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Nachricht vom 26.12.2023 |
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"Rosies Weihnacht - Eine kleine, ganz unspektakuläre, aber weihnachtliche Geschichte" - Teil 3 |
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Was macht man an einem total verregneten Urlaubstag? Doris Manroth aus Windhagen hat den verkorksten Tag fern von Zuhause genutzt, um eine weihnachtliche Kurzgeschichte zu schreiben: "Rosies Weihnacht - Eine kleine, ganz unspektakuläre, aber weihnachtliche Geschichte" präsentieren die Kuriere in drei Teilen. Viel Spaß beim Lesen! |
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"Rosies Weihnacht - Eine kleine, ganz unspektakuläre, aber weihnachtliche Geschichte" - Teil 2 lesen Sie hier!
Teil 3
Maxie und ihr Mann Matthias hatten vom Flughafen eine sündhaft teure Flasche Champagner mitgebracht, die nun geköpft wurde. Ida packte nach dem Abendessen ihren Koffer glücklich wieder aus und Luis aß rohen Plätzchenteig, bis ihm schlecht wurde.
Heiligabend begann mit gemäßigtem Schneefall. Nachdem sie nun doch noch einen kapitalen Weihnachtsbaum besorgt hatten, sagten die Nachrichten stärkere Niederschläge voraus, doch das brauchte niemanden zu kümmern, denn der Kamin brannte unerschütterlich und vor die Tür musste heute niemand mehr.
Luis sah sich - ohne viel zu verstehen - stundenlang den Milkshake Kanal an, für den er eigentlich zu alt war, was ihn aber kein bisschen störte. Alle fühlten sich in sehr legerer Kleidung, aber dafür in Hochstimmung pudelwohl - bis am Nachmittag der Strom ausblieb. Mit einem KLACK erloschen die Lichterketten im Garten, der Ofen in der Küche legte eine Betriebspause ein und die Musik, sowie der Fernseher, verstummten.
Sie warteten sie eine ganze Stunde.
Dann eine weitere.
Tims Töchter kamen mit ihren Ehemännern auf einen Sherry und Gordon und seine Frau, um eine schöne Weihnacht zu wünschen.
Was jedoch nicht kam, war Strom.
Sowohl die Einladung von Tims Töchtern, den Abend im Familienhotel Cotswold Hideaway zu verbringen, wurde abgelehnt, als auch der Vorschlag von Gordons Frau, zu ihnen ans andere Ende des Dörfchens zu kommen, das vom Stromausfall zum Glück nicht betroffen war.
Irgendwie hatte jedoch niemand große Lust, die Gemütlichkeit des stromlosen Cottages zu verlassen, um sich in Anzug und festliche Kleider zu werfen, wobei das für Tim ohnehin zu anstrengend gewesen wäre. Also entschied Matthias, der überhaupt nicht bereit war, auf den Weihnachtsbraten zu verzichten, dass der Grill angeworfen werden musste. Er selbst kümmerte sich darum und pendelte zwei Stunden lang zwischen Wohnzimmer und eiskalter Terrasse hin und her, sodass er sich den Braten auch tatsächlich verdient hatte.
Jeder anderen Tätigkeit beraubt, nahm sich die Familie viel Zeit für ein Abendessen bei Kerzenschein, und alle waren sich einig, dass diese Weihnacht in England ebenso schön und gemütlich war, wie das große Familientreffen zuhause im Rheinland. Einziger Wermutstropfen war, dass Tim beim Lachen höllische Schmerzen litt.
Rosie lag bereits unter der Bettdecke, als Tim mit einer Kerze aus dem Bad erschien. Er lehnte jede Hilfe kategorisch ab, wodurch er speziell beim Umziehen unendlich lange brauchte. "Ich habe den ganzen Abend versucht, nicht lustig zu sein, es ist mir nicht gelungen. Tut mir leid", entschuldigte sich Rosie, als er die Kerze löschte.
