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Nachricht vom 17.08.2024
Wirtschaft
Welches Schmerzensgeld steht Opfern bei einem Hundebiss zu?
ANZEIGE | Schmerzensgeld stellt eine Kompensationsleistung für nicht materielle Schäden dar, die einem Opfer infolge einer Körperverletzung zugesprochen wird. In Deutschland regeln das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sowie ergänzende Gesetzestexte und richterliche Entscheidungen die Anspruchsgrundlagen und -voraussetzungen für die Gewährung von Schmerzensgeld. Kernvorschrift ist § 823 BGB, der die Haftung für Körperverletzungen behandelt, zu denen auch durch Tiere verursachte Schäden zählen. Eine besondere Rolle spielt hier § 833 S.1 BGB, welcher die Tierhalterhaftung spezifiziert und grundsätzlich eine Gefährdungshaftung des Halters für Schäden durch sein Tier vorsieht.
KI generiertes BildEin wesentlicher Aspekt bei Schmerzensgeldansprüchen ist die Unterscheidung zwischen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Ansprüchen. Zivilrechtliche Ansprüche dienen der Kompensation immaterieller Schäden, wobei die Höhe des Schmerzensgeldes je nach Schwere der Verletzung und den Umständen des Einzelfalls festgelegt wird.

Strafrechtliche Ansprüche hingegen resultieren aus der strafrechtlichen Verantwortung des Täters und können in Form von Geldstrafen oder Freiheitsstrafen münden. Sie dienen primär der Sanktionierung des Fehlverhaltens und nicht der Kompensation des Opfers, was bedeutet, dass Opfer für die Durchsetzung ihrer Schmerzensgeldansprüche auf zivilrechtliche Verfahren angewiesen sind.

Schuld- und Fahrlässigkeitsnachweis bei Bissverletzungen
Um einen Anspruch auf Schmerzensgeld nach einem Hundebiss erfolgreich geltend machen zu können, sind bestimmte rechtliche Voraussetzungen zu erfüllen. Eine zentrale Rolle spielt der Nachweis der Schuld oder Fahrlässigkeit des Hundehalters. Laut § 823 Abs. 1 BGB muss gezeigt werden, dass der Halter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, was zur Verletzung geführt hat. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Hund nicht angemessen beaufsichtigt oder gesichert war.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist das Erfordernis der medizinischen Dokumentation. Die Art und Schwere der Verletzungen müssen durch ärztliche Atteste nachgewiesen werden, die unmittelbar nach dem Vorfall erstellt wurden. Diese Dokumente dienen als Grundlage für die Bewertung des Schmerzensgeldes und sind entscheidend, um die Kausalität zwischen Biss und Verletzung sowie die daraus resultierenden Schmerzen und Einschränkungen zu belegen.

Richtlinien und Rechtsprechung zur Höhe des Schmerzensgeldes
Die Festlegung des Schmerzensgeldes nach einem Hundebiss wird durch verschiedene Faktoren bestimmt, die zusammenwirken, um die Höhe der Entschädigung zu beeinflussen. Zu diesen Faktoren zählen insbesondere die Schwere der Verletzung, die Dauer der Genesung und die psychischen Folgen des Vorfalls. Juristische Entscheidungen in ähnlichen Fällen bieten wertvolle Anhaltspunkte für die Bemessung dieser Beträge.
Einflussfaktoren auf die Schmerzensgeldhöhe:

· Schwere der Verletzung: Diese wird anhand der Intensität und des Umfangs der physischen Schäden bewertet. Tiefe Wunden, die operative Eingriffe erfordern oder dauerhafte Schäden hinterlassen, führen in der Regel zu höheren Schmerzensgeldansprüchen.

· Dauer der Genesung: Langfristige Behandlungen und andauernde physische Einschränkungen, die das tägliche Leben und die Arbeitsfähigkeit des Opfers beeinträchtigen, erhöhen das Schmerzensgeld.

· Psychische Folgen: Neben den physischen Verletzungen können psychische und emotionale Belastungen durch den Vorfall schwerwiegend sein. Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen oder Depressionen, die durch den Angriff verursacht wurden, sind relevante Kriterien in der Bewertung.
Beispielurteile aus der Rechtsprechung:

· Bissverletzung mit tiefer Fleischwunde am Arm: OLG Frankfurt, 2013, Az: 1 U 69/13, €300. Dieses relativ geringe Schmerzensgeld reflektiert eine Verletzung, die trotz ihrer Tiefe schnell heilte und keine langfristigen Schäden hinterließ.

· Hundebiss im Gesicht mit Narbe über dem Auge: OLG Hamm, 2015, Az: I-9 U 91/14, €3,000. Die sichtbare Narbenbildung im Gesichtsbereich führt zu einer höheren Entschädigung, da sie auch ästhetische und psychologische Folgen hat.

· Hundebissverletzung im Gesicht, lange Risswunde an der Nase: LG Hamburg, 2012, Az: 307 O 429/10, €5,000. Die Entstellung und die Notwendigkeit mehrerer chirurgischer Eingriffe wurden hier besonders berücksichtigt.

· Tiefe Hundebisswunde am Bein, Krankenhaus, Narben und Nervenschädigung: LG Aachen, 1999, Az: 4 O 15/98, €6,000. Die erheblichen physischen und dauerhaften Schäden erhöhten das Schmerzensgeld deutlich.

