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Nachricht vom 31.03.2017 |
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Politik |
Bericht des Landrates zur Fernstromtrasse im Westerwaldkreis |
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In der Sitzung des Kreistages des Westerwaldkreises am 31. März beantwortete und ergänzte Landrat Achim Schwickert eine Anfrage der Fraktion „DIE LINKE“. Schwickert betonte, die Sorgen von Anwohnern um gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die geplante Hybridleitung nehme er sehr ernst. Der Westerwaldkreis wolle in seinen Stellungnahmen das Ergebnis der politischen Willensbildung sowie die berechtigten Anliegen der betroffenen Bürger deutlich zum Ausdruck bringen. |
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Montabaur. Das Projekt Ultranet, welches gemeinsam durch die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und und TransnetBW realisiert werden soll, besteht aus einer 340 Kilometer langen Stromleitung von Osterath (NRW) nach Philippsburg (Baden-Württemberg). Zwecks Erhöhung der Übertragungskapazität ist die so genannte Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnik vor-gesehen, die zur Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom Konverter-Stationen von gigantischem Ausmaß erfordert. Diese Anlagen werden allerdings nur am Anfangs- und Endpunkt der Leitung errichtet; in dieser Hinsicht ist der Westerwaldkreis also nicht betroffen.
„Dagegen sind wir im Bereich der Verbandsgemeinde Montabaur, genauer gesagt in den Gemein-den Simmern, Neuhäusel, Eitelborn, Welschneudorf, Hübingen und Gackenbach in unterschiedlichem Umfang durch den geplanten Trassenverlauf berührt. Die Gleichstromleitung soll nämlich – so der Vorschlag von Amprion – auf einer in den 1920er Jahren erbauten und letztmalig im Jahre 2009 überarbeiteten Trasse geführt werden, deren heutiges Erscheinungsbild sich dadurch aller Voraussicht nach nicht wesentlich ändern würde. Die meisten Masten können voraussichtlich stehen bleiben, es müssen lediglich die Isolatoren ausgetauscht werden, auf einer Seite würde dann künftig Gleich- statt Wechselstrom fließen. Sofern im Einzelfall Masten erneuert werden müssen, würden nach Aussage von Amprion die neuen Masten höchstens 20 Meter vom alten Standort entfernt errichtet und wären lediglich wenige Meter höher.
Die vorgesehene Art der technischen Ausführung ist allerdings neu: Erstmals sollen Gleichstrom und Wechselstrom, auch Drehstrom genannt, mit einer Spannung von 380 Kilovolt auf denselben Masten übertragen werden, also im Hybridsystem. Nach Aussage von Amprion ist diese Technik intensiv untersucht und getestet worden, und zwar mit dem Ergebnis, dass der Betrieb technisch sicher möglich ist. Eine gegenseitige Beeinflussung der beiden Stromarten, etwa nach dem Motto „Gelb plus Blau ergibt Grün“, sei nicht zu erwarten. Kritiker ziehen diese Aussage in Zweifel und befürchten gesundheitliche Risiken.
Jedenfalls ist Ultranet im Netzentwicklungsplan 2012 von der Bundesnetzagentur bestätigt worden, wurde in das Bundesbedarfsplangesetz aufgenommen und von der EU als „Project of Common Interest – Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ eingestuft.
In der Anlage zum zuvor genannten Bundesbedarfsplangesetz sind insgesamt 43 vorgesehene Höchstspannungsleitungen aufgeführt, für die ein vordringlicher Bedarf besteht. Fünf Gleichstromleitungen davon, zum Beispiel die für Mitte der 2020er Jahre vorgesehene Leitung von Emden nach Osterath, sind mit der Kennzeichnung E versehen. Die uns betreffende Leitung gehört als einzige der sechs aufgeführten Gleichstromleitungen nicht dazu. Der Buchstabe E bedeutet, dass die Leitungen vorzugsweise als Erdkabel zu errichten sind. Nur beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, etwa wenn naturschutzrechtliche Gründe dies erfordern, kann eine mit E gekennzeichnete Leitung in Teilabschnitten als Freileitung betrieben werden. In diesem Fall ist dann ein Abstand von mindestens 400 Metern zu Wohngebäuden im Geltungsbereich eines Bebauungsplans beziehungsweise 200 Metern zu Wohngebäuden im Außenbereich einzuhalten. Ich erwähne das deshalb, weil diese Abstandsregelung in der öffentlichen Diskussion um die hiesige Trasse eine Rolle spielt. Sie gilt aber nach den gesetzlichen Vorgaben – wie gesagt – nur für Freileitungsabschnitte, die Teil einer Erdverkabelung sind. Nach telefonischer Auskunft der Bundesnetzagentur vom 22. März wurde die Abstandsregelung aus optischen Gründen und zur Beförderung der Akzeptanz getroffen. Mit Gesundheitsschutz – so der Vertreter der Bundesnetzagentur – habe sie nichts zu tun.
Ich komme zum Verfahren: Vor der Realisierung des Vorhabens steht ein zweistufiges Genehmigungsverfahren durch die Bundesnetzagentur. In Stufe eins, der so genannten Bundesfachplanung, wird ein ein Kilometer breiter Trassenkorridor festgelegt. Die konkrete Ausgestaltung der Maßnahme ist sodann Gegenstand der Stufe zwei, nämlich des Planfeststellungsverfahrens.
