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Nachricht vom 25.09.2011 |
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Region |
Hachenburg Lichterloh: Das Ich als Bestandteil virtueller Realität |
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Mit Hachenburg Lichterloh präsentierte die Hachenburger KulturZeit am Wochenende das wichtigste Ereignis der Kultrmetropole Hachenburg in diesem Jahr. Auf dem bundesweit wohl einmaligen Lichterloh-Stadtfest mit künstlerischer Ausrichtung offenbarte Hachenburg zwei Nächte lang weit mehr als 10.000 Besuchern eine fremd anmutende Welt aus Licht und Schatten. |
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Hachenburg. Die Geburtsstunde des Universums, dargeboten auf dem Alten Markt in Hachenburg von den ungarischen Feuerkünstlern Magma Firetheatre, hob das Licht aus dem Schatten. Ebenso wie die Darstellung der griechischen Schicksalsgöttinnen bot der Mythos der Entstehung der Welt für die weit mehr als 10.000 Besucher international hochklassiges kulturelles Niveau, womit die Hachenburger Kulturzeit ihren Anspruch wieder einmal selbst übertroffen hat. Unter Mitwirkung zahlreicher freiwilliger Helfer und der Unterstützung des Kultursommers Rheinland-Pfalz sowie dem Sponsoring von Rhenag und Blasius Schuster entstand unter der Projektleitung von Kristin Hertel zum zweiten Mal das Hachenburger Stadtfest Lichterloh. Bei der Eröffnungszeremonie lobte Bürgermeister Peter Klöckner die Qualität der ebenso unverwechselbaren, wie kontinuierlichen Leistung der KulturZeit. Kulturreferentin Beate Macht betonte die bundesweite Einmaligkeit insbesondere solcher Stadtfeste wie „Lichterloh“ oder „Hachenburg spielt verrückt“.
Bei Lichterloh ging es keinesfalls um eine hell beleuchtete Innenstadt, sondern um besondere Momente der Wahrnehmung, um eine verfremdete Realität, ähnlich der wabernden Luft über einem lodernden Feuer. Momente, die magisch anziehen, oft ohne dass es dem Betrachter bewusst wird. Die Wahrnehmung der bekannten Welt ist abhängig von den Sinnen und gespeicherten Informationen im Gehirn. Werden die Sinne beeinflusst, werden im Gehirn Überraschungsmomente ausgelöst: Alles wirkt fremdartig, sogar bizarr. In diesem Sinne leistet die Hachenburger KulturZeit Pioniersarbeit, denn der Effekt, der sonst durch virtuelle Realitäten im Computer bekannt ist, wurde von "Hachenburg Lichterloh" erfolgreich auf das reale Umfeld angewandt. Lebendig wirkende Fassaden im sich ständig verändernden Leuchtgraffitty, Farbenspiele, Seifenblasen, Wolf Reicherters menschliche Neonfiguren im UV-Licht, allesamt Bestandteil eines fremd anmutenden Hachenburgs. Einerseits verharren mit Wachs eingeriebene Schaufenstermenschen stundenlang in der Geschäftsauslage, andererseits ist es der Schatten eines Menschen, den Künstler Deko Dan auf einer phosphoriszierenden Leinwand festzuhalten vermag.
Die Visionen solch verfremdeter Realitäten offenbarte Projektleiterin Hertel in Zusammenarbeit mit der Lichtaschtun Kollective bei einer Gemäldeausstellung im Burggarten, wo real fotografierte Nachtbilder durch den Einsatz mannigfaltiger Leuchtutensilien in lebendige, schrill wirkende, skurrile Welten verwandelt wurden. Auf dem gesamten Lichterlohfest schien es, als seien diese Visionen der Künstler in der Hachenburger Innenstadt verwirklicht worden. Lila Sterne funkelten auf dem Bogengang zwischen Schloss und Schlosskirche, die Fassade der Marienkirche wurde zu einem lichtgeträkten Comic-Gesicht mit Lichtnase, live kreiert von Lichtfaktor. Am Vogtshof ermöglichte der Sketchclub Besuchern jeden Alters, die eigene vektorisierte Körperstatur auf die Wand zu projizieren oder mit einem Pseudo-Sprühstab Graffity aus purem Licht an die Wand zu malen. Die Steuerung, die eine solche Illusion ermöglichte, ist verwandt mit der Funktion moderner Spielekonsolen. Von den kommunikativen Möglichkeiten zwischen Realität und Computer zeigte sich auch die Westerwälder Kunstexpertin Marli Bartling beeindruckt.