Er brummte amüsiert. "Dann wärst du auch nicht die Frau, die ich geheiratet habe. Nur um eines bitte ich dich.",
"Ja, gerne." Abwartend sah sie zu ihm herüber. Das Mondlicht ließ gerade noch so seine Konturen erkennen.
"Morgen bitte keinen Pfeffer ins Essen. Nießen ist noch viel schlimmer als Lachen."
"Na gut."
Als seine gleichmäßigen Atemzüge zeigten, dass er eingeschlafen war, lag Rosie noch wach. Hier und da knarzte die Treppe und der Wind schlug geräuschvoll in die Kletterrose, die an der Hauswand vor dem Schlafzimmerfenster hochrankte.
Sie schenkten sich immer nur Kleinigkeiten. In diesem Jahr hatte Tim jedoch den Rahmen total gesprengt mit der Renovierung des Gartenhauses, bei dem er sich eine Verletzung zugezogen hatte, und dann hatte er ihr auch noch die Familie hierher gezaubert.
Sie war so dankbar dafür!
Die Reitstiefel waren ein bescheuertes Geschenk.
Er hatte etwas Besseres verdient, auch wenn es nur eine Kleinigkeit war!
Das richtige Geschenk
Und so stand sie mitten in der Nacht wieder auf, warf sich ihren Cardigan über und schlich ohne Licht die Holztreppe ins Erdgeschoss hinunter, betätigte aus purer Gewohnheit den Lichtschalter, doch der Raum blieb dunkel.
Sie nahm zwei Windlichter vom Fensterbrett und suchte verschiedene Dinge aus den Schubladen, die sie ordentlich auf den großen Küchentisch legte.
Der augenblicklich aufflackernde Lichtkegel beim Entzünden des Streichholzes brachte eine heimelige Atmosphäre in die Küche, die Windlichter warfen ein warmes Licht auf ihre Arbeitsfläche, auch wenn Rosies Füße schon langsam kalt wurden. Also stahl sie sich noch einmal leise ins Wohnzimmer, mopste sich eine Schurwolldecke, setzte sich an den Küchentisch und legte die Decke wie ein Schaf um ihre Füße.
Die Streichholzschachtel leerte sie auf dem Tisch aus.
Mit Packpapier, Kleber und Schere verwandelte sie die Box in das kleinste Postpaket der Welt, malte mit einem dünnen schwarzen Filzschreiber ihren eigenen Namen als Absender in die linke obere Ecke (es war sehr schwer - selbst mit Lesebrille - so klein zu schreiben,) und fügte Tims Namen als Adressaten hinzu, malte einen Mini-Poststempel auf die Schachtel und betrachtete ihr Werk zufrieden. Das war ja einfach gewesen!
Nun begann der schwierige Teil. Sie versuchte, aus einem Schnipsel weißen Papiers einen sehr, sehr kleinen Briefumschlag zu basteln, doch nach drei Versuchen gab sie auf. Ein anderer Plan musste her.
"Mami, was machst du hier mitten in der Nacht?" Maxie stand am Türrahmen. Sie trug einen Flanellpyjama und - im Gegensatz zu ihrer Mutter - dicke Socken.
"Eine klitzekleine Kleinigkeit für Tim." Rosie wies fast schuldbewusst auf den Tisch und zuckte mit den Schultern.
Maxie kam herein, setzte sich ihr gegenüber und gähnte, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. "Kann ich dir helfen?"
Rosie schüttelte den Kopf. "Nein, das hier mache ich ganz allein."
"Darf ich dir wenigstens einen Tee kochen?"
"Womit denn, Schatz? Der Strom ist doch weg."
"Ach, Mensch, stimmt ja. Wie angewiesen man ist auf Elektrizität! Dann gehe ich mal wieder ins Bett."
Ihre Tochter drückte sie, bis ihr fast die Luft wegblieb.
Für einen Moment fühlte sich Rosie um Jahrzehnte zurückversetzt.
