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Nachricht vom 24.10.2023
Region
Klinikkonzept: Rüddel sieht „Müschenbach-Verbandelung“ – Kritik aus Hachenburg
Das geplante Sanierungskonzept für drei heimische DRK-Krankenhäuser, das das Hospital in Altenkirchen zum großen Verlierer macht, wird vielerorts abgelehnt. Selbst aus Hachenburg, auf den ersten Blick großer Profiteur, kommen kritische Töne. Und CDU-MdB und Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel knüpft noch die Verbindung zum geplanten Klinikneubau in Müschenbach.
Das DRK-Krankenhaus in Hachenburg soll von Altenkirchen die Chirurgie, die Innere Medizin und die Urologie übernehmen. (Foto: privat)Altenkirchen/Hachenburg. Der Plan, mit dem die insolventen DRK-Krankenhäuser in Altenkirchen, Hachenburg und Kirchen zukunftsfit gemacht werden sollen, scheint wohl nicht das Nonplusultra zu sein. Auf die DRK-Trägergesellschaft Süd-West als Initiator des Änderungsansatzes geht massive Kritik nieder. Auch in Hachenburg, das von Altenkirchen Chirurgie, Innere Medizin und Urologie übernehmen soll, regt sich Widerstand. Erwin Rüddel, MdB aus dem heimischen Wahlkreis und Gesundheitspolitiker, lässt ebenfalls kein gutes Haar an den Überlegungen und sagt: „Das jetzt präsentierte Sanierungskonzept der DRK-Trägergesellschaft zeigt ganz deutlich, dass es trägerintern nie einen tatsächlichen Bedarf für einen Krankenhausneubau in Müschenbach gegeben hat. Dies hätte jedoch noch vor dem DRK das Land Rheinland-Pfalz als Krankenhausplanungsbehörde frühzeitig erkennen müssen. Hätte man bereits vor Jahren die Kraft und dieses Geld, das für Müschenbach in den Sand gesetzt wurde, für eine Neuaufstellung der DRK-Krankenhäuser im Westerwald eingebracht, so wären sicherlich keine 165 Arbeitsplätze zerstört worden wie eben jetzt nach der Insolvenz. Die naive ‚Müschenbach-Verbandelung' von SPD und DRK-Spitze in Mainz hat, wie sich nun ganz klar zeigt, in Altenkirchen nicht nur viele Arbeitsplätze gekostet, sondern einer ganzen Region auch Zukunftsperspektiven genommen.“

Eigensinn und Eitelkeiten
Der geplante Neubau des Krankenhauses in Müschenbach sei, wie nunmehr unverkennbar, am Eigensinn der Landespolitik sowie Eitelkeiten der DRK-Strukturen gescheitert, wie es Rüddel ausdrückt. Statt eine krisenfeste und zukunftssichere Struktur zu entwickeln, habe man mit dem Kauf des Grundstücks das Pferd von hinten aufgezäumt. Der Christdemokrat weiß, dass heute ein Krankenhausneubau mindestens 400 Betten umfassen sollte, um wirtschaftlich und fachlich gut arbeiten zu können und dass damit Kosten zwischen 350 bis 450 Millionen Euro verbunden sind. „Dies ist keine neue Erkenntnis, zumindest alle Beteiligten hätten das wissen müssen, und das Land hat zu lange, leider mit Erfolg, versucht, die Bürger der Region an der Nase herumzuführen“, erklärt Rüddel weiter. Zudem hätte das Land das DRK auf dem Weg begleiten müssen, dass trägerübergreifend ein entsprechendes Konzept hätte entwickelt werden müssen. Dieses Fenster gab es vor einigen Jahren, welches sich auch aufgrund fehlender Möglichkeiten der Eigenfinanzierung durch das DRK geschlossen habe.
 
Ratschläge in den Wind geschlagen
„Aber alle diesbezüglichen Ratschläge wurden in den Wind geschlagen, bis hin zu der Fehlentscheidung, in Müschenbach, in Konkurrenz zu Kirchen, eine weitere Geburtshilfe umzusetzen. Die Insolvenz hat jetzt zu mehr Bodenhaftung und Einsicht bei DRK und Land geführt. Jetzt wurde aber die Möglichkeit für einen Klinikneubau in Müschenbach für viele Jahre vertan, zurück bleiben viel Arbeits- und Ratlosigkeit“, fügt Rüddel an. Die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen werde sich in den nächsten Jahren verändern müssen. Hierbei sei es besonders wichtig, dass der stationäre und ambulante Bereich sowie auch alle anderen Gesundheitsakteure enger miteinander zusammenarbeiten müssten. Das vorgelegte Konzept greife diese Chancen teilweise auf. „Wichtig für die Zukunft in ländlichen Regionen wie dem Westerwald ist, dass gerade das Land seinen finanziellen Verpflichtungen wesentlich deutlicher nachkommen muss als bisher. Auch der Bund ist gefordert. Der Veränderungsprozess kostet Geld, und die Aufrechterhaltung von Strukturen explizit in ländlichen Regionen wird nicht ohne staatliche finanzielle Unterstützung gehen. Eine gute medizinische Versorgung muss uns etwas wert sein“, fordert er.

