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Nachricht vom 17.08.2022
Kultur
Vergnüglicher literarischer Abend im Café mit dem Trio Poesie in Unkel
Das „Trio Poesie“, bestehend aus Thomas Wunder, Stefan Henn und Heribert Blume interpretierten auf zauberhafte Weise das opulente Buch „Gestern Abend im Café. Kafkas versunkene Welt der Prager Kaffeehäuser und Nachtlokale“. Der gemütliche Hofgarten der Villa Weingärtner in Unkel-Scheuren bot dafür das passende Ambiente.
Von links: Thomas Wunder, Solveig Ariane Prusko, Stefan Henn und Heribert Blume. Fotos: Helmi Tischler-Venter Unkel. Solveig Ariane Prusko, Programmleiterin der Westerwälder Literaturtage machte die Erfahrung, dass Lesungen eher angenommen werden, wenn sie mit einem Zusatzgenuss in Form von Musik oder Kulinarik verbunden sind. Am Mittwochabend wurden gleich alle drei Genüsse angeboten. Das wurde von dem Publikum der ausverkauften Veranstaltung goutiert.

Das Künstler-Trio sah sich in der Vorbereitung mit einer schwierigen Aufgabe konfrontiert, denn Prusko hatte „etwas Beschwingtes, Heiteres“ erbeten. Eigenschaften, die man nicht sofort mit Kafka verbindet, wenn man sich an seine Schullektüre erinnert. Doch wenn man die Kreise um Kafka auf seine Künstlerfreunde vergrößert, lässt sich die thematische Aufgabe umwandeln von ernst zu beschwingt und in einem kleinen Caféhaus-Konzert die Literatur des europäischen Nachbarn näherbringen. Die Prager bohèmiene Caféhaus-Atmosphäre um 1900 mit Lachen, Scherzen, Melancholie, Trauer und der Möglichkeit, die Seele baumeln zu lassen, erlebte durch den einfühlsamen Vortrag des Trios Poesie eine Renaissance.

Die versunkene Welt des alten Prag wurde durch das wunderbare Ambiente der Gastgeber Daniela und Tom Weingärtner ersetzt. Rezitator und Sänger Thomas Wunder sang zwischen den Textvorträgen jeweils eine Strophe „In einer kleinen Konditorei“.

Bei seiner Recherche fand Wunder heraus, dass Franz Kafka tatsächlich einen trockenen Humor besaß, wie sein Schriftsteller-Freund Max Brod in Anekdoten erzählte. Die Schriftsteller suchten die Caféhäuser gern zweimal am Tag auf oder betrachteten sie als ihr Zuhause. Else Lasker-Schüler, Egon Erwin Kisch, Max Werfel, Jaroslav Hašek und Hans Reimann gehörten neben Franz Kafka und Max Brod zu dem literarischen Kreis. Anekdoten über die Schriftsteller und Gedichtzitate brachten die Kreativen mit ihrem „lästigen Überfluss an Zeit“ den Zuhörern nahe.

Franz Werfel brachte in Gedichten seinen Zorn auf die Nazis zum Ausdruck. Und Karl Kraus, der seiner böhmischen Heimat tief verbunden war, schrieb am Kriegsende: „Nun weiß ich’s doch: Es ist Frühling“. Werfel konnte auch anders: Ironisch las Wunder das überaus sarkastische Gedicht „Konzert einer Klavierlehrerin“, das zum Schmunzeln anregte. Freche Gedichte und bissige Bänkellieder schrieb ein paar Jahre früher auch Paul Leppin, der tagsüber als Postbeamter seinen Unterhalt verdiente. Die Kurzgeschichte „Schwejk zieht gegen Italien“ des nach eigener Einschätzung „größten tschechischen Schriftstellers" Jaroslav Hašek erregte ebenso zustimmendes Schmunzeln.

Auch der 1875 in Prag geborene Lyriker Rainer Maria Rilke wurde zur gefühlvollen Gitarrenbegleitung der kongenialen Gitarristen Stefan Henn und Heribert Blume zitiert: „Du musst das Leben nicht verstehen“. Und „Ich finde dich in allen diesen Dingen.“

„Ich mache mich für euch jetzt zum Affen“, kündigte Thomas Wunder das Lied „Café Oriental“ an und animierte zum Mitsingen. Markante Zitate von Außenminister Charles-Maurice de Talleyrand, Oscar Wilde und Peter Altenberg zum Kaffee sowie Adolf Friedländers Abgesang auf die Caféhaus-Kultur mit der „Sitzkassiererin“ erheiterten die Zuhörer.

Prag-Besucher Hugo von Hoffmannsthal, der sich mit den Intellektuellen traf und mit Richard Strauss und Max Reinhardt „Jedermann“ aufführte, schrieb 1896 das Liebesgedicht „Sie trug den Becher in der Hand“. Die gefühlvolle Gitarrenbegleitung lud zum Träumen ein.

Erich Kästner war ein weiterer Prag-Reisender, der sich gern mit seinen Künstlerfreunden traf und eigentlich ein Experte für Melancholie und Traurigkeit war: „Man kann mitunter scheußlich einsam sein!“ und „Als sie sich schon acht Jahre lang kannten…“.

Kurt Tucholsky, der im Café für das Prager Tagebuch schrieb, verfasste 1931 einen bösen Text über den Filmbetrieb, den Wunder schön süffisant vortrug. Zum Abschluss rezitierte er noch einmal Erich Kästner: „Christian Leberecht Schnabel erfand die einzinkige Gabel“. Das Abschlusslied wurde mit dem Publikum gemeinsam gesungen: „Im Café Oriental!“. htv
   
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