Als sie wieder allein in der Küche war, musste auch Rosie gähnen. Zeit, ihr kleines Weihnachtsgeschenk für Tim nun endlich zu Ende zu bringen. Sie zog die Gewürzschublade auf, füllte die teuren Safranfäden in einen anderen, weniger hübschen Vorratsbehälter, spülte die kleine Glasflasche, die den Safran enthalten hatte, aus und trocknete es mit dem Zipfel eines Küchenkrepps.
Einen Kuss in das getrocknete Gläschen zu hauchen und das Glas zu verschließen war Sekundenarbeit. Um ein Etikett aus weißem Papier zu basteln und mit Kleber auf dem Gläschen zu fixieren war hingegen Fingerspitzengefühl erforderlich, doch schließlich gelang es.
Sie malte auf das Innere des Schubers feine Streifen, legte das Gläschen hinein, dazu eine kleine Papierrolle mit einer Liebeserklärung und schob den Schuber in die Ummantelung des Streichholzkästchens zurück.
Eine zarte Kordel im Kreuz um das Päckchen gewickelt, und fertig war das sehr persönliche Geschenk für Tim am nächsten - nein, an diesem Morgen! Nicht wertvoll, dafür mit Liebe gebastelt.
Sie löschte das Licht, schlich zur Haustür, öffnete sie so leise sie konnte und legte das Päckchen in den Briefkasten. Nach dem Frühstück würde sie Tim schicken, die Post zu holen! Am Weihnachtstag! Das konnte ja nur von einem Weihnachtswichtel sein!
Sie war froh, ein paar Minuten später wieder ins warme Bett neben Tim schlüpfen zu können. Glücklich, nun doch etwas Selbstgebasteltes für ihren Mann zu haben, lauschte sie noch ein paar Minuten seinem Atem und schlief dann ebenfalls ein.
Trotz ihrer nächtlichen Aktion war sie dann am Morgen die Erste, die wach war. Der Strom war zurück und sorgte für warme Heizkörper und vor allem heißes Wasser. Also war sie wohl nicht der einzige Weihnachtswichtel in der Nacht gewesen!
In der Küche stellte sie den Wasserkocher an und trug die Decke, die ihr in der Nacht so wertvolle Dienste geleistet hatte, zurück zum Wohnzimmer.
Zu ihrem Erstaunen fand sie auf dem Sofa Ida, eingekuschelt unter einer der anderen Decken und im Sessel Matthias.
Und auf dem Wohnzimmertisch lag ein Plan, nein, eine Skizze, mit einem Stein beschwert. Neben der Skizze ein Schraubenzieher, ein Zollstock, und Matthias hielt in seinen verschränkten Armen eine Wasserwaage, die Rosie nun langsam aus seiner Umarmung löste. Nichts schien ihn aus seinem Dornröschenschlaf aufwecken zu können.
Ida jedoch regte sich, öffnete erst ein Auge, dann beide, gähnte verschlafen und lächelte müde.
"Wir haben dir dein Häuschen fertig gebaut, weil wir Tim und dich so gernhaben!", krächzte sie verschlafen.
"Merry Christmas", brummte Matthias leise, drehte sich ein wenig im Sessel und schlief einfach weiter.
Anscheinend war in der letzten Nacht die ganze Welt auf den Beinen gewesen!
Leise verließ Rosie das Wohnzimmer, blieb in der Diele vor dem Spiegel stehen und betrachtete sich selbst.
Da war sie nun, Rosie Cooper.
Sie lebte hier in einem wunderschönen Cottage im Südwesten Englands mit dem Mann, den sie liebte.
Sie war Mutter und Granma (auch wenn sie diesen Titel nicht mochte).
Und sie war - zumindest in diesem Jahr zu Weihnachten - wohl die glücklichste Frau der Welt!
Ende
Weitere Geschichten von Doris Manroth:
Engel tragen Gummistiefel …Profil hat Maxie Engel nicht nur unter ihren Lieblingsschuhen
Taschenbuch 370 Seiten
ISBN 978-3-7407-6869-0
Waffelstillstand …Weihnachten ist (keine) Chefsache!
Taschenbuch 201 Seiten
ISBN 978-3-7407-1659-2
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