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Nachricht vom 19.10.2022
Region
Zwei Jahre und neun Monate "Knast" für 20-jährigen Betreiber einer Hanfplantage
"Außer Spesen nichts gewesen" - so kann man das Handeln eines 20-Jährigen aus der Verbandsgemeinde Hamm beschreiben, der mit dem Anbau und Verkauf von Drogen den schnellen Euro machen wollte.
Fotograf: Wolfgang RabschPracht/Koblenz. Durch einen dummen Zufall und einen energischen Vater kam das Vorhaben des 20-Jährigen ans Tageslicht und Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten, sodass es zu folgendem Anklagevorwurf kam:

Der 20-jährige Sohn als Hauptangeklagter, die 45-jährige Mutter, sowie deren 41-jähriger Ehemann, mit dem sie in zweiter Ehe verheiratet ist, sollen laut Anklage der Staatsanwaltschaft Koblenz bandenmäßig und gemeinschaftlich, durch die Errichtung einer Cannabisplantage gewerbsmäßig Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge betrieben haben, obwohl dazu keine amtliche Genehmigung vorgelegen hat. Zudem wurde der 20-jährige Sohn wegen Verstößen gegen das Waffengesetz angeklagt. Zum Zeitpunkt der Anklageerhebung war der angeklagte Sohn 19 Jahre alt. Der AK-Kurier berichtete.

Mutter und Stiefvater wollten von allem nichts gewusst haben
Im Laufe der bisherigen Hauptverhandlungen zeigte sich der angeklagte Sohn größtenteils geständig, während seine leibliche Mutter und sein Stiefvater bestritten, aktiv am Aufbau der Hanfplantage mitgewirkt zu haben und diese von dem Sohn ohne ihr Wissen betrieben wurde. In der umfangreichen Beweisaufnahme vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts Koblenz, unter dem Vorsitz von Richter Andreas Groß, wurden etliche Zeugen gehört. Doch diese brachten auch keinen großen Erkenntnisgewinn, da sie, wie in dieser Szene häufig vorhanden, über große Erinnerungslücken verfügten oder es mit der Wahrheit nicht so genau nahmen. Mutter und Stiefvater wollten außerdem nichts davon mitbekommen haben, dass der Sohn in dem baufälligen Haus eine Hanfplantage aufgebaut hatte. Obwohl der Sohn das Zimmer im Dachgeschoss mit einem Vorhängeschloss absicherte, fragten sie nicht nach, was sich dahinter verbergen könnte. Sie vertrauten ihm, es würde schon nichts Unrechtes sein und es wäre seine Privatsphäre. Auch das dicke Starkstromkabel, welches der Angeklagte zum Stromzähler gelegt hatte, um die Hanfplantage zu betreiben, erzeugte keine Nachfragen. Der Stiefvater wollte ohnehin nur seine Ruhe haben.

Durch einen Zufall wurde das Verfahren in Gang gesetzt, als ein Mann einen Rückbrief von der Post erhielt, den seine Stieftochter unzureichend frankiert abgesandt hatte. Er schöpfte Verdacht, dass sich in dem Briefumschlag Marihuana befinden könnte, da er entsprechenden Geruch wahrnehmen konnte. Als er seine Stieftochter deshalb zur Rede stellte, kam es zu einem handfesten Streit. Darum entschloss sich der Mann, die Polizei in Altenkirchen zu informieren. Die Polizei reagierte relativ zeitnah und führte eine Hausdurchsuchung durch.

Der Sohn hatte wohl Wind von der geplanten Hausdurchsuchung bekommen und versuchte, noch rasch mithilfe seiner Eltern die Plantage zu beseitigen. Doch zu spät; im Kofferraum eines in der Garage abgestellten Autos wurden in Müllsäcken die eilig herausgerissenen Hanfpflanzen entdeckt. Zudem wurden bei der Hausdurchsuchung verschiedene Waffen gefunden, wie beispielsweise Bundeswehrübungsmunition und verschiedene Messer.

Die von dem jungen Angeklagten aufgestellte Behauptung, er hätte die Plantage eingerichtet, um seinen Eigenkonsum zu decken, nahm ihm das Gericht nicht ab. Dafür sei die Menge der Pflanzen einfach zu groß gewesen. Auch die Chatverläufe auf dem Handy des Angeklagten bewiesen eindeutig, dass er beabsichtigte, mit den Drogen zu handeln.

Am letzten Verhandlungstag wurden noch einige Urkunden verlesen, unter anderem auch der Bundeszentralregisterauszug (BZR), der jedoch für die Angeklagten keine Eintragungen aufwies. Nachdem der Vorsitzende festgestellt hatte, dass keine Gespräche zur Herbeiführung einer tatsächlichen Verständigung (sogenannter Deal) stattgefunden haben, konnte die Beweisaufnahme geschlossen werden.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte, gegen den Hauptangeklagten eine Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten auszusprechen und Haftfortdauer anzuordnen. Sie begründete den Antrag mit dem nur mäßigen Teilgeständnis. Zudem würde kein minderschwerer Fall vorliegen, weil die gute Qualität der Pflanzen das 15-fache der nicht geringen Menge sei. Es kam zur Anwendung von Jugendstrafrecht, weil Reifeverzögerungen in Verbindung mit schädlichen Neigungen und krimineller Energievorliegen würden. Bezüglich der Angeklagten beantragte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung und eine Geldauflage von 2.000 Euro wegen aktiver Beihilfe in minderschwerem Fall. Der Angeklagte soll zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten zur Bewährung verurteilt werden, mit einer Geldauflage von ebenfalls 2.000 Euro. Auch bei ihm würde eine aktive Beihilfe vorliegen, in nicht bandenmäßigem minderschwerem Fall.

Die Verteidigerin des Hauptangeklagten beantragte eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, da kein bandenmäßiges Handeln vorliegen würde und Außervollzugsetzung des Haftbefehls. Die Verteidiger des angeklagten Ehepaars beantragten jeweils Freispruch, die Kosten des Verfahrens der Staatskasse aufzuerlegen und über eine Strafentschädigung auszusprechen.

In seinem letzten Wort beteuerte der Hauptangeklagte, dass er sich für die Taten entschuldigt und diese zutiefst bereue. Im Knast habe er Zeit gehabt, über alles nachzudenken. Er möchte nunmehr ein normales Leben führen, wozu auch eine Ausbildung gehöre. Mutter und Stiefvater des Angeklagten schlossen sich den Ausführungen ihrer Verteidiger an.

Urteil im Namen des Volkes
Der 20-jährige Hauptangeklagte wird gemäß Paragraf 29a BtMG wegen Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, womit es sich um einen Verbrechenstatbestand handelt, und wegen Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Haftbefehl bleibt aufrechterhalten.

Die Mutter und der Stiefvater des Angeklagten werden freigesprochen, da keine Feststellungen getroffen werden konnten, dass Aufbau und Betrieb der Hanfplantage gemeinsam geplant und somit eine Mittäterschaft vorliegen würde. Insoweit bezog sich die Strafkammer auf die erhöhten Anforderungen durch den Bundesgerichtshof.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da nach der Rechtsmittelbelehrung keine Erklärungen erfolgten.
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