WW-Kurier |
Ihre Internetzeitung für den Westerwaldkreis |
|
Nachricht vom 05.12.2012 |
|
Region |
Herschbacher Andreasgemeinde feierte bewegend Geburtstag |
|
Die Andreasgemeinde feierte den 15. Geburtstag mit einem charmanten bewegenden Gottesdienst. Die Besonderheiten der evangelischen Gemeinde betonte Dekan Wolfgang Weik in seiner Gastpredigt. |
|
Herschbach. Die Herschbacher Andreasgemeinde wird 15 Jahre alt – und viele sind gekommen, um ihr zu gratulieren. Mehr als 50 Leute haben in der voll besetzten Andreaskirche einen Gottesdienst erlebt, der dem außergewöhnlichen Geburtstagskind alle Ehre gemacht hat.
Denn neben der klassischen Liturgie lassen die Herschbacher seit Jahren Raum für Elemente, die in der Landeskirche eher selten sind: moderne Lobpreissongs, die Zeit der stillen Einkehr vor dem Altar, flotte Bewegungslieder für die ganze Familie. Momente, die auch dem Geburtstagsgottesdienst seinen Charme verliehen haben – und die Dekan Wolfgang Weik in seiner Gastpredigt besonders hervorhob: „Die Andreasgemeinde ist sowohl vielen jungen Familien als auch älteren Männern und Frauen eine Heimat geworden. Hier erleben sie Offenheit; hier wissen die Menschen voneinander und sind gemeinsam im Glauben verankert.“
Außerdem betont Weik, dass die Kirche im Laufe ihrer noch jungen Geschichte zum festen Glied im kommunalen und ökumenischen Kontext geworden ist und hohe Anerkennung genießt.
Begonnen hat die Geschichte der Andreasgemeinde im Jahr 1997; ein paar Jahre, nachdem gläubige Westerwälder den Verein „Missionarische Basis Westerwald“ (MB2W) gegründet hatten, um als Christen vor Ort präsenter zu sein. Aus MB2W entstand dann einige Zeit später die Andreasgemeinde, die von Anfang an eine Tochter der Evangelischen Kirchengemeinde Rückeroth war und keinen eigenen Pfarrer hatte. Stattdessen wurde sie von Menschen auf Spendenbasis geleitet – zuerst von Jutta Digel, später von Christoph Lambrecht, Johannes Seemann und seit einigen Jahren von den Eheleuten Katrin und Michael Kleck.
Am Ende des Gottesdienstes versammelten sie alle sich noch einmal vor dem Altar und gaben dem „Geburtstagskind“ ihren ganz persönlichen Segenswunsch mit auf dem Weg. Ein bemerkenswerter Abschluss des offiziellen Teils. Vorüber war der Feier-Tag damit freilich noch nicht. Denn die zahlreichen Gäste saßen noch lange bei Kaffee und Kuchen zusammen und genossen einen schöne Feier in einer der ungewöhnlichsten Gemeinden der Landeskirche.
Einzigartige Kirchengemeinde wächst und gedeiht auf Wäller Boden
Eigentlich macht das Ehepaar Kleck eine Arbeit, die es gar nicht gibt. Seit rund fünf Jahren führen sie in der Herschbacher Andreasgemeinde durch die Gottesdienste; predigen, taufen, organisieren die Jahresplanung, kurzum: Sie tragen die wohl größte Verantwortung dafür, was in dem modernen Bau in der Peter-Klöckner-Straße 1 passiert.
„Gemeindeleiter“ wäre dafür wohl der passende Ausdruck. Aber Gemeindeleiter gibt es in der Evangelischen Kirche offiziell nicht. Es gibt Pfarrerinnen und Pfarrer. Und es gibt den Kirchenvorstand, der eine Gemeinde laut Kirchenrecht leitet.
