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Nachricht vom 30.09.2015
Region
„Wir werden absehbar an unsere Grenzen stoßen “
Flüchtlinge im Westerwaldkreis: Kreis, Verbands- und Ortsgemeinden stemmen „Herkulesaufgabe“ bislang erfolgreich – Bitte an die Bevölkerung um Mithilfe. Wohnraum und ehrenamtliche Dolmetscher für Arabisch dringend gesucht. Aufgabe des Kreises ist auch konsequente Rückführung rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber.
Montabaur. Die Flüchtlingswelle aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und zahlreichen anderen Ländern hat inzwischen auch den Westerwaldkreis erreicht. Am heutigen Donnerstag, 1. Oktober trafen 57 Flüchtlinge, darunter auch 18 Kinder, im Kreishaus ein. Mehr als je zuvor an einem Tag. Die Neuankömmlinge wurden in Empfang genommen und erhielten mittels einer Powerpoint-Präsentation in sieben Sprachen alle für sie zunächst wichtigen Informationen über den Westerwaldkreis und die weitere Verfahrensweise. Danach wurden die Flüchtlinge per Taxi auf jeweiligen Verbandsgemeindeverwaltungen verteilt. Diese Prozedur spielt sich jeweils dienstags und donnerstags im Foyer der Kreisverwaltung ab.

Das Land Rheinland-Pfalz muss nach dem so genannten Königsteiner Schlüssel, der sich nach der Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft der Bundesländer bemisst, 4,8 Prozent der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge übernehmen. Wiederum 5 Prozent davon werden nach ihrem Aufenthalt in einer Erstaufnahmeeinrichtung, etwa in Trier, Diez und demnächst wohl auch auf dem Stegskopf, dem Westerwaldkreis zugewiesen. Im Jahre 2015 sind bis jetzt 1.048 Migranten dem Westerwaldkreis zugewiesen worden, bis zum Jahresende rechnet man mit insgesamt über 2.000 Zuweisungen. Derzeit gibt es im Kreis 1.251 (Stand 30. September) Leistungsbezieher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, für die der Kreis den Lebensunterhalt und Unterkunftskosten sicherstellt. „Diese Leistungen sind vom Kreis zu erbringen. Die dafür seitens des Landes geleistete Pauschalerstattung reicht zur Deckung der tatsächlichen Kosten bei weitem nicht aus“, betont Landrat Achim Schwickert.

Da ein Abreißen des Flüchtlingsstroms derzeit nicht absehbar ist, dürfte nach Einschätzung der Kreisverwaltung spätestens im nächsten Frühjahr auch im Westerwaldkreis der Wohnraum knapp werden. Der Kreis appelliert deshalb dringend an Hausbesitzer, verfügbare Wohnungen an den Ortsbürgermeister oder die zuständige Verbandsgemeindeverwaltung zu melden. Hierbei sollte auch an leere Zweitwohnungen, an Ferienapartments oder an den Ausbau von Souterrain- und Dachgeschosswohnungen gedacht werden. Mieter ist in diesen Fällen die Verbandsgemeinde, sodass kein finanzielles Risiko für einen Mietausfall besteht.

Für die Kriegsflüchtlinge aus Syrien, die derzeit das Gros der Asylbewerber ausmachen und deren Anträge durchweg positiv beschieden werden, dürfte eine Rückkehr in ihre Heimat auf absehbare Zeit kein Thema sein, viele werden dauerhaft in Deutschland bleiben. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten Flüchtlinge junge Männer sind, rechnet man im Westerwaldkreis im Gegenteil mit vielfachem Familiennachzug. Dagegen ist der Kreis intensiv bestrebt, ausreisepflichtige Personen, insbesondere Migranten aus dem Kosovo und anderen Westbalkanstaaten, entweder zur freiwilligen Ausreise zu bewegen oder, sofern das nicht gelingt, in ihre Herkunftsländer beziehungsweise – in Anwendung des Dubliner Übereinkommens – auch in den EU-Mitgliedsstaat abzuschieben, in den der betreffende Asylbewerber zuerst gereist ist. Im Rahmen der Landesinitiative Rückkehr sind im Jahre 2014 insgesamt etwa 900 Personen aus Rheinland-Pfalz ausgereist, davon 97 aus dem Westerwaldkreis. In diesem Jahr verzeichnet der Kreis bis jetzt schon 128 freiwillige Rückkehrer, ein Ergebnis erfolgreicher Überzeugungsarbeit durch den mit dieser Aufgabe betrauten Mitarbeiter Thorsten Ehrenfried.

Der Westerwaldkreis sieht aber auch die konsequente Rückführung rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber als seine Aufgabe an und hat in diesem Jahr bereits 51 Personen, davon 42 aus dem Westbalkan, abgeschoben. In 2015 sind aber auch bereits elf Abschiebungen gescheitert, weil die betroffenen Personen entweder untergetaucht waren oder sich während der Abschiebung, etwa im Flugzeug, derart renitent verhielten, dass die Maßnahme abgebrochen werden musste.

Ohnehin, so weiß Elisabeth Augel, Leiterin des Ausländerreferates bei der Kreisverwaltung, zu berichten, ist die Rückführung eine menschlich und administrativ schwierige, kostenintensive und nicht selten frustrierende Tätigkeit. Oftmals bedarf es aufgrund einer Erkrankung oder einer Passlosigkeit des Ausreisepflichtigen jahrelanger Vorarbeit. Die eigentliche Abschiebung erfordert nicht selten einen erheblichen Personalaufwand, insbesondere bei der Polizei, aber auch seitens der Verwaltung. So sind bei einer kürzlich durchgeführten Rückführung einer fünfköpfigen Familie aus Serbien, die teilweise von einem Arzt begleitet werden musste, Kosten in Höhe von rund 10.000 Euro entstanden. Die Familie ist inzwischen wieder in den Westerwaldkreis zurückgekehrt und hat einen Folgeantrag gestellt. Hauptproblem hier wie in praktisch allen anderen Fällen: Der Antrag wird beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), wo sich bundesweit derzeit Hunderttausende von Anträgen stapeln, nicht zeitnah bearbeitet werden können. In diesem Jahr wurden bislang 80 Folgeanträge gestellt.

Trotz aller Schwierigkeiten setzt man beim Westerwaldkreis alles daran, die bevorstehende Herkulesaufgabe erfolgreich zu bewältigen. Landrat Achim Schwickert hofft dabei auch auf die Mithilfe der Bürger – zum Beispiel sucht die Verwaltung derzeit dringend ehrenamtliche Dolmetscher für Arabisch – und auf deren Verständnis, wenn es einmal haken sollte. „Die Orts- und Verbandsgemeinden und wir als Kreis tun unser Mögliches, aber wir werden absehbar an Grenzen stoßen“, meint Landrat Schwickert abschließend.
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