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Nachricht vom 11.08.2017 |
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Region |
Lese- und Reise-Tipp: „Kykladen. Von Delos bis Santorin“ |
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Weiße Häuser im Sonnenschein, blauer Himmel und ebenso blaues Meer – mit diesem Bild verbindet man den Begriff „Kykladen“. Das Bild stimmt, doch wäre eine Reduzierung der griechischen Inselgruppe auf Strandleben, Moussaka und Ouzo eine Schande für deren ereignisreiche Geschichte und faszinierende Kultur. |
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Region. Kurt Roeske und Patrick Schollmeyer verfassten den ersten Band der Reihe „Schauplätze der Antike“, mit dem „die Reisenden in die Lage versetzt werden (sollen), vor Ort in die Welt der Antike einzutauchen, sich als echte Zuschauer zu fühlen.“ Das gelingt den Autoren mit verständlichen Texten, eingestreuten Quellentexten antiker Dichter, Denker und Historiker sowie mit aktuellen Fotografien auf unterhaltsame Weise.
Der Name der Inselgruppe leitet sich von dem altgriechischen Wort Kyklos für Kreis ab, denn für die alten Griechen bildeten die Inseln einen Kreis um die heilige Insel Delos, den Geburtsort der göttlichen Zwillinge Artemis und Apollon. Grabungsfunde aus der Bronzezeit, stilistisch reduzierte Marmorfigurinen, findet man im Archäologischen Nationalmuseum in Athen. Nachdem im zweiten Jahrtausend die Ägäis von den kretischen Minoern beherrscht wurde, ging die Kykladenkultur unter. In den folgenden drei Jahrtausenden wurden die Kykladen immer wieder zum Spielball der Mächtigen. Sie erlebten die Dorer, Perser, Römer, Byzantiner, Sarazenen, Normannen, venezianische Dogen, Türken und wiederholt Seeräuber. Die Kykladeninseln spielten im griechischen Freiheitskampf eine wichtige Rolle und schlossen sich 1830 dem neu gegründeten griechischen Staat an.
Die Inseln sind verwoben mit Sagen, Legenden und Mythen. Mythen waren in der Antike allgegenwärtig, denn sie erklären die Entstehung der Welt und erinnern die Menschen ständig an ihre Vergänglichkeit. Darstellungen antiker Mythen findet man auf Architektur, Alltagsgegenständen, Bildern und in der Literatur. Man begegnet ihnen auf vielfältige Art auf den Kykladen, die dadurch Schauplätze der heidnischen Götter- und Sagengestalten bilden.
Die Insel Melos (Apfel), die heute abseits von Reiserouten liegt, war einst ein bronzezeitliches Handelszentrum. Das Ruinenfeld der Stadt Phylakopi und die dort gefundene tönerne Lady, Pendant der bekannteren Melos-Göttin Venus von Milo, zeugen von einstiger Bedeutung. In einem Dialog legt der antike Autor Thukydides die Gründe für die Vernichtung der Melier dar.
Santorin oder Thera, der Sage nach ein Gastgeschenk für den Argonauten Euphemos vom Meergott Triton, ist bekannt und viel besucht. Ein Vulkanausbruch um 1613vor Christus ist wohl für die Form der Insel verantwortlich. Diese Katastrophe wird oft mit dem sagenhaften Atlantis in Verbindung gebracht.
Naxos ist die flächenmäßig größte Insel, die in der Antike als reich galt, aber auch als Insel der besonderen Konflikte. Das vergnügliche Leben in Reichtum, noch erkennbar in marmornen Tempelruinen und Statuen, wurde durch die Flotte des persischen Großkönigs 490 vor Christus brutal beendet. Über den Herrn der Insel, den Gott Dionysos, Gott des Unmäßigen, der Theater und Weingelage liebte, wussten Literaten wie Ovid zu berichten. Er erzählte ebenso wie Homer und Hesiod auch von der tragischen Geschichte der Königstochter Ariadne.
