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Nachricht vom 25.08.2014 |
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Region |
Uli Schmidt, der „Macher“ des Westerwalds |
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Uli Schmidt ist den Lesern des WW-Kurier vertraut, denn er ist ein „Macher“ im Westerwald für die Bereiche Soziales und Kultur. Ohne den umtriebigen Horbacher wäre die Region ärmer an Veranstaltungen. Der WW-Kurier traf Schmidt zum Interview. |
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Horbach. Herr Schmidt, Sie engagieren sich sehr für soziale Projekte im Westerwald: Sie sind Vorstand im Förderverein des Seniorenheims in Horbach, als solcher organisieren und begleiten Sie die „555er“ und Sie sind Sprecher des Forums Soziale Gerechtigkeit, deshalb leiten Sie Informationsveranstaltungen und Diskussionen.
Uli Schmidt: Ich arbeite seit 21 Jahren im Sozialministerium in Mainz, das ermöglicht mir Kommunalpolitik in Bezug zur Landesebene. Im Lauf der Jahre habe ich mir ein Netzwerk aufgebaut. Früher engagierte ich mich in der Jugendarbeit, in der Jugendzentrumsbewegung im Westerwald und erfuhr dabei, dass man etwas bewegen kann, wenn man sich einsetzt und dass das Spaß macht. Da war es nahe liegend, etwas Soziales zu studieren. Da ich Rudolf Scharping kannte und schätzte, ging ich zu ihm nach Mainz.
Sie sind Mitglied im Kreistag. Gibt Ihnen das auch die Möglichkeit, soziale Verbesserungen durchzusetzen? Können Sie Ihre Erfahrungen aus der Freizeit politisch gestaltend einbringen?
Uli Schmidt: In politischen Gremien kann man am wenigsten politisch bewegen! Im Kreistag kann man nur eine schöne Rede halten, aber nichts direkt bewirken. In den Verbandsgemeinderäten sieht es noch bescheidener aus. Die Möglichkeit was voranzubringen haben eher die Ortsbürgermeister, zumindest wenn sie Ideen und Tatkraft vereinigen. Das ist zumindest meine Erfahrung in diesen Ämtern und Gremien. Dabei gibt es durchaus noch Änderungsbedarf: So könnten die zehn VG-Wasserwerke zu einem Kreiswasserwerk vereint werden und dadurch bessere Strukturen bei geringeren Kosten auch auf diesem Gebiete geschaffen werden. Im Bereich Abfall läuft das ja bereits sehr erfolgreich mit der Westerwald-Abfall-Beseitung (WAB). Warum soll so etwas nicht auch beim Wasser und Abwasser gut funktionieren?
Um sozialpolitische Dinge zu bewegen, muss man die verschiedenen Interessen in der Region zusammenbringen: Parteien, Kostenträger, Betroffene und Angehörige, Organisationen und Wohlfahrtsverbände, Fachleute sowie Einrichtungen. Jeder hat ein anderes Interesse, deshalb habe ich vor fünf Jahren das „Forum Soziale Gerechtigkeit“ gegründet. Jeden Monat organisieren wir eine Veranstaltung zu wechselnden sozialen Themen. Das Forum ermöglicht mir Kontakt zu allen Akteuren.
Im sozialen Bereich gibt es viele Missstände. Besonders alte und pflegebedürftige Menschen sind der bürokratischen und pflegerischen Willkür ausgesetzt. Je ländlicher man wohnt, desto weniger Alternativen hat man als Pflegebedürftiger. Ist dieses Problem Politikern bewusst? An wen können sich Hilfesuchende oder Beschwerdeführer wenden?
Uli Schmidt: Bei Fragen und Beschwerden rund um das Thema Pflege sollte man den örtlich zuständigen Pflegestützpunkt einschalten. Es gibt 135 in Rheinland-Pfalz, davon acht im Westerwaldkreis. Die Pflege ist ein ganz großes Problem. Den Pflegestandard von heute werden wir nie mehr erreichen, denn es gibt immer mehr Pflegefälle, aber immer weniger junge Leute, die künftig Pflegeberufe ausüben wollen und werden. Deshalb müssen wir uns darauf einstellen, dass wir künftig sehr auf technische Hilfsmittel angewiesen sein werden. Zwar waren bei unserer Veranstaltung zu diesem Thema die Senioren massiv dagegen, aber es ist eine ganz einfache Rechnung, die belegt, dass es in Zukunft ohne Roboter nicht gehen wird. Diese werden Routineaktionen wie das Erinnern, dass man trinken muss, übernehmen. Die Forschung ist in diesem Bereich schon weit gediehen. Wir planen für 2015 mit dem Forum eine Veranstaltung zum möglichen Einsatz von „Robotern“ in der Pflege.
Sie sind Vorstand im Förderverein des Ignatius-Lötschert-Hauses und gehen mit den Senioren die schon nach nur einem Jahr legendären 555 Schritte.
Uli Schmidt: Das war eine einfache Idee, die am Anfang belächelt wurde, aber jetzt gut angenommen wird. Meine Mutter und Schwiegermutter sind dabei, daher weiß ich, wie wichtig für das körperliche und seelische Wohlbefinden diese Unternehmungen sind.
Dass wir eine Gesellschaft mit immer mehr alten Menschen sind, ist verstanden worden. Inzwischen werben schon Häuser mit ihrer Barrierefreiheit und bei Neugestaltungen kommen technische Hilfen – Rampen, Lifte, breite Türen, behindertengerechte Toiletten – immer häufiger vor. Das ist mit Ihr Verdienst, weil Sie hartnäckig auf Mängel hinwiesen.
