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Nachricht vom 16.09.2023
Region
Kassenärztliche Vereinigungen fordern Aufhebung der Budgetierung und Reform der Bedarfsplanung
Mit einer symbolischen Krankschreibung des ambulanten Gesundheitswesens an die Adresse von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach endete die von der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) organisierte Protestaktion „LAHNSTEIN92“.
In Form einer überdimensionierten gelben Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung schreiben die Teilnehmenden der Protestaktion „LAHNSTEIN92“ das ambulante Gesundheitswesen symbolisch krank. (Foto: Rheinland-Pfalz)Lahnstein/Region. Dort warnte die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft vor dem Kollaps der ambulanten Versorgung und verlangte von der Politik dringend notwendige Reformen. Vor rund 30 Jahren wurden unter Federführung des damaligen Bundesgesundheitsministers Horst Seehofer im rheinland-pfälzischen Lahnstein die gesetzlichen Grundlagen für viele noch heute bestehende, aber nicht mehr zeitgemäße Regelungen geschaffen. An selber Stelle forderten die vertretenen Kassenärztlichen Vereinigungen nun in dem gemeinsamen Grundsatzpapier „LAHNSTEIN23“ die Abschaffung der Budgetierung und eine Reform der längst überholten Bedarfsplanung.

„In den zurückliegenden drei Jahrzehnten fehlten der politische Mut und die Entschlossenheit, dringend notwendige Anpassungen vorzunehmen und falsche Weichenstellungen zu korrigieren. Die Rahmenbedingungen haben sich grundlegend verändert, die nötigen Reformmaßnahmen sind aber ausgeblieben. Antiquierte Modelle wie die Budgetierung und die Bedarfsplanung wurden trotz Ärztemangels, demografischer Entwicklung und veränderter Bedarfe beibehalten. Bürokratie, Kostendruck und Fachkräftemangel verschärfen die Lage und stellen Praxen vor existenzielle Belastungen. Wenn nichts passiert, kann die Versorgung für viele Menschen auf Dauer nicht mehr sichergestellt werden“, warnt Dr. Peter Heinz, Vorstandsvorsitzender der KV RLP, die im Rahmen der Kampagne „WIR SEHEN SCHWARZ.“ zu der Protestaktion nach Lahnstein geladen hatte.

Ärztemangel statt Ärzteschwemme
Eine zentrale Forderung der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft ist die Aufhebung der Budgetierung. Weil aus der Ärzteschwemme längst ein Ärztemangel geworden ist, versorgen die bestehenden Praxen immer mehr Patientinnen und Patienten. Ihre Arbeit bekommen sie jedoch nicht leistungsgemäß und zum Teil gar nicht vergütet. Vor allem die Aufnahme neuer Patientinnen und Patienten wird nicht adäquat honoriert. „Die Leistungen in der ambulanten Versorgung müssen endlich fair entlohnt werden. Die Kolleginnen und Kollegen brauchen eine Perspektive und Planbarkeit, um den heutigen Anforderungen an eine sichere Versorgung weiterhin gerecht werden zu können. Die Politik ist aufgerufen, die unzeitgemäße und blockierende Budgetierung aufzuheben“, sagt Dr. Heinz.

Eng verbunden mit der Budgetierung ist die Bedarfsplanung, die schon lange am veränderten Bedarf vorbeigeht. Gerade in ländlichen Gebieten kommt ein Versorgungsmangel auf die älter werdende Bevölkerung zu. Die Planung bildet dabei oftmals nicht den tatsächlichen Bedarf und die Versorgungsrealität vor Ort ab. Und es gibt nicht genügend weitergebildete Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Versorgung, die diese Lücken schließen könnten.

„Die Bedarfsplanung in der heutigen Form ist ein Modell von vorgestern, dass Zulassung verhindert und bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen blockiert. Wir sind überzeugt: In Verbindung mit einer Aufhebung der Budgetierung regeln sich die veränderten Bedarfe der Bevölkerung und die angebotenen Leistungen in der Niederlassung von selbst. Die Politik muss dafür schnell die dringend nötige Reformierung der Bedarfsplanung vornehmen“,fordert Dr. Andreas Bartels, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV RLP.

Lahnstein als Weckruf für die Politik
Die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft machte bei der Protestaktion in Lahnstein eindringlich deutlich, dass für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte zunehmend Anreize fehlen, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. So gibt es hier im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen zum Beispiel keinen adäquaten Inflationsausgleich.

Kostentreiber wie die gestiegenen Aufwendungen für Energie belasten die ohnehin eng kalkulierten Praxispläne. Dazu kommen hohe Personalkosten. „Die Niederlassung muss für junge Ärztinnen und Ärzte wieder attraktiver werden. Wertschätzung und Anerkennung müssen gefördert, Qualifizierung und Weiterbildung ausgeweitet, wirtschaftliche Anreize, lohnende Honorierungen und bürokratische Entlastungen der Praxen forciert werden. Im Sinne der Patientinnen und Patienten muss die Politik einen attraktiven Rahmen für die Niederlassung junger Ärztinnen und Ärzte schaffen“, betont Dr. Bartels.

„Mit Einsatz und Idealismus wird in den Praxen täglich daran gearbeitet, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Lahnstein war im Rückblick Ausgangspunkt für viele Probleme der Gegenwart. Lahnstein muss jetzt ein Weckruf für die Politik und ein Wendepunkt in deren Handeln sein“, sagt Peter Andreas Staub, Vorstandsmitglied der KV RLP. „Ein Ende der Budgetierung und der Bedarfsplanung in der jetzigen Form ist der Anfang für die Sicherstellung der ambulanten Versorgung in Deutschland!“ (PM)
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