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Nachricht vom 22.06.2017 |
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Wirtschaft |
Die Letzten ihrer Art |
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Keine zehn Jahre ist es her, da gab es selbst in kleineren Orten flächendeckend Videotheken, manchmal sogar gleich mehrere im Umkreis zur Wahl und das Geschäft mit Spiel- und Erotikfilmen boomte. Ein Besuch in der Videothek des Vertrauens gehörte zum festen Ritual einer gelungenen Filmnacht auf der heimischen Couch. |
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Bad Marienberg. Ob allein oder mit Freunden, bei Regen, Sturm und Schnee – zu Beginn des Abends machte man sich noch einmal auf den Weg nach draußen, um sich mit einem oder meist gleich mehreren Videokassetten, später dann DVDs und BluRays, einzudecken. Die schiere Auswahl an Filmcovern in den meterlangen Regalen konnte dabei selbst hartgesottene Filmfans erschlagen und aus den eingeplanten fünf Minuten wurde gern auch mal eine halbe Stunde oder mehr. Gerade das machte aber auch den Zauber aus und steigerte die Vorfreude auf eine sorgsam ausgewählte Story, welche man, stets nach Rubriken unterteilt, im Bereich „Action", „Komödie" oder „Drama" und so weiter gefunden hatte. Vielleicht noch ein Bierchen mit dem Videothekar oder eine Zigarette mit alten Bekannten, die örtliche Videothek war ja auch immer ein Ort sozialer Zusammenkunft, der für den Extraweg meist mehr als entschädigte.
Mit dem Internet und Streamingdiensten wie Netflix, Maxdome und Co. änderten sich aber die Sehgewohnheiten und die Bequemlichkeit siegte. „Statt den Weg nach draußen in Kauf zu nehmen und aus tausenden von Filmen zu wählen, bleiben die Meisten heute lieber auf der Couch sitzen und klicken sich am Bildschirm durch gerade mal ein paar Dutzend Streifen aus denen sie dann einen auswählen" sagt Ali Marati, Ur-Videothekar seit 25 Jahren und Organisator in Bad Marienberg. In gut zwei Wochen wird man die Türen ein- für allemal schließen. Doch er hat den Glauben an das klassische Verleihkonzept noch nicht verloren. „Der Mietvertrag läuft aus, drum machen wir zu. Doch ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass Videotheken noch immer eine Daseinsberechtigung haben."
Es klingt fast trotzig wie er das sagt und doch merkt man ihm an, dass er es ernst meint. Er spricht von den Filmenthusiasten, die, auch einmal abseits vom Mainstream, Spaß daran haben in Arthouse-Filmen oder den etwas älteren Jahrgängen zu stöbern. Den Technikbegeisterten, die auf gestochen scharfe BluRay-Technik Wert legen, Qualität, die Computer und TV-Sender meist noch nicht bieten. Gamer, die sich die neuesten Spiele für Playstation und Co leihen und nicht gleich kaufen wollen. Oder die auch heute oft noch etwas verschämt Wirkenden, meist Männer und Paare, auf der Suche nach einem Erotikstreifen, ohne Angst haben zu müssen sich im Internet als Zugabe gleich noch einen Computervirus einzufangen. „Klar, der Markt ist viel keiner geworden als früher und am Ende werden nur wenige überleben, aber die paar Läden mit guter Auswahl finden ihre Fans und ab und zu verirrt sich auch mal ein alter Kunde zu uns und kommt dann regelmäßig wieder, weil er einfach vergessen hatte, wie viel Auswahl wir wirklich bieten."
Wenn er wieder ein geeignetes Mietobjekt findet, würde er es vielleicht noch einmal versuchen in der Region Westerwald sagt er. Ob es dazu kommt, steht aber in den Sternen. Bis dahin bleibt den Bad Marienbergern zum Abschied nur ein leises „Servus" und den Weg in weiter entfernte Städte wie Siegen, Wetzlar oder Limburg in Kauf zu nehmen, wenn man doch wieder einmal auf die Pirsch gehen will: nach fast vergessenen Schätzen und neuen Spezialitäten in den meterlangen Regalen einer Videothek. (PM)
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Nachricht vom 22.06.2017 |
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