Derzeit befinden wir uns noch in der ersten Stufe. Amprion hat mit Datum vom 29.10.2015 für den uns betreffenden, circa 110 Kilometer langen Streckenabschnitt D von Weißenthurm nach Riedstadt (Kreis Groß Gerau) einen Antrag auf Bundesfachplanung gestellt. Bislang hat die Bundesnetzagentur lediglich den Untersuchungsrahmen festgelegt, der neben der vorhandenen Leitung auch eine Alternativtrasse beinhaltet, die neu zu errichten wäre. Sie zweigt in Weißenthurm von der Vorzugstrasse ab, verläuft auf der linken Rheinseite über den Hunsrück und trifft in der Nähe von Mannheim wieder auf die Vorzugstrasse. Von hier aus läuft die vorgesehene Trasse –sozusagen alternativlos – in südlicher Richtung weiter nach Philippsburg. Die Trassenverläufe können Sie sich im Internet unter dem Stichwort Netzausbau Ultranet ansehen. Frühestens Mitte dieses Jahres wird die Bundesnetzagentur die offizielle Offenlage der betreffenden Darstellungen vornehmen und zu einem Erörterungstermin einladen. Trägern öffentlicher Belange, Umweltverbänden und betroffenen Bürgerinnen und Bürgern wird somit Gelegenheit gegeben, zu den im Untersuchungsrahmen festgelegten alternativen Trassenverläufen Stellung zu nehmen.
Eine nochmalige Beteiligung erfolgt selbstverständlich zu gegebener Zeit in Stufe zwei, dem Planfeststellungsverfahren. Hier geht es dann um den konkreten Verlauf der Trasse innerhalb des Ein-Kilometer-Korridors sowie um die Genehmigung zum Bau und Betrieb des Vorhabens. Mit der Inbetriebnahme ist frühestens im Jahre 2021 zu rechnen.
Dem Erfordernis einer umfassenden Information der Öffentlichkeit wurde Rechnung getragen unter anderem durch von Amprion veranstaltete so genannte Bürger-Infomärkte am 15. April beziehungsweise 22. April in Hübingen und Neuhäusel, durch Presseverlautbarungen, durch eine öfentliche Antragskonferenz der Bundesnetzagentur zur Bundesfachplanung am 23. Februar in Mainz, durch eine Informationsveranstaltung der VG Montabaur am 29. 8.2016 in Neuhäusel unter Beteiligung von Amprion und der Bundesnetzagentur sowie durch Informationen im Internet seitens Amprion und der Bundesnetzagentur.“
Der Landrat erläuterte, dass trotz aller Information erwartungsgemäß nicht alle Bedenken der Anwohner ausgeräumt werden konnten. Im Gegenteil habe sich zunehmend Widerstand gegen das Projekt formiert, dessen gesundheitliche Unbedenklichkeit, aber auch dessen energiewirtschaftliche Notwendigkeit in Zweifel gezogen wird. Die Gemeinderäte von Eitelborn, Simmern, Neuhäusel und Hübingen haben Beschlüsse gefasst, die nicht völlig gleichlautend sind, aber alle die folgende Formulierung enthalten: „Die Bundesnetzagentur wird aufgefordert, den Bedarf für Ultranet gemäß Netzentwicklungsplan kritisch zu überprüfen. Sollte der Bedarf an der Gleichstromtrasse tatsächlich bestehen, wird gefordert, Abstände von 400 Metern zur Wohnbebauung – wie bei einem Leitungsneubau – einzuhalten und vorrangig Erdkabel zu verlegen
Schwickert dankte der Fraktion „DIE LINKE“ für Ihr Engagement zum Thema Gleichstromtrasse, widersprach jedoch der Aussage, die Kreisverwaltung sei nur unzureichend informiert. Er betonte, der Kenntnisstand sei so umfassend, wie der Kenntnisstand einer Kreisverwaltung in der derzeitigen Phase des Genehmigungsverfahrens überhaupt nur sein könne. „Meine Mitarbeiter sammeln – so gut es geht – Informationen und ziehen daraus ihre Schlüsse. Eine vollständige wissenschaftliche Durchdringung der hochkomplexen Materie ist uns aber ebenso wenig möglich wie die Vorwegnahme des Planfeststellungsverfahrens. Aus diesem Grund musste die eine oder andere Frage, die Sie uns mit Schreiben vom 15.01.2017 gestellt haben, unter Verweis auf die zuständige Genehmigungsbehörde unbeantwortet bleiben. Hierfür bitte ich um Verständnis.“
Selbstverständlich habe die Bundesnetzagentur als Genehmigungsbehörde dafür zu sorgen, dass die geltenden Grenzwerte eingehalten werden. Über dieses gesetzliche Mindesterfordernis hinaus sollten unter Vorsorgegesichtspunkten alle realistischen Möglichkeiten genutzt werden, etwaige Belastungen zusätzlich zu minimieren, etwa durch größere Abstände zur Wohnbebauung. Auch unterstütze der Westerwaldkreis Bestrebungen, eine Erdverkabelung dort vorzunehmen, wo sie geeignet ist, eventuell bestehende Risiken oder Beeinträchtigungen auszuräumen oder zu mindern. „Solange sich an der derzeitigen Rechtslage nichts ändert, die ich vorhin dargelegt habe, also dem Bundesbedarfsplangesetz, ist aber nach Einschätzung der Bundesnetzagentur nicht damit zu rechnen, dass es hier bei uns zu einer Erdverkabelung kommt.“
Schwickert wies darauf hin, dass „wir bei der Kreisverwaltung nicht die Kompetenz haben den aktuellen Meinungsstreit über die Frage möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen fachlich zu beurteilen oder gar zu entscheiden. In einer solchen Situation erscheint es allerdings angebracht, sich mit den Bürgerinnen und Bürgern in unseren betroffenen Ortsgemeinden im Rahmen von möglichen Stellungnahmen der Kreisverwaltung zu solidarisieren.“ (PM Achim Schwickert, Landrat)
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Nachricht vom 31.03.2017 |
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