· Offene Bisswunde im Gesicht mit sichtbarer Narbe: LG Braunschweig, 2003, Az: 6 O 2659/02, €10,000. Die permanente visuelle Beeinträchtigung und die psychologischen Auswirkungen dieser Verletzung wurden hier hoch bewertet.

· Hundebiss an der Oberlippe mit teilweisem Verlust der Lippe: LG Lübeck, 2011, Az: 2 O 316/10, €12,000. Der Verlust eines Körperteils und die daraus resultierenden funktionellen und ästhetischen Einschränkungen begründen die Höhe des Schmerzensgeldes.

· Schwerste Hundebissverletzung im Gesicht, entstellende Narben: LG Berlin, 2005, Az: 10 O 415/05, €22,000. Die schwerwiegenden und lebensverändernden Folgen dieser Verletzung führten zu einem entsprechend hohen Schmerzensgeld.

· Schwerste Hundebissverletzung im Genitalbereich mit bleibenden Schäden: Saarländisches OLG, 1988, Az: 1 U 31/86, €50,000. Die besonders sensible Verletzungsregion und die schweren, dauerhaften Folgeschäden erforderten eine außergewöhnlich hohe Entschädigung.

Verfahrenswege zur Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen
Das Verfahren zur Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen beginnt üblicherweise mit der Feststellung des Schadens und der Verantwortlichkeit. Opfer von Hundebissen müssen zunächst Beweise für die Verletzung und die Umstände des Vorfalls sammeln. Anschließend ist die Einreichung einer Klage notwendig, falls eine außergerichtliche Einigung nicht erzielt wird.

Rechtsanwälte spielen eine entscheidende Rolle im gesamten Prozess. Sie beraten ihre Mandanten bezüglich der Erfolgsaussichten einer Klage, formulieren die entsprechenden Ansprüche und vertreten die Opfer vor Gericht. Die Beweislast, dass der Hundehalter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet hat, liegt laut dem Fachmagazin Gerichte & Urteile in der Regel beim Geschädigten.

Gerichte prüfen die vorgelegten Beweise und entscheiden auf Basis des deutschen Schadensersatzrechts über die Höhe des Schmerzensgeldes. Sie berücksichtigen dabei unter anderem die Schwere der Verletzung, die Dauer der Genesung und die psychischen Folgen. Richterliche Urteile in vergleichbaren Fällen können als Orientierungshilfe für die Bemessung des Schmerzensgeldes dienen.

Vorsorge und Versicherungspolicen für Besitzer gefährlicher Hunde
Zur Minimierung des Risikos von Hundebissen stehen verschiedene präventive Maßnahmen zur Verfügung. Eine grundlegende Methode ist das Training und die Sozialisierung des Hundes, um sicherzustellen, dass er sich in Gegenwart von Menschen und anderen Tieren angemessen verhält. Ebenso wichtig ist die Einhaltung von Leinenzwängen in öffentlichen Bereichen, besonders bei als gefährlich eingestuften Hunderassen wie dem Rottweiler, Pitbull und Dobermann. Zudem sollten Hundehalter stets darauf achten, dass ihr Tier nicht unbeaufsichtigt ist, besonders in Umgebungen, in denen Kinder oder andere Haustiere zugegen sind.

Die Haftpflichtversicherung für Hundehalter ist ein wesentlicher Aspekt des Risikomanagements. Sie deckt Schäden ab, die durch den Hund verursacht werden, einschließlich Verletzungen Dritter und Sachschäden. Besonders für Halter von als gefährlich klassifizierten Hunderassen ist der Abschluss einer solchen Versicherung laut einem Bericht von FinanzNewsOnline.de in vielen Bundesländern gesetzlich vorgeschrieben. Diese Versicherung dient nicht nur dem Schutz des Opfers, indem sie eine schnelle und unkomplizierte Kompensation ermöglicht, sondern schützt auch den Hundehalter vor finanziellen Belastungen durch hohe Schadensersatzforderungen.

Zusammenfassung der Rechtslage und Ausblick auf Gesetzesänderungen
In der Betrachtung der Schmerzensgeldansprüche bei Hundebissen wurden wichtige Aspekte des aktuellen Rechtsrahmens, der gerichtlichen Verfahren und der präventiven Maßnahmen beleuchtet. Schmerzensgeld dient der Kompensation für physische und psychische Leiden, die durch Hundebisse verursacht werden. Die Höhe des Schmerzensgeldes wird durch Faktoren wie die Schwere der Verletzung, die Dauer der Genesung und psychische Folgen bestimmt. Gerichte bewerten diese Fälle individuell, wobei sie sich auf vorangegangene Urteile und gesetzliche Bestimmungen stützen.

Hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen könnten Änderungen in der Gesetzgebung und Rechtsprechung aufgrund wachsender gesellschaftlicher und politischer Aufmerksamkeit für die Sicherheit von Bürgern und die Kontrolle gefährlicher Tiere erfolgen. Eine mögliche Verschärfung der Haftungsregeln für Hundehalter und präzisere Definitionen gefährlicher Hunderassen könnten in Betracht gezogen werden, um die Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen zu vereinfachen und das Risiko von Hundebissen weiter zu minimieren. (prm)
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