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Nachricht vom 18.01.2017 |
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Große Täuschung des IS: Christoph Reuter sprach im Kulturwerk |
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Wenn der Journalist und Kriegsberichterstatter Christoph Reuter den Islamischen Staat (IS) in einem Wort zusammenfassen müsste, dann wäre es „Täuschung“. Im Kulturwerk hielt der Spiegel-Korrespondent einen interessanten Vortrag mit überraschendem Detailwissen über den unbemerkten Aufstieg des IS. |
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Wissen. Der Islamische Staat (IS) ist in einem Wort zusammengefasst eine „Täuschung“, sagte Spiegel-Korrespondent Christoph Reuter am Mittwochabend, den 18. Januar im Kulturwerk.
Reuter studierte einst Islamwissenschaft, Politikwissenschaft und Germanistik an der Universität Hamburg und ging auch im Rahmen des Studiums nach Syrien. Seit rund 20 Jahren berichtet er von den Brennpunkten der Welt aus, mit den Schwerpunkten Naher Osten und Afghanistan. Daher erlebte er auch den Aufstieg des IS, bevor in Deutschland überhaupt jemand davon wusste.
Im April 2015 erschien sein Buch „Die schwarze Macht: Der »Islamische Staat« und die Strategen des Terrors“, das sich auf gefundene Dokumente des Anführers des IS, Abu Bakr al-Baghdadi (Ibrahim Awad Ibrahim al-Badri), und vielfältige Kontakte und jahrelange Recherchen, stützt. Es bietet neue Einblicke in die Entstehung und Entwicklung des IS und macht vor allem deutlich, dass der IS alle getäuscht hat.
Alles begann im Frühling 2003, als der amerikanische Präsident George W. Bush im Irak Krieg führte. Zivilverwalter Paul Bremer erließ damals einige Verordnungen, die für umfassende Privatisierungsmaßnahmen, ein Verbot der Baath-Partei und der Armee-Auflösung sorgten. Mit diesem Vorgehen schuf er sich 350.000 neue „Todfeinde“, wie es Reuter ausdrückte, da diese nun arbeitslos wurden. Die Perspektivlosigkeit der Menschen, veranlasste sie sich zu wehren und Rachepläne zu schmieden.
2006 entstand die Idee und erste Planungen wurden zum IS gemacht. Ziel war es möglichst viele Gebiete einzunehmen und dort den Islamischen Staat zu gründen. Der Islam dient jedoch lediglich als Transmissionsriemen. Die Organisation hat eigentlich gar keine religiöse Referenz, obwohl sie dies in der Öffentlichkeit propagiert. Nur eine von vielen Täuschungen des IS. Doch vorzugeben im Namen Gottes zu handeln, macht die Anerkennung als Staat und Autorität um einiges leichter.
Die Planungsdokumente, die gefunden und von Reuter analysiert wurden, zeigen zum ersten Mal auf, wie brutal, aber auch durchdachte die Organisation vorgegangen ist. Der IS hat kein Konzept kopiert, sondern speziell für seine Situation und Ziele ein ganz Eigenes entworfen.
Lange bevor der IS öffentlich in Erscheinung trat, begann er geheim und unbemerkt zu agieren. Es wurden Menschen angeheuert, die als Spione geschult und eingesetzt wurden. Ähnlich wie bei der Stasi in der ehemaligen DDR wurden möglichst viele Bürger und die Infrastruktur unterwandert und ausgespäht. Zudem hat der IS eine Hierarchie, der gegenseitigen Kontrolle und Überwachung aufgebaut. Ein System bestehend aus Überwachung, Spionage, Entführung und Ermordung entstand.
Mittels der gesammelten Informationen wurde der IS zunächst zu einer Schutzgeld-Mafia in Mossul. Branchenspezifisch erhöhten sie die Steuern und führten Strafzahlungen ein. Bei Verweigerung der Bezahlung wurde mit der Ermordung gedroht. So kam der IS zunächst an Geld. Diese Strategie behält die Organisation noch heute bei. Ihre Haupteinnahmequelle, neben den Öl-Reserven, sind ihre 8 Millionen Untertanen, die sie erpresst.
Ab dem Sommer 2012 begann die diskrete Phase des IS. Dschihadisten aus der ganzen Welt reisten nach Syrien und wurden dort ausgebildet. Die Motivation für diese Menschen sei das Abenteuer, meint Reuter. Das Interesse einen Staat und dessen Verwaltung aufzubauen, sei bei ihnen nicht gegeben. Viele gescheiterte Existenzen und Naive lassen sich zudem von der Aussicht locken ihren Lebenslauf beim IS resetten und einen neu beginnen zu können. Die Ausbildungslager für die Ausländer sind gut organisiert. Es gibt Lehrpläne, Unterkunft und Essen. Doch wer diese Lager leitet ist bis heute unbekannt.
