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Nachricht vom 07.02.2013
Region
Diakonie bietet Beratung in Lebenskrisen
Julia Wirfs, Diplom-Heilpädagogin, verstärkt das Team der Lebensberatungsstelle des Diakonischen Werkes im Westerwaldkreis. Viele Eltern suchen Unterstützung, immer dann wenn sie mit dem Nachwuchs nicht weiterkommen. Die Anstellung ist zunächst befristet.
Sie wollen in Not geratenen Familien helfen: die Diplompädagogin Silke Stoll, der Diplompsychologe Frank Müller, die neue Mitarbeiterin der Beratungsstelle der Diakonie, Diplom-Heilpädagogin Julia Wirfs und der Leiter der Diakonie, Wilfried Kehr (von links). Foto: Peter BongradWesterwaldkreis. Julia Wirfs ist für Menschen da, die nicht mehr weiter wissen. Die 29-jährige Diplom-Heilpädagogin ist die Neue im Team Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle des Diakonischen Werks in Westerburg.

Gemeinsam mit ihren Kollegen, dem Diplompsychologen und Leiter der Psychologischen Beratungsstelle, Frank Müller, sowie der Diplompädagogin Silke Stoll kümmert sie sich um Paare, die in einer schwierigen Phase stecken; um Eltern, die das Gespräch suchen und um Männer und Frauen in Lebenskrisen. Eine wichtige, aber keine leichte Arbeit, die Julia Wirfs im Dezember angetreten hat. Denn die Situation wird in vielen Familien ihrer Ansicht nach immer dramatischer, und viele Eltern sind mit ihrer Rolle oft überfordert.
„Die Überforderung zeigt sich vor allen Dingen darin, dass es vielen Eltern schwerfällt, eine gute Balance zwischen dem Setzen von Grenzen und Zuwendung zu finden“, glaubt Julia Wirfs. „Es gibt heute zu wenige klare Orientierungen für den Nachwuchs. Gleichzeitig wird ihm schon früh sehr viel zugemutet – sowohl was die Freizeitaktivitäten als auch die Entscheidungsfähigkeit der Jungen und Mädchen angeht.“
Endlose Diskussionen bringen eben nichts, glaubt die Heilpädagogin; klare Grenzen und positive Beziehungsangebote schon. „Sonst fühlen sich auch die jungen Menschen überfordert und werden dadurch völlig verunsichert, was einen negativen Einfluss auf die Bindungen und Beziehungen zwischen Eltern und Kindern und die Entwicklung der jungen Menschen hat.“

Ihr Kollege Frank Müller macht unterdessen ähnliche Beobachtungen: „Mittlerweile sind diese Störungen immer seltener nach außen gerichtet, sondern richten sich nach innen. Das ist besorgniserregend. Denn mit einem aggressiven, aufsässigem Kind kann ich einfacher ins Gespräch kommen als mit einem, das sich verweigert.“
Julia Wirfs und ihre Mitarbeiter versuchen es dennoch und merken regelmäßig, dass ihr Engagement nicht umsonst ist. „Erst neulich hatte ich einen Jungen bei mir; einen Schulverweigerer, zu dem ich kaum einen Draht finden konnte. Also habe ich ihm erst einmal zugehört und seine Stärken in den Blick genommen. Und genau das hat er gebraucht. Er besucht wieder die Schule und hat neuen Mut geschöpft“, erzählt die Heilpädagogin.

Momente wie diese machen den Mitarbeitern der Diakonie Mut. „Es gibt keine hoffnungslosen Fälle. Es kommt auf die kleinen Schritte an“, sagt Julia Wirfs. „Denn die bleiben hängen, wenn ich abends nach Hause fahre – bei aller Belastung, die der Beruf selbstverständlich mit sich bringt.“
Eine Belastung, die zwar hoch, aber bewältigbar ist. Zumindest vorerst: Denn die Hälfte der Vollzeitstelle Julia Wirfs' ist befristet. „Wegen des hohen Bedarfs an Familienunterstützung haben sich die Landeskirche und die evangelischen Dekanate im Westerwald bereiterklärt, eine zusätzliche halbe Stelle drei Jahre lang zu finanzieren“, erklärt der Leiter der Diakonie, Wilfried Kehr. „Nach dieser Zeit wären wir auf die Unterstützung des Kreises als Kostenträger angewiesen. Aber ob das geschieht, ist noch völlig offen“, meint Kehr.

Der Bedarf ist freilich allemal da: „Ich kann nur ein gewisses Kontingent an Familien beraten und begleiten. Falls es zu viele werden, leidet die Qualität und man spult nur noch ein Programm ab. Und genau diese Gefahr sehe ich, wenn die Hälfte meiner Stelle nach drei Jahren wegfällt.“ Ein Gedanke, der dem Team der Diakonie Unbehagen bereitet – einerseits wegen der dann kaum noch zu bewältigenden Belastung, anderseits wegen der fehlenden Kontinuität. „In diesem Beruf kommt es darauf an, dass Familien und die mit uns kooperierenden Institutionen, etwa das Jugendamt, die Kitas oder die Schulen, ein verlässliches Gegenüber haben – und nicht, dass ihnen ständig ein neuer Mitarbeiter vorgesetzt wird, zu dem sie wieder neues Vertrauen aufbauen müssen“, sagt Wilfried Kehr.

Doch innerhalb dieser drei Jahre möchte Julia Wirfs ihren Kunden genau dieses vertrauensvolle Gegenüber sein. Und sie hofft, dass sie nicht nur dann eine Hilfe ist, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. „Ich würde gerne präventiver arbeiten, also die Eltern darüber aufklären, welche Bedürfnisse das Kind hat, was gute Bindungen sind und so weiter.“ Aber unabhängig davon, ob Julia Wirfs den Familien präventiv oder im akuten Fall hilft: „Ich möchte ihnen Mut machen und Gutes säen. Das motiviert mich. Auch wenn ich die Ernte nicht immer erlebe.“ (bon)

ZUSATZ:
Die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatung des Diakonischen Werkes im Westerwaldkreis ist ein kostenloses Angebot für Paare, Eltern, Kinder und Jugendliche sowie Hilfe suchende Menschen. Die Beratungen sind kostenfrei und garantieren Verschwiegendheit. Ansprechpartner für weitere Informationen sind Diplompsychologe Frank Müller, Telefon 02663/9430-21, E-Mail: f.mueller@diakonie-westerwald.de; Diplom-Heilpädagogin Julia Wirfs, Telefon 02663/9430-20 (j.wirfs@diakonie-westerwald.de) und Diplom-Pädagogin Silke Stoll, Telefon 02663/9430-23, E-Mail s.stoll@diakonie-westerwald.de.
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