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Nachricht vom 11.12.2023
Region
Polizisten getreten und beleidigt - Amtsgericht Montabaur verhängt Freiheitsstrafe
Wieder einmal musste eine Anklage der Staatsanwaltschaft Koblenz verhandelt werden, die sich mit dem seit langer Zeit erkennbaren Trend beschäftigen musste, dass Polizei, Feuerwehr und DRK im Einsatz beleidigt, getreten, gebissen und sogar bespuckt werden. Am 12. Dezember fand beim Amtsgericht Montabaur in einem solchen Fall die Hauptverhandlung statt, die von Richter Dr. Orlik Frank-Pilz geleitet wurde.
Amtsgericht Montabaur. Foto: Wolfgang RabschMontabaur. Was wirft die Staatsanwaltschaft Koblenz dem Angeklagten vor?
Der 36-jährige Angeklagte, wohnhaft in der VG Montabaur, soll im Januar 2023 bei einer Polizeikontrolle Beamte beleidigt, getreten und Widerstand geleistet haben. Bei einer Kontrolle in einem Linienbus stellten Beamte der PI Montabaur bei dem Angeklagten starken Cannabisgeruch fest. Bei der anschließenden Durchsuchung der Kleidung rastete der Angeklagte aus, reagierte äußerst aggressiv, schlug um sich und klammerte sich an einem Polizeibeamten fest. Dabei soll er laut gebrüllt haben "Fick dich".

Die inzwischen eingetroffene Verstärkung wurde ebenfalls von dem Angeklagten attackiert, wobei es ihm gelang einen Beamten gezielt in dessen Gesicht zu schlagen. Erst durch den Einsatz von Pfefferspray konnte der Angeklagte fixiert und in ein Krankenhaus zur Entnahme einer Blutprobe transportiert zu werden. Im Krankenhaus kam es zu weiteren Beleidigungen und Widerstandshandlungen, unter anderem versuchte der Angeklagte, einem der Polizeibeamten dessen Dienstwaffe aus dem Holster zu entwenden. Es folgten erneute Beleidigungen, indem er zwei Polizeibeamten zurief "Fick dich, du Hurensohn". Die dem Angeklagten entnommene Blutprobe ergab zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,63 Promille.

Der Angeklagte erklärt zu seinen persönlichen Verhältnissen, dass er das Fachabitur gemacht habe, danach eine Ausbildung zum Industriemechaniker abgebrochen hat, dann die Ausbildung zum Augenoptiker bestanden und auch die Meisterprüfung abgelegt habe. Zurzeit sei er arbeitslos und krankgeschrieben, wegen Alkoholabusus und Depressionen, etwa 2.000 Euro monatlich Krankengeld erhält und ledig ist.

Am Tag der Entlassung aus der Therapie begann der Angeklagte wieder zu saufen
Zur Sache ließ sich der Angeklagte dem Grunde nach geständig ein. Er schilderte, dass er am Tattag nach einem viermonatigen Aufenthalt in einer Suchtklinik bei Landau entlassen worden wäre und mit dem Zug nach Hause nach Montabaur fahren wollte. Jedoch wären beide Züge ausgefallen, deshalb kam es zu einem Rückfall und er kaufte sich zwei Flaschen Wodka, zusätzlich hätte er Antidepressiva zu sich genommen. Irgendwie sei er dann in Frankfurt am Flughafen gelandet, hätte dort wieder zwei ICE-Züge nach Montabaur verpasst und sei dann doch irgendwie in Montabaur gelandet.

Mit dem Bus wollte er dann nach Hause fahren, im Bus kam es zum Streit zwischen dem Busfahrer und einem Fahrgast, dem er helfen wollte. Die Sache eskalierte, dann kam die Polizei. Der Angeklagte: "Plötzlich war nicht mehr alles rational, auf einmal lag ich auf dem Boden und zwei Polizisten knieten auf meinen Armen. Ich habe nicht versucht, die Dienstwaffe aus dem Holster zu nehmen und konnte auch nicht schlagen, weil ich fixiert war. Wie wild und strampelte ich mit den Beinen, um mich loszureißen. Es kann sein, dass ich mit dem linken Fuß getreten habe, aber nicht gezielt in das Gesicht eines Beamten, ich habe eher einem Beamten in den Rücken getreten. Erst durch den Einsatz von Pfefferspray konnte ich beruhigt werden. Im Krankenhaus riss ich einem Beamten an der Weste und habe diese auch beleidigt, mit den Worten "Fick dich, du Hurensohn". Nach der Blutentnahme brachte die Polizei mich nach Andernach in die Psychiatrie, weil ich Selbstmordgedanken geäußert hatte, dort wurde ich aber nach einem Tag wieder auf meinem Wunsch hin entlassen".

