeiten für Atomkraftwerke – letzteres vorgetragen vom stellvertretenden BUND-Kreisvorsitzenden Neumann. Der wurde für seine Darstellung der Ereignisse im Foyer der Stadthalle ebenso wie für seine kritischen Fragen an das Podium besonders von den CDU-Anhängern mit Zwischenrufen unterbrochen und ausgebuht.
Deren Kandidatin wiederum gab durchaus zu, dass die Probleme der Nutzung von Atomkraft ernstzunehmen seien. Sie verteidigte allerdings die Entscheidung der Bundesregierung, die Atomkraft solange als Brückentechnologie zu nutzen, bis die Erneuerbaren Energiequellen in ausreichendem Maß zur Verfügung stünden, als vernünftig und zielgerichtet. Gleichzeitig verwies sie auf die Entscheidungen anderer europäischer Länder, weitere Atomkraftwerke zu bauen.
Dr. Machalet hingegen kritisierte, dass der ehedem von Rot-Grün in harten Verhandlungen mit der Energiewirtschaft errungene Kompromiss für einen Ausstieg aus der Atomkraft „ohne jede Not und nur auf Druck der Atomlobby aufgebrochen wurde“. Wielands Hinweis auf die Beschlüsse anderer Länder bewertete sie als Politik nach dem „Sankt-Florians-Prinzip“ und forderte, stattdessen „voranzugehen und klar zu sagen: Wir wollen diese Technologie nicht. Wir müssen andere Wege gehen“. (art) |
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