Abgesehen davon: Ist die Herschbacher Andreaskirche überhaupt eine Kirche? Schließlich ist sie kleiner als viele Dorfgemeinschaftshäuser, hat weder bunte Fenster noch eine Empore, ganz zu schweigen von einer Orgel oder Holzbänken. Stattdessen: ein schlichter, lichter Raum mit hellgrauen Stühlen und einem farblich korrespondierenden Holzkreuz. Nicht gerade der Inbegriff des typischen Sakralbaus. Aber ein Haus mit Herz. Eines von jenen Gotteshäusern, die den Charme der Evangelischen Kirche ausmachen. Die Herschbacher Andreasgemeinde markiert nicht nur die räumlichen Grenzen der Landeskirche (die benachbarte Evangelische Kirche im Rheinland ist nur einen Katzensprung entfernt), sondern auch die inhaltlichen. Und sie zeigt besonders deutlich, dass Kirche nach wie vor von ihrer Basis abhängt. Denn ohne sie würde es die Arbeit der Klecks tatsächlich nicht geben.
Vor 15 Jahren ist die Andreasgemeinde ins Leben gerufen worden. Ihre eigentlichen Anfänge liegen indes noch weiter zurück. Denn Anfang der 1990er-Jahre gründen eine Handvoll Christen den Verein „Missionarische Basis Westerwald“, kurz: MB2W. Das Ziel der Gruppe ist es, als Christen vor Ort präsenter zu sein. Ihr Wunsch: In Herschbach soll eine Tochter der Kirchengemeinde Rückeroth entstehen. „Church Planting“ nennt sich dieses aus England stammende Konzept der Gemeindepflanzung, das der damalige Rückerother Pfarrer Werner Schleifenbaum seit den frühen 1990er-Jahren auch im Westerwald umsetzen will. Aber es gibt ein Problem: Wegen ihrer Größe steht der Kirchengemeinde Rückeroth keine weitere Pfarrstelle zu. Mit anderen Worten: Für einen Pfarrer in Herschbach fehlt das Geld.
Eine Not, aus der die gläubigen Westerwälder letztlich eine Tugend machen: Die Mittel für die Stelle sollen über den Verein MB2W getragen werden, der wiederum aus Spenden finanziert wird. Spenden von Gemeindegliedern, Unterstützern und vom Dekanat Selters, mit denen die Stelle der „Gemeindeleiter“ letztlich doch noch Realität werden soll. 1997 wird aus dem Traum Wirklichkeit: Es ist das Entstehungsjahr der Andreasgemeinde, an das sich Gründungsmitglied Hans Paal noch gut erinnert.
„Die Geburt der Gemeinde war ein ziemlich formeller Akt, bei dem kein Licht aus dem Himmel kam oder so“, erzählt er lächelnd. „Anfangs haben wir ganz sachte mit einem monatlichen Gottesdienst im Herschbacher Gemeindehaus begonnen. Die wöchentlichen kamen erst später hinzu.“ Schon in den Anfangsjahren achten die Mitarbeiter darauf, dass sie – trotz des ungewöhnlichen Trägerkonzeptes – inhaltlich unter dem Dach der Landeskirche bleiben, statt sich zu sehr in Richtung Freikirche zu bewegen.
„Es war uns von Anfang an wichtig, dass wir Teil der Evangelischen Kirche sind. Deshalb folgen unsere Gottesdienste auch der klassischen Liturgie – obwohl sie inhaltlich bisweilen sehr frei sind“, sagt Hans Paal. Eine Freiheit, die die Gemeinde auch ihrer ersten „Leiterin“ zu verdanken hat: Jutta Digel. „Sie war es, die uns in den Anfangsjahren mit ihrer lebendigen, offenen und gastfreundlichen Art sehr geprägt hat“, erinnert sich Hans Paal.
