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Nachricht vom 11.08.2016
Region
Windkraft ja oder nein - ein Selbstversuch
Journalisten sollten den Dingen über die sie berichten und schreiben auch mal auf den Grund gehen. Das ist oftmals unmöglich weil es viel Zeit erfordert und man ja letztlich an den finanziellen Ressourcen scheitert. Aber manchmal hilft bei strittigen Themen ein Selbstversuch.
Infraschall und Schlagschatten-Auswirkungen von Windrädern sollten ernsthaft untersucht werden. Fotomontage: Wolfgang TischlerRegion. Das Thema Windkraft spaltet die die Region und die Menschen im gesamten Westerwald. Da gibt es die Befürworter der Energiewende, die auf Sonne und Wind setzen. Der Strom kommt ja schließlich nicht nur aus der Steckdose, er muss ja irgendwo erzeugt werden. Die meisten Menschen befürworten den Ausstieg aus Atom- und Kohleenergie. Aber irgendwo her muss der Strom ja kommen. Bürgerinitiativen schießen wie Pilze aus dem Boden, die sich gegen Windkraftanlagen richten. Ein Widerspruch, der sich beim Bau alternativer Energieanlagen ebenso offenbart wie beim Bau neuer Stromtrassen. Jeder will Strom, billig, sicher, aber möglichst keine Trasse oder Erzeugeranlage vor der Haustür.

Wind und Sonne. Klingt ja erst einmal gut, muss man ja nicht bezahlen. Es werden keine Landschaften zerstört (Braunkohle) und den Enkeln hinterlassen wir keinen unbeherrschbaren Atommüll. Aber ist das wirklich so einfach? Was ist mit Natur, Umwelt, mit den Menschen die derzeit hier leben? Zwei Kritikpunkte der Windkraftgegner : Schlagschatten und Infraschall – die Auswirkungen auf Menschen. Also mal ein Selbstversuch, 12 Stunden in der gesetzlich vorgeschriebenen Nähe eines Windrades leben und arbeiten. Das wurde durchgesetzt. Und ein geeignetes Objekt gefunden. Bewohner eines Aussiedlerhofes an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen konnten sich nicht gegen die Errichtung eines Windrades in unmittelbarer Nähe wehren. Es wurde genehmigt und von einem privaten Betreiber auf der RLP-Seite errichtet. Sie mussten an den Sonnentagen den Schlagschatten und den Windtagen die Geräusche hinnehmen.

Im Bauernhaus hatte man schon nach kurzer Zeit die Negativauswirkungen auf das tägliche Leben bemerkt und mit einer Neuordnung der Räume begonnen. Nur die Küche, Hauptarbeitsraum der Landwirtin und Treffpunkt der Familie ließ sich nicht verändern. Auf dem Hof gab es viel Platz, viele Zimmer mit Glas um den atemberaubenden Blick auf das Bergische Land und den Westerwald genießen zu können. Der ideale Platz für einen solchen Test. „An Sonnentagen mit Wind kann man hier verrückt werden, egal wo man ist, in der Küche, im Garten, im Wohnzimmer, überall bewegt sich was, es gibt keine Ruhe“, hatte die Frau des Hauses bei der ersten Kontaktaufnahme berichtet. Außerdem höre sie ständig ein Surren, mal mehr, mal weniger. Der Hausherr hört es nicht, der Sohn, der in der Landwirtschaft mitarbeitet auch nicht. Die weiteren Familienangehörigen sind da nicht hilfreich, alle haben zum „Surren“ eine unterschiedliche Wahrnehmung.

Eines stört nach intensiven Gesprächen alle: die ständigen Bewegungen des Schlagschattens. Der stört sogar die fröhliche Runde im Garten bei Erdbeerkuchen und Kaffee. Nichts ist mehr ruhig im Blickfeld, egal wo man ist und was man tut. Nur bei Dunkelheit. Dem Aufenthalt auf dem Hof steht nichts im Wege, ein windiger heller Sommertag scheint ideal.

