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Nachricht vom 18.09.2016
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Die Rolle von Partnerschaft, Liebe und Sexualität in der Suchttherapie
Wie wichtig sind gelingende Partnerschaft und erfüllende Sexualität für ein Leben frei von Sucht? Was, wenn sich keine Partnerin findet? Welchen Einfluss haben liebevolle Elternbeziehungen zum Kind auf die Fähigkeit zu lieben? Diese und ähnliche Fragen beschäftigten die Teilnehmenden der Tagung „Sucht und Sexualität - Mann (S)sucht Liebe" im Fachkrankenhaus Vielbach.
Werner Dinkelbach, Psychoanalytiker aus Andernach, informierte das Fachpublikum über die negativen Auswirkungen von im frühen Kindesalter erlebten Beziehungsstörungen. Foto: VeranstalterVielbach. Etwa 200 Fachkräfte der Suchthilfe aus ganz Deutschland, der Schweiz und Luxemburg diskutierten mit Experten einen ganzen Tag lang zum Thema.

Die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler unterstützte in ihrem Grußwort ausdrücklich, dieses längst überfällige Thema als Voraussetzung für eineerfolgreiche Suchtrehabilitation wissenschaftlich und praktisch anzugehen.

Werner Dinkelbach, Psychoanalytiker aus Andernach, referierte darüber, wie sich im frühesten Kindesalter erlebte Störungen in der Beziehung zur Mutter sowie psychischer Stress auf die Beziehungsfähigkeit der Betroffenen auswirken. In der Folge entstünde nicht selten eine Suchtmittelabhängigkeit. Die Vielbacher Aktivitäten, dieses Thema in die Behandlung ihrer Rehabilitanden zu integrieren, begrüßte er ausdrücklich.

Die Multifunktionalität der Sexualität, männerspezifische Aspekte sexuellen Verhaltens sowie Störungen desselben standen im Fokus des Vortrags von Dr. Frank Goldbeck, stellvertretender Ärztlicher Direktor der Klinik Nette-Gut für Forensische Psychiatrie in Andernach. Er verstand es gut, den Zuhörern deutlich zu machen, weshalb sexuelle Grenzverletzungen vorrangig ein männerspezifisches Problem ist.

Was die Vielbacher Patienten zum Themenkomplex Partnerschaft, Liebe und Sexualität bewegt, war Thema verschiedener anonymer Befragungen und Untersuchungen, die während der letzten zwei Jahre in der Klinik vorgenommen wurden. Über die Ergebnisse berichtete Klinikleiter Joachim J. Jösch. 57 Prozent aller in Deutschland behandelten Suchtrehabilitanden seinen alleinstehend. Die Patienten seines Fachkrankenhauses lebten sogar zu 80 Prozent nicht in Partnerschaft, von denen wünschten sich aber 82 Prozent eine Partnerschaft. Weniger als die Hälfte der Patienten sei bei den leiblichen Eltern aufgewachsen. 84 Prozent gaben an, eine Partnerschaft würde ihnen ein Leben ohne Suchtmittel ganz wesentlich erleichtern. Anschließend stellte er durch die Untersuchungsergebnisse angestoßene konzeptionelle Neuerungen der Klinik vor.

Horst Kurzer, Ärztlicher Leiter des Fachkrankenhauses, sprach über die medizinische wie die therapeutische Bedeutung, die Sexualität und der Wunsch nach Partnerschaft in der aktuellen Behandlung der Patienten hat. Sexuelle Störungen würden von diesen inzwischen beim Arzt viel häufiger und ohne Scham angesprochen.

Nachmittags konnten die Vortragsthemen in Arbeitsgruppen vertieft werden. In einer Gruppe ging es auch, entsprechend dem naturgestützten Therapieansatz der Klinik, um die Rolle von Tieren bei der Heilung von Bindungs- und Beziehungsstörungen. Referentin war hier Sonja Darius, Leiterin des Pflege- und Erziehungsdienst der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hachenburg, die mit den beiden Vielbacher Eseln Greta und Lu therapeutisch arbeitet.

Moderator Professor Dr. Robert Frietsch von der Hochschule Koblenz konnte zum Tagungsabschluss feststellen: „Wenn die Suchtrehabilitation nachhaltigen Erfolg haben soll, braucht es mehr als Abstinenz und Arbeit. Wie der fehlende Aspekt Partnerschaft, Liebe und Sexualität gelingend in die stationäre Suchttherapie integriert werden kann wurde heute eindrucksvoll aufgezeigt und diskutiert. Das war eine wichtige und mutige Tagung zur Weiterentwicklung der Behandlung Suchtkranker."
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