Bis Dezember 2007 leitet sie die Andreasgemeinde, und im Januar 2008 kommt das Ehepaar Kleck. Zwei junge Theologen, frisch von der Bibelschule, er ein Schwabe und sie aus Baden. Zwar erkennt die Landeskirche den Bibelschulabschluss nicht an, doch dank ihrer Prädikantenausbildung dürfen die Klecks in der Evangelischen Kirche Gottesdienste leiten, Taufen vornehmen und das Abendmahl einsetzen.
Und das tun sie nach wie vor gerne: „Schon während des Vorstellungsgottesdienstes haben wir uns in die Gemeinde verliebt“, erinnert sich Katrin Kleck. „Es war ein ausgesprochenes Geschenk, dass wir hier so wohlwollend und herzlich aufgenommen wurden. Für uns ist es nach wie vor ein Traumjob. Wir arbeiten in einer Gemeinde, die mit kaum einer anderen in der Landeskirche vergleichbar ist und können hier nahe an den Menschen in einer familiären Atmosphäre unseren Glauben weitergeben. Außerdem ist es gut, dass wir das unter dem Dach der Evangelischen Kirche tun. Denn wenn sich die Landeskirche in den öffentlichen Diskurs einbringt, wird das in der Öffentlichkeit durchaus wahrgenommen.“
Das Ehepaar fühlt sich in Herschbach und in ihrer Gemeinde also zuhause. Michael Kleck: „Wir haben hier unsere Aufgabe gefunden. Für uns ist Kirche ein Ort, an dem Gott das Beste aus uns Menschen herausholen kann. Und darin sehen wir auch die Aufgabe der Andreasgemeinde: Die Menschen sollen gestärkt werden und auftanken können, wenn sie zu uns kommen, damit jeder an seinem Ort als mündiger Christ seinen Mann oder seine Frau stehen kann.“ Der Weg zum mündigen Christen führt nach Ansicht der Klecks nur über Beziehungen. „Die Zeit der großen Missionsveranstaltungen ist vorbei. Heute spielen Freundschaft und die Nähe untereinander eine viel größere Rolle, wenn es darum geht, Glauben weiterzugeben“, meint er.
Eine Herausforderung, der das Team der Andreasgemeinde freilich nicht an allen Tagen gerecht wird. „Dadurch, dass oft neue Leute in die Gottesdienste kommen, haben wir nicht immer alle Menschen in dem Maße im Blick, in dem wir es gerne hätten“, gibt Michael Kleck zu. Und das einzigartige Gemeindekonzept – die Gottesdienstleiter werden über einen Förderverein mit Spenden finanziert – ist nach Ansicht des Ehepaares zwar ein vorbildliches Modell, aber eben auch ein Wagnis. Was es heißt, zum Großteil vom guten Willen der anderen abhängig zu sein, haben die frisch gebackenen Eltern erst vor wenigen Monaten zu spüren bekommen. Dadurch, dass ein Förderbetrag der Landeskirche ausgelaufen ist, wäre das Gehalt der Klecks deutlich zusammengeschrumpft.
„Aber Gottseidank erhalten wir zusätzliche Spenden von unserer Muttergemeinde und dem Verein MB2W, dem der Rückerother Pfarrer Gerhard Henßler vorsteht. Dadurch steht die Finanzierung auch künftig auf einem soliden Fundament.“
Trotz solcher Unwägbarkeiten wollen sich Katrin und Michael Kleck auch weiterhin auf das Wagnis Andreasgemeinde einlassen. Und dass es den Job, den sie machen, eigentlich gar nicht gibt, ist für sie mittlerweile nicht mehr wichtig. „Wir wünschen uns, dass die Andreasgemeinde mit ihren Menschen immer mehr auf Gott schaut, statt sich von den Wellen um uns herum aus der Ruhe bringen zu lassen. Das ist uns wichtig“, sagt Katrin Kleck. Und dann lächelt sie: „Außerdem hoffe ich, dass wir nicht zu engstirnig werden.“ (bon)
|
|
Nachricht vom 05.12.2012 |
www.ww-kurier.de |
|
|
|
|
|
|