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Pressemitteilung vom 12.04.2023
Region
Naturschutzinitiative lehnt Gewerbegebiet am Beulköpfchen bei Eschelbach ab
Die von der Stadt Montabaur geplante Erweiterung "Ober dem Beulköpfchen" des Gewerbegebietes "Alter Galgen" lehnt die Naturschutzinitiative (NI) ab und fordert eine Rücknahme der Planung. Dies wurde der Stadt Montabaur in der naturschutzfachlichen Stellungnahme der NI im Rahmen der Offenlage mitgeteilt.
Beulköpfchen, das dem Gewerbegebiet zum Opfer fallen soll. (Foto: Immo Vollmer/Naturschutzinitiative e.V. (NI))Montabaur. "Die Planung eines weiteren Gewerbegebietes, zumal in einem wertvollen Landschaftsteil, können wir nicht hinnehmen. In Montabaur ist das Maß voll, die Betonpolitik muss endlich aufhören", erklärte Harry Neumann, Landesvorsitzender der NI. Geplant sei ein über sechs Hektar großes Gewerbegebiet auf meist extensiv genutzten Wiesen und auf Ackerflächen. Es gebe kleinere Gehölze, Feldraine und alte Obstbäume, die Habitatqualität für Vögel und Fledermäuse hätten. Vom Naturhaushalt her bestünden enge Beziehungen zu dem angrenzenden Feldgehölz "Beulköpfchen", einem lichten Wald aus Hainbuchen und Eichen.

Schützenswerte Landschaftsstruktur
Trotz bestehender Beeinträchtigungen durch das östlich angrenzende Gewerbegebiet und die südlich verlaufende Autobahn handele es sich laut NI um eine noch relativ intakte und somit schützenswerte Landschaftsstruktur. Dieses würde auch immer wieder durch viele Spaziergänger bestätigt, die trotz Autobahn den "Nelkenweg" als Wander- und Spazierweg nutzten. Trotz der Landschaftsbeeinträchtigungen gebe es hier noch eine schöne Sicht auf Montabaur mit seinem Schloss und die umliegende Landschaft.

Gerade das auch von der Autobahn und vom Bahnhof aus als markante Kuppe wahrzunehmende Beulköpfchen mit seinem Umfeld stelle einen wichtigen Trittstein der Biotopvernetzung nördlich der Autobahn dar, so die Einschätzung von Dipl.-Biologe Immo Vollmer, NI Referent für Natur-, Artenschutz und Fachplanungen. Hierfür spreche auch, dass an diesem Wäldchen zahlreiche Tiere nachgewiesen wurden, die teils selten oder empfindlich gegen Störungen seien.

Schutz der europäischen Wildkatze
"Dazu gehört unter anderem die europäische Wildkatze, die in diesem Wäldchen einen wiederholt genutzten Ruheplatz findet, von dem aus sie in den umliegenden Wiesen auf Mäusejagd gehen kann", so Wildkatzenexpertin Gabriele Neumann. "Wir sehen auch nicht, dass der für die Wildkatze geplante Ausgleich der Beeinträchtigungen funktionieren wird". Eine von der NI in Auftrag gegebene fachgutachterliche Beurteilung bestätige die Einschätzung, dass die vorgesehene Ausgleichsfläche nicht geeignet sei, da diese einen zu geringen Abstand zur Autobahn habe. "Dies würde vermehrt Wildkatzen in die Nähe der Autobahn locken und das Tötungsrisiko für die streng geschützte Art erhöhen. Dies werden wir nicht akzeptieren", so Gabriele Neumann.

Verschiedene Spechte wie beispielsweise der Grünspecht seien aus dem Wald mit Rufen und ihrem typischen Trommeln zu hören. Als Nachmieter ihrer meist nur einmal genutzten Bruthöhlen bewohnten Stare und Fledermäuse das Wäldchen. Seitlich angrenzende Gebüsche seien Bruthabitat der mittlerweile seltenen Vogelarten Goldammer und Neuntöter. Verschiedene Greifvögel, so der Verband, suchten im Umfeld des Wäldchens Nahrung. Es sei davon auszugehen, dass diese hier auch jahrweise nisten würden.

Das Wäldchen selbst werde zwar nicht bebaut, aber das Gewerbegebiet würde direkt nördlich angrenzen. "Dadurch wird die Lebensraumqualität für die genannten Tierarten durch verschiedene Beeinträchtigungen wie Licht, Lärm und menschliche Aktivität so verschlechtert, dass diese abwandern" befürchtet Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der NI.

Flächenfraß in Montabaur stoppen
Auch wenn rund 6 ha Gewerbegebiet auf den ersten Blick nicht dramatisch erscheine, bewerte die NI diesen Plan als einen Teil einer nicht endenden Salamitaktik. Für das landwirtschaftlich geprägte Offenland nördlich der Autobahn deute sich langfristig die völlige Bebauung an.

Dieses lehne die NI als nicht mehr verantwortbar ab, da die Leistungsfähigkeit der Natur in der durch Äcker und Wiesen geprägten Landschaft zunehmend an ihre Grenze stoße. "Die Populationen von Feldvögeln wie der Feldlerche brechen zusammen. Eine weitere Ausweitung der Bebauung lehnen wir ab, da insbesondere die vielen Gewerbeflächen der Stadt Montabaur Lebensräume und Biodiversität zerstören. Die Leistungsfähigkeit der Landschaft als Lebensstätte der Arten ist endlich und in diesem Raum schon zu stark strapaziert", betont Biologe Immo Vollmer.

Montabaur müsse sich endlich davon verabschieden, Teil der bundesweit täglichen Neuversiegelung von 55 ha zu sein. Die NI verweist auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 24. März 2021 zu Art. 20 a des Grundgesetzes. Danach habe die Allgemeinheit ein überragendes Interesse daran, dass die Tierwelt in ihrer durch Zivilisationseinflüsse ohnehin gefährdeten Vielfalt nicht nur in der Gegenwart, sondern auch für kommende Generationen erhalten bleibe.

Fazit
Die Vielseitigkeit der Fauna zeige einen Raum auf, der aufgrund der sehr verschiedenen Habitate schützenswert sei. Die weitere Beanspruchung über Gewerbeflächen sei dabei schwerwiegend. Ein adäquater Ausgleich des Bauvorhabens sei nicht möglich. So würden Wildkatze, Mäusebussard und weitere Arten durch die Verschlechterung der Lebensbedingungen aus dem Gebiet vertrieben. Das Landschaftsbild und die Achtung vor der Bedeutung von Flächen mit Refugialfunktion zur Eindämmung des weltweiten Artensterbens würden es nach Ansicht der NI gebieten, von dem geplanten Vorhaben abzusehen.

"Die Haupttreiber der ökologischen Krise sind die Lebensraumverluste, das Artensterben, der Verlust an Biodiversität und die Stickstoffeinträge. Wir können nicht erkennen, dass die Stadt Montabaur hier Verantwortung für die Zukunft übernimmt. Wir fordern den Stadtrat zur Rücknahme der Planung und zur Korrektur einer aus den 1990er Jahren stammenden Flächennutzungsplanung auf", so die NI. Der Verband habe daher bereits eine Anwaltskanzlei beauftragt, die Aussichten für eine Klage gegen das geplante Gewerbegebiet zu prüfen. (PM)
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