Ab April 2013 versteckte sich der IS unter dem Namen der Nusra-Front und trat so offiziell in Syrien auf. Ort für Ort wurde mittels Erpressung und Ermordung unterdrückt und anschließend eingenommen.
Im Morgengrauen sprangen maskierte Menschen –die ausländischen Dschihadisten aus den Ausbildungslagern- in dem jeweiligen Ort bewaffnet von Pickups und umstellten und besetzten strategisch wichtige Infrastrukturknoten. Aufgrund der vorher durchgeführten Spionage konnte dies sehr effizient durchgeführt werden. Ort für Ort wurde so eingenommen. Im Juni 2014 wurde innerhalb von 6 Tagen die Stadt Mossul mit dieser Strategie erobert.
Der IS erpresste zusätzlich einige Fotografen, so dass diese nur vorteilhafte Fotos machen dürften. Sie zeigen IS-Mitglieder in Posen, die Stärke, Überlegenheit und Macht signalisieren. Ansonsten drohte den Fotografen und Journalisten der Tod. Daher gibt es auch keine Bilder von zum Beispiel verletzten IS-Leuten. Aufgrund dieser gestellten Propaganda-Bilder wird der westlichen Welt ein falsches Bild des IS vermittelt. Es gibt zwar echte Fotos, die von mutigen Journalisten und Fotografen gemacht wurden, diese sind jedoch qualitativ nicht so gut, wie die Propaganda-Bilder. Leider entscheidet sich die Presse deshalb immer wieder dafür die besseren Propaganda-Bilder zu veröffentlichen. Ein Resultat, das dem IS in die Hände spielt.
Waffen werden entweder erbeutet oder aus dem Ausland bezogen. Die letzten Anschaffungen kommen aus Deutschland, erklärt Reuter. Doch die wichtigste Waffe wird in den Metall-Firmen in Mossul am Band hergestellt. Dafür werden LKWs und Transporter umgebaut und gepanzert. Dann werden sie mit ungefähr sechs Tonnen Sprengstoff beladen. Fahrbare Bomben mit großer Sprengkraft entstehen.
2015 begannen die ersten Terroranschläge, die auf den IS zurückzuführen sind. Dabei lag die Priorität nie auf Terror, sagt Reuter. Terroranschläge haben in der Vergangenheit, wie zum Beispiel bei der Organisation Al-Qaida, oft Territoriumsverluste zur Folge und sind daher eigentlich kontraproduktiv. Deshalb schöpft der IS bei seinen bisherigen Terroranschlägen auch nicht sein komplettes Potential aus, so Reuter. Gleichzeitig sind Anschläge jedoch Werbung für den IS und können zur Spaltung der Gesellschaft führen, was bisher jedoch nicht funktioniert hat. Darüber hinaus sind Terroranschläge Druckmittel gegen die Länder, das diese den IS nicht mehr angreifen sollen. Dennoch ist bei einigen Anschlägen nicht ganz klar, ob wirklich der IS diese veranlasst hat. Die Organisation lässt die Welt im Ungewissen.
Reuter beschrieb den IS als Virus, der fortwährend mutiert, da der IS sich im Laufe der Jahre immer wieder angepasst und weiterentwickelt hat. Das macht den IS so gefährlich und unberechenbar. Das Motto des Anführers, der sich selbst Abu Bakr al-Baghdadi nennt, lautet schließlich „bleiben und expandieren“.
Trotzdem verliert der IS immer weiter an Territorium, hauptsächlich wegen der Luftangriffe der Amerikaner. Zusätzlich ist eine Schwachstelle des IS, dass er auf die innere Zustimmung verzichtet hat. Sobald die Organisation es also nicht mehr schafft die Kontrolle über ein Gebiet zu behalten, verliert sie sofort die Loyalität der Bevölkerung.
Insgesamt ist dennoch schwer zu sagen, wie sich der IS in Zukunft entwickeln wird.
Das Kulturwerk präsentierte sich am Mittwochabend mal von einer ganz anderen Seite. Dies lag zum einen daran, dass die Veranstaltung zum ersten Mal gemeinsam mit dem Marienthaler Forum organisiert wurde und der Abend nicht –wie sonst im Kulturwerk üblich- der Unterhaltung sondern der Auseinandersetzung einer ernsten Thematik bzw. Problematik diente. Zum anderen fand die Veranstaltung nicht im Saal, sondern im kleinen, aber gemütlichen Vorraum statt. „Kleinere Orte sind oft die Spannenderen.“, so Reuter. Doch über die Erwartungen hinaus kamen rund 150 Gäste, so dass mehr Stühle benötigt wurden und auch einige Gäste stehen mussten.
Die erste gemeinsame Veranstaltung war somit ein Erfolg. Reuter signierte nach seinem Vortrag und nachdem das Publikum die Gelegenheit hatte einige Fragen zu stellen, sein Buch noch. Die Zusammenarbeit zwischen dem Marienthaler Forum und dem Kulturwerk soll fortgesetzt werden. (jkh)
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Nachricht vom 18.01.2017 |
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