Ein Zeuge schilderte den brutalen Vorfall
Von vier erschienenen Polizeibeamten, die bei dem Einsatz vor Ort waren, wurde nur ein Zeuge vernommen, der die Angaben der Anklage und die Aussage des Angeklagten weitestgehend bestätigte. Der Zeuge schilderte auch den Tritt gegen seinen Kopf, wodurch er an der linken Schläfe ein Hämatom erlitt und durch weitere Tritte des Angeklagten an Brustkorb, Knie und Fußgelenk durch zielgenaue Tritte verletzt wurde. Der Angeklagte stand auf, ging zu dem Zeugen und entschuldigte sich glaubhaft für sein Verhalten, er schäme sich sehr dafür, er sei auch bereit Schmerzensgeld zu zahlen. Die Entschuldigung nahm der Zeuge an, die restlichen Zeugen konnten entlassen werden, nachdem der Angeklagte sich auch bei ihnen entschuldigt hatte.

Der Vorsitzende verlas anschließend einen seitenlangen Entschuldigungsbrief des Angeklagten, indem er seine Vita Revue passieren ließ und versuchte sein missratenes Leben zu erklären.

Die Sachverständige von der Rechtsmedizin aus Mainz attestierte dem Angeklagten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit, die Blutprobe habe eine BAK von 2,16 Promille ergeben, nach Rückrechnung und dem Abbau des Alkoholspiegels kam sie zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte zur Tatzeit eine BAK von 2,63 Promille gehabt habe. Auch Cannabissubstanzen wären nachweisbar gewesen.

Nachdem die Beweisaufnahme geschlossen wurde, plädierte zunächst Staatsanwalt Markus Necknig, der ebenfalls keine Schuldunfähigkeit bei dem Angeklagten sah, jedoch eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit, zudem hätte er glaubhaft Reue und Schuldeinsicht gezeigt. Darum beantragte er eine Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 60 Euro, gebildet aus zwei Einzelstrafen zu je 60 Tagessätzen und einer Einzelstrafe von 100 Tagessätzen.

Rechtsanwältin Sybille Stoll aus Koblenz beantragte für den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 90 Tagessätzen zu je 45 Euro.

In seinem letzten Wort beteuerte der Angeklagte, wie sehr ihm das Geschehene leid tue und er jetzt alles daransetzen werde, sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.

Urteil im Namen des Volkes
Der Angeklagte wird wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre.

Begründung des Urteils:
"Die Schilderung der persönlichen Vita des Angeklagten in seinem Entschuldigungsschreiben liest sich dramatisch, war aber glaubhaft. Jedoch kann sich nicht jeder hinter Problemen verstecken, denn jeder hat ein Päckchen auf seine Art zu tragen. Es darf aber nicht dazu kommen, dass man ausflippt, wenn ein Tag so richtig scheiße läuft. Dann wird behauptet, man sei traumatisiert, wenn Polizisten bei einem Einsatz versuchen, das Recht des Staates durchzusetzen. Auch die Schläge, die Polizeibeamten bei Einsätzen erhalten, können diese traumatisieren, da sie eigentlich nur schlichten und helfen wollten. So entsteht schnell der Täter-Opfer-Umkehrschluss. Es müssen keine höheren Strafen für diese Taten durch Gesetz erfolgen, die bestehenden Gesetze müssen durch die Justiz nur richtig angewandt werden".

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da keine Erklärungen nach der erfolgten Rechtsmittelbelehrung abgegeben wurden. (Wolfgang Rabsch)
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