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Nachricht vom 09.01.2018 |
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Region |
Wahlroder Gotteshaus wird akribisch restauriert |
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Die Evangelische Kirche Wahlrod gibt zurzeit ein tristes Bild ab. Im Innern des 167 Jahre alten Gotteshauses ist es kalt; eine dicke Staubschicht bedeckt Gerüste und Werkzeuge; es riecht nach frischer Farbe und nach Arbeit. Sven Trommer lässt sich von der ruppigen Atmosphäre nicht aus der Ruhe bringen. |
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Wahlrod. Mit einer Engelsgeduld trägt er winzige Farbschichten von der Kirchenwand ab, und allmählich eröffnet er mit seinem Skalpell Einblicke in vergangene Jahrhunderte. Trommer ist Restaurator und betreut neben dem Architekturbüro Heinrich die Renovierungsarbeiten im und ums Gotteshaus. In voraussichtlich vier Monaten soll der Staub verflogen sein und das Gebäude in neuem, altem Glanz erstrahlen.
Seit dem Frühjahr 2016 wird die Kirche in Schuss gebracht – zuerst außen und seit Sommer 2017 auch im Innern. „Das war auch bitter nötig“, sagt Sven Trommer. „Der Sockel und der Turm waren geschädigt, und während der Renovierungen der 1970er-Jahre wurde offenbar nicht allzu viel Wert auf historische Authentizität gelegt.“ Damals haben die Arbeiter die frühere Lehmdecke kurzerhand durch eine unschöne Verkleidung aus Gipskarton ersetzt. „Das habe ich in einer Kirche auch noch nicht gesehen“, sagt der Restaurator und schüttelt den Kopf.
Denn die Wahlroder Kirche ist nicht nur wegen ihrer Lage auf einer Anhöhe ein Schmuckstück. Auch im Innern gibt es viele bemerkenswerte Details. Das Dumme ist nur, dass etliche Stellen der alten Fassung – so nennen Restauratoren die farbliche Ausgestaltung des Innenraums – unter neueren, weniger charmanten Farbschichten verborgen liegen. „Um zu wissen, wie es hier aussah, muss ich diese Schichten entweder chemisch oder mit dem Skalpell abtragen oder mich an alten Fotos orientieren.“ Von denen hat Kirchenvorstandsmitglied Bernd Rickes als Betreuer des Wahlroder Dorfarchivs glücklicherweise noch viele in seinem Fundus. Und so gelingt es Sven Trommer, die historische Ornamentik akkurat zu rekonstruieren. Dabei gehen die Experten sogar so weit, dass sie Fassadenproben aus der Kirche in Kunstharz gießen und anschließend abschleifen. „Im Labor kann ich dann genau die unterschiedlichen Farbschichten einer Wand erkennen“, erzählt Trommer. Der Lohn dieser Sisyphusarbeit: eine geschmackvolle Farbgebung, in der Grün- und Brauntöne dominieren; rekonstruierte Schablonenmalereien in den später hinzugekommenen Kassettenfüllungen der Empore; schöne Ornamente an der Vorderseite der Raßmann-Orgel, die in den 1970er-Jahren verloren gingen.
Die Wahlroder Kirche wird aber nicht nur optisch hübsch gemacht. Die Sakristei und das WC werden deutlich vergrößert, die Elektrik- und Heizungsanlage sind ebenfalls neu. „Außerdem haben wir die Beleuchtung komplett ausgetauscht“, erklärt Bernd Rickes. „Die neue Anlage kann dank ihrer Schaltungsmöglichkeiten acht verschiedene Lichtstimmungen erzeugen. Und darüber hinaus funktioniert auch die Glockensteuerung wieder, nachdem sie durch einen Blitzschlag lange außer Gefecht gesetzt war.“ Hinzu kommen die umfangreichen Arbeiten am Dachstuhl, der nun mit einem Kalk-Schilf-Putz statt mit schnödem Gipskarton verkleidet ist. Und für Rollstuhlfahrer ist im Innern künftig auch mehr Platz. „Allerdings ist es uns nicht ganz gelungen, die Kirche und das WC komplett behindertengerecht zu gestalten. Das ist vom Platz her leider unmöglich“, bedauert Rickes.
Insgesamt schlägt die aufwendige Innensanierung mit rund 626.000 Euro zu Buche. „Mit den knapp 400.000 Euro teuren Außenarbeiten kommen wir also auf einen Gesamtbetrag von etwas über einer Million Euro“, rechnet Rickes vor. Den muss die Kirchengemeinde freilich nicht alleine schultern, sondern erhält für die Innensanierung eine Bauzuweisung von 425.000 Euro von der Landeskirche. Bei den Außenarbeiten trägt die Landeskirche ebenfalls rund 80 Prozent der Kosten; hinzu kommen 17500 Euro, die das Landesdenkmalamt zuschießt. Gut investiertes Geld, ist sich Bernd Rickes sicher: „Viele unserer Kirchenschätze sind während der letzten Renovierungen einfach überpinselt worden. Es tut gut, dass diese kunstvollen Schmuckstücke nun wieder sichtbar werden.“ (bon)
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Nachricht vom 09.01.2018 |
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