Deutliche Verschlechterung der Situation
„Das Krankenhaus in Hachenburg steht nicht zur Disposition, was wir im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger begrüßen. Anlass zur deutlichen Kritik gibt allerdings die Verlegung der Geburtshilfe und Gynäkologie vom zentralen Standort Hachenburg nach Kirchen. Als Begründung hierfür wird insbesondere angegeben, dass es durch die dort bereits vorhandene Pädiatrie rund um die Uhr möglich ist, auch für medizinische Notfälle bei Frühgeborenen und Müttern einzustehen – ein nachvollziehbares Argument aus Sicht des Trägers“, heißt es in einer Mitteilung der Verbandsgemeinde Hachenburg. Für den Großteil der Fälle der werdenden Mütter, die bislang wohnortnah hervorragend betreut wurden, stelle diese Entscheidung jedoch eine deutliche Verschlechterung der Situation dar. Die Idee der Einführung eines von den Beleghebammen geführten Geburtshauses klinge im ersten Moment zwar gut, löse aber keines der Probleme, die bei schwierigen Geburten entstehen könnten. „Wenn ein Krankenhaus nicht ohne pädiatrische Abteilung in der Lage dazu ist, problematische Fälle bei Neugeborenen angemessen zu versorgen, kann das ein Geburtshaus ohne entsprechenden pädiatrischen Unterbau erst recht nicht. Die Hebammen – und mit ihnen die Patientinnen – werden allein gelassen“, wird klar ein Kritikpunkt herausgearbeitet, „feststellbar ist ferner, dass mit der Stärkung des Krankenhauses in Kirchen, das unmittelbar vor den Toren der Stadt Siegen und der dortigen Schwerpunktkliniken liegt, die Geburtshilfe fast vollständig aus dem Westerwaldkreis verschwindet. Eine durch die Nähe zu Siegen ohnehin sehr gut versorgte Region wird gestärkt, während der Westerwald ausblutet. Der Auftrag für die medizinische Versorgung ist nicht ohne Grund bei den Landkreisen gesetzlich verankert, um für Bürgerinnen und Bürger diese zentrale Frage der Daseinsvorsorge vor Ort sicherzustellen.“ Dieser gesetzliche Auftrag werde mit den vorliegenden Planungen nicht mehr zufriedenstellend erfüllt. Die Versorgungslage verschlechtere sich innerhalb der Region deutlich. Die Gleichheit von Lebensverhältnissen in Stadt und Land werde konterkariert, und der Wirtschaftsstandort verliere für die in der heutigen Zeit so wichtige Anwerbung von Fachkräften an Attraktivität. „Damit sind wir nicht einverstanden. Unsere Forderungen lauten daher: kein dauerhafter Umzug der Geburtshilfe und Gynäkologie nach Kirchen, konsequente weitere Planung des Krankenhausneubaus mit Gynäkologie, Geburtshilfe und Pädiatrie im Müschenbach, gleichwertige medizinische Versorgung im ländlichen wie städtischen Bereich,“ werden zudem auch Ansprüche formuliert.

Elementare Lebensbedürfnisse
Dass dem Träger im Zuge einer Insolvenz in Eigenregie die Hände gebunden seien und der Gläubigerausschuss „das Sagen hat“, leuchte ein, aber dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit vielen Jahren die strukturellen Defizite an den Krankenhausstandorten mit Fleiß und Leidenschaft aufgefangen hätten, gekündigt werde, ohne Alternativen anzubieten, sei für die Betroffenen und die Pflegeberufe im Allgemeinen ein Schlag ins Gesicht. Das Land täte gut daran, im Wege der Krankenhausplanung zukunftsweisende und damit mutige Entscheidungen zu treffen, damit für Patienten und Beschäftigte ein klares Signal für gute Versorgung gestellt werde. Es gehe um elementare Lebensbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger. Der Neubau des Krankenhauses in Müschenbach müsse, ungeachtet der erst in den Grundzügen bekannten Ausgestaltung der bundes- und landespolitischen Vorgaben der Krankenhausreform, während und nach Abschluss der Sanierung weiter fest im Blick behalten werden. Ein entsprechend großes und modernes Krankenhaus sei für die Attraktivität der Region und die medizinische Versorgung der Bevölkerung unerlässlich. (vh)
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