Paros, wie Naxos eine Marmorinsel, lebte einst in Wohlstand durch den besonders feinen Stein. Das weckte Begierde, daher wurde die Insel Schauplatz des Machtkampfs zwischen Athenern und Persern. In der nachfolgenden Geschichte bescherten Invasionen Religionswechsel und eine berühmte und sehenswerte Kirche: die Panagia Ekatontapyliani, eine Kreuzkuppelbasilika, die von Isidor von Milet, dem Erbauer der weltberühmten Hagia Sophia in Konstantinopel geplant wurde. Auf Paros befindet sich auch das Grabmal des früharchaischen Dichters Archilochos, mit dem die Geschichte der Lyrik in der Mitte des 7. Jahrhunderts vor Christus beginnt. Die Autoren belegen die revolutionäre Neuerung mit kommentierten Gedichtbeispielen.
Mykonos bildet durch seinen Flugplatz eine Zwischenstation für Delos-Reisende. Mykonos, viel besungen und besucht, ist mit dem Kampf um Troja verbunden, weil Ajas, einer der Kriegshelden, sein Grab auf der Insel fand. Eine Reliefamphora im Museum von Mykonos, die gegen 670 vor Christus gestaltet wurde, zeigt die älteste Abbildung des Trojanischen Pferds. Der Hafen von Mykonos ist das Tor nach Delos. Diese heilige Insel, Geburtsort von Apollo und Artemis, wiederum ist für Griechenland-Reisende unverzichtbar. Der Lyriker Pindar sang von ihr als „weithin leuchtender Stern der dunklen Erde“. Die archäologisch wichtigste Insel der Kykladen ist heute nahezu unbewohnt. Davon profitieren die Ruinenfelder der einst lebhaften Hafen- und Handelsmetropole und wichtigen Heiligtums der Griechen. Das riesige Steinfeld lässt sich mit Hilfe der Pläne und Rekonstruktionszeichnungen im Buch sowie einiger Phantasie im Urzustand vorstellen und gedanklich eintauchen in die vorchristliche tiefe Verehrung Apollos. Große Dichter preisen den geliebten Gott, der gleich nach seiner Geburt erwachsen wurde und ewig ein schöner Jüngling bleibt. Delos ist auch der Ort, an dem der Philosoph Sokrates zum Tod verurteilt wurde und den Giftbecher austrinken musste. Die reiche Handelsmetropole Delos war „ein wirtschaftlicher Hotspot der mediterranen Welt“, an dem sowohl der Sklavenhandel blühte, als auch Neureiche in kostbaren Villen ihren Prunk zur Schau stellten. Roeke und Schollmeyer helfen dem Reisenden, sich in dem Steingewirr zurecht zu finden und alle wichtigen Monumente zu sehen.
Nach dem archäologischen Höhepunkt Delos empfehlen die Autoren die Weiterreise nach Tenos, ebenfalls eine heilige Insel und heute der größte Wallfahrtsort Griechenlands, in dessen Kirche der Verkündigung die Mutter Gottes als Nationalheilige verehrt wird. Die Kirche wurde über den Ruinen eines Dionysos-Tempels aus Steinen des antiken Heiligtums für Poseideon und Amphitrite erbaut.
Roeske und Schollmeyer zitieren literarische Werke antiker Künstler, die zugleich aus deren Traditionen und Zeitumständen entstanden sind und doch zeitlos gültig sind. Platons Mahnung, nicht im Streben nach Geld und Macht die Selbstkontrolle zu verlieren, ist dauerhaft aktuell. Das Buch schließt mit dem Wunsch: „Lassen Sie sich von der Antike weiter inspirieren und folgen Sie dem Ruf der olympischen Götter!“
Man muss kein Altphilologe sein, um den Erlebnis-Reise-Führer zur Postkartenidylle Kykladen zu genießen und Reisesehnsucht nach dieser sonnenverwöhnten und geschichtsreichen Region zu entwickeln. Das Buch ist im Verlag Nünnerich-Asmus erschienen, ISBN 978-3-945751-77-0. htv
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Nachricht vom 11.08.2017 |
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