Im Wohnzimmer mit einem herrlichen Blick in die Natur wird der Laptop aufgebaut, die Arbeit beginnt. Trotz der ungewohnten Umgebung läuft es zunächst, doch dann wird es zunehmend schwieriger. Die Reflexionen des Schattens, selbst im Zimmer, zwingen zur Pause, da sie nerven. Also ab in die Küche des Hauses, da kann es ja eigentlich nur besser sein, da derzeit der Sonnenstand hier Schattenlage verspricht. Fenster auf, frische Morgenluft reinlassen und weiterarbeiten. Es geht, aber nach ungefähr einer Stunde zwingt die Hand immer häufiger auf die Ohren zu drücken. Etwas irritiert und stört die Konzentration. Tinnitus? Nach einer weiteren Stunde unerträglich, aufhören ist angesagt.

Raus in den Garten, Pause, mal was ganz anderes machen. Bohnen pflücken und Unkraut jäten steht auf dem Programm. Schön ist es in dem Bauerngarten, aufatmen. Zweifel an den Schilderungen der Familie kommen auf, doch nach einer halben Stunde ist dieser komische Druck auf den Ohren wieder da. Die Hände gehen fast automatisch zu den Ohren, drücken und versuchen das lästige Gefühl los zu werden. Auch das Sichtfeld nervt. Blick auf das nahe Windrad, es dreht sich fleißig und produziert Strom.

Das Wetter ändert sich, der Wind lässt an diesem Tag nach, Wolken ziehen auf. Die Rotorblätter stehen am Nachmittag still. Von der Familie wird das begrüßt, die rund 60 Milchkühe müssen jetzt versorgt werden und angeblich sind sie bedeutend ruhiger, wenn das Windrad still steht. Also ab in den Melkstall. Dort herrscht emsiges Treiben, die Tiere werden im Offenstall versorgt und sollen anschließend in den Melkstand. Nehmen Tiere, in diesem Fall Milchkühe, Schlagschatten oder Infraschall überhaupt wahr? Laut den Schilderungen des Landwirtes sind die Tiere wesentlich ruhiger wenn die Windkraftanlage still steht.

Dies betreffe auch die Mutterkühe und ihre Kälber draußen auf der Weide. Also ab auf die Weide zu den Kälbchen und ihren Müttern. Acht Kälber und ihre Mütter sind hier und genießen den Sommertag. Ein schönes friedliches Bild. Vogelgezwitscher übertönt die Verkehrsgeräusche der nahen Kreisstraße. Was ist da wirklich dran an den Schilderungen der Windkraftgegner?

Nachdenken, beobachten, sondieren, analysieren, Fakten sammeln ist angesagt. Plötzlich ändert sich das friedliche Bild auf der Weide, die Kälber drängen sich an die Mutterkühe. Ein Fuchs oder Hund? Es ist nichts Aufregendes zu entdecken. Aber das nur knapp 500 Meter entfernte Windrad läuft wieder.

Der Tag im Selbstversuch in der Nähe einer Windkraftanlage geht zu Ende. Es ist dunkel geworden, kein Schlagschatten trübt das Blickfeld und in Dämmerung gibt es noch Leckeres vom Grill. Das Angebot, die Nacht auf dem Anwesen zu verbringen wird abgelehnt. Die Ohren/Sinnesnerven und die nervösen Hände, die dauernd versuchen die Irritationen auszugleichen, zwingen dazu.

Fazit: Infraschall und Schlagschatten-Auswirkungen sollten ernsthaft untersucht werden. Die Auswirkungen auf Menschen und Tiere sind bislang nicht ausreichend belegt und erforscht und bevor man ganze Regionen in bewohnten Gebieten einer Windkraftlobby opfert, sollte man dies wissenschaftlich mit Experten völlig wertneutral und ergebnisoffen prüfen. Die Möglichkeiten sind ja vorhanden. Im Selbstversuch gibt es ein sehr persönliches Ergebnis: Wird in meiner unmittelbaren Umgebung eine Windkraftanlage gebaut, werde ich diesen Wohnort verlassen. Meine Empfehlung an alle, die derzeit im Westerwald und an der Sieg für die Errichtung von Windkraftanlagen plädieren: Einen Tag im Schatten einer solcher Anlage verbringen. Helga Wienand-Schmidt
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