Uli Schmidt: Man braucht zur Durchsetzung einen langen Atem. Den habe ich wohl, damit konnte ich bereits in der Jugendarbeit einiges durchsetzen. Inzwischen wissen die Leute, dass der Uli Schmidt sich nicht so einfach aufhalten lässt.
Zum Thema Inklusion veranstalten wir künftig alle zwei bis drei Jahre eine Tagung im Westerwald mit Fachleuten, Politikern und Betroffenen. Damit wollen wir in regelmäßigen Abständen mit vielen Beteiligten prüfen, wie weit wir vorangekommen sind bei der vollständigen Gleichstellung von Menschen mit einer Behinderung.
Sie sind auch auf kulturellem Gebiet sehr aktiv als Vorsitzender der Kleinkunstbühne Mons Tabor e.V. Die Westerwälder Kabarettnacht ist ein Erfolgsmodell. Sie läuft von allein und ist kaum auf Werbung angewiesen. Anders sieht es teilweise bei den oft sehr ungewöhnlichen Darbietungen der Reihe „Musik in alten Dorfkirchen“ aus, bei der Sie Musiker aus der ganzen Welt in den Westerwald holen. Wie finanzieren Sie diese hochwertigen Veranstaltungen? Gibt es von irgendeiner Seite eine Ausfallgarantie? Wie viele Helfer haben Sie bei den Kulturveranstaltungen?
Uli Schmidt: Die Kleinkunstbühne konnte ich vor fast 28 Jahren mit einigen Freunden gründen. Das hat sich aus der Jugendarbeit mit Jugendfestivals entwickelt, die wir vorher als „Arbeitsgemeinschaft Jugend (AGJ)“ gemeinsam organisiert haben. Die Kleinkunstbühne funktioniert auf professionellem Niveau. Ein Dutzend Helfer, die ich teilweise schon seit der Jugendarbeit kenne und von denen jeder seine feste Funktion hat – Vorverkauf, Technik, Presse, Catering, usw., die managen das weitgehend selbstständig. Zuverlässigkeit ist dabei das Wichtigste. Wir haben lange daran gearbeitet, dass die Kirchen voll werden. Der Chef des Kultursommers, Dr. Jürgen Hardeck, der aus Hachenburg kommt und den ich schon lange kenne, besitzt eine hohe Fachlichkeit und unterstützt uns wo er kann. Für die Weltmusik bin ich weltweit vernetzt, das ergibt sich so in vielen Jahren. Das Internet macht die Arbeit leichter. Die Abläufe sind jedes Jahr gleich. Für das Finden der Veranstaltungsorte ist die persönliche Ebene wichtig, die evangelischen Kirchen haben sich als zugänglicher erwiesen. Als Sponsor konnten wir die KSK und die Naspa gewinnen, dafür garantieren wir ihnen einen hohen Werbewert als Gegenleistung. Unterstützung bekommen wir aber auch von anderer Seite: Beispielsweise der Kulturkreis der VG Selters beteiligt sich jährlich an den Kosten für zwei Konzerte und hilft uns bei der Organisation.
Sie sind Gründungsmitglied des Westerwaldvereins, Zweigverein Buchfinkenland.
Uli Schmidt: Das Buchfinkenland ist der südliche Zipfel des Westerwalds: Horbach, Gackenbach und Hübingen. Den Zweigverein Buchfinkenland durfte ich zusammen mit unserem Förster Manfred Henkes und einigen anderen Heimat- und Naturschützern vor 30 Jahren gründen. Es macht immer noch Spaß sich gemeinsam für unsere Kleinregion einzusetzen.
Als versierten Fahrradfahrer der RSG Montabaur und Mitglied im Radlerteam „Equipe France“ kennt man Sie ebenfalls.
Uli Schmidt: Bei der RSG Montabaur 1988 bin ich fast seit dem ersten Tag dabei. Mittlerweile ist das aber leider ein reiner Triathlon-Verein geworden. Die von den heimischen Radsportvereinen RSG Montabaur und RSV Oranien Nassau getragene „Equipe France“ besteht aus etwa zehn Deutschen und zehn Franzosen. Das Fahrradfahren schweißt über Landesgrenzen hinweg zusammen. Und es ist etwas Besonderes, mit Franzosen in Frankreich im Rahmen von Städtepartnerschaften zu radeln. Nächstes Jahr wollen wir eine deutsch-französische Friedensfahrt veranstalten und dabei die Kriegsschauplätze und Gedenkstätten besuchen, an denen sich unsere Vorfahren gemeuchelt haben.
Wie bringen Sie die vielen Aktivitäten zusätzlich zu Ihrer Berufstätigkeit unter einen Hut?
Uli Schmidt: Alles parallel geht nur, wenn es Spaß macht. Die Grenzen zwischen beruflicher und privater Tätigkeit sind manchmal fließend, z.B. wenn es um soziale Themen geht. Man muss aber einigermaßen gut organisiert sein, über ein gutes Netzwerk und viele Unterstützer verfügen und etwas Erfahrung ist sicher auch hilfreich. Ebenso natürlich gute Kontakt zu den Lokalmedien. Außerdem bin ich nicht mehr so provokativ wie früher, dafür nachhaltig und überall in den Gremien präsent, um mit Nachdruck ansetzen zu können, wenn mir eine Sache wichtig ist.
Herr Schmidt, wir danken Ihnen für das ausführliche Gespräch.
Die Fragen stellte Helmi Tischler-Venter.
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Nachricht vom 25.08.2014 |
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