Zuweilen gab das Licht auch den Ton an, etwa auf den brennenden Pfeifen von Uwes Feuerorgel oder im Experiment der Raumzeitpiraten, wo unter anderem der netzartige Schatten eines Federballs in Töne umgewandelt wurde. Inspiriert wurde Lichterloh vom Lichterfest in den 1990ern im Burggarten, das damals bereits von der Hachenburger KulturZeit organisiert wurde und für Furore sorgte. Auch Lichterloh verlegte einen Großteil der Attraktionen in den Burggarten, wo nicht Romantik, sondern Partystimmung im Vordergrund standen. Ein Pfad aus Petroleumfackeln wies den Besuchern den Weg in die Parkanlage, die mit Hansjörg Becks Feuerskulpturen und Fassöfen den Eindruck vermittelte, in der New Yorker Bronx gelandet zu sein.
Vielerorts musste das Licht sehr gedämpft werden, um die sensiblen Lichteffekte überhaupt sichtbar zu machen. Im Burggarten verwandelte Aerosol Light Textures Baumkronen durch effektvoll inszenierte Licht- und Schattenkombinationen zu Spiralen, Büsche wurden scheinbar zu bizarren Zickzackformationen. Wirkte die Veränderung der Realitäten bereits verblüffend echt, wusste daneben auch Illusionist Pavel Abakumau mit dem Geheimnis schwebender Fackeln zu verblüffen, während Dominik D’Ville mit Techhouse-Grooves und DJ Ra-V nebst Barto mit Reggae und Dub ihre Anhänger begeisterten. Wer sich bis jetzt noch nicht verlaufen hatte, konnte dies im Labyrinth nachholen, das vom Betreuungsdienst der DRK aus 800 Kerzen entworfen wurde.
Um auf seine Kosten zu kommen, war das Publikum angehalten, selbst aktiv zu werden und zwischen den insgesamt elf Schauplätzen im Stadtgebiet zu pendeln. Durch den Andrang unzähliger Besucher-Shilouetten bahnten sich zahlreiche mobile Attraktionen ihren Weg, darunter die kultig-fetzige Straßengruppe Combai di Samba, das märchenhafte Straßentheater Aja Lükör und nicht zuletzt die Stadtführung der Tourist-Info mit Saltarellos mittelalterlichen Musikinstrumenten im Fackelschein. Stadtführerin Petra Schnell vermittelte ihr Fachwissen etwas anders als üblich, immerhin führte sie durch eine etwas andere Stadt.
Kunstfilme von Yagama und Loic Thèriault untermalten die Bühnenkulisse im großen Zirkuszelt, wo Misteur Valaire und Zion Train leicht entzündliche Musikmixturen darboten. Yagama schuf auch das Video für die interaktive Performance von Karol-Lorak, bei der die Filmsequenzen mit der Live-Darstellerin Jasmina Tcholakowa zu korrespondieren schienen.
Auch wenn es gewagt aussah, was die Feuerakrobaten darboten mit wedelnden Feuerkreisen und stobender Pyrotechnik, die Performance-Künstler, unter anderem die weißrussische Gruppe Elemental, beherrschten die Flamme. Obwohl Miosgo ganze Baumstämme in Flammen aufgehen ließ, hatten die zur Sicherheit bereitstehenden Löschgruppen der freiwilligen Feuerwehr Hachenburg, Hattert und Wiedbachtal keinen Grund zur Besorgnis. Die Leistung der Feuerwehren im Westerwald dokumentierte die Brandschutzausstellung im Landschaftsmuseum Westerwald zu nächtlichen Öffnungszeiten. Am Tage blieb für einen Museumsbesuch angesichts der vielen Workshops für alle Altersgruppen auch wenig Zeit. Die Aftershow-Party präsentierte perplexx petite bis in die frühen Morgenstunden im Sultan Saray. (Thomas Sonnenschein)
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