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Nachricht vom 26.02.2018
Region
Wird Hachenburg der Vorbildrolle gerecht?
Der Verein „Forum Zukunft Dinkelsbühl“ kann bei näherer Betrachtung die in der Vortragsreihe von Bürgermeister Peter Klöckner viel gepriesenen Erfolge Hachenburgs nicht in vollem Umfang wiedererkennen. Qualitätssiegel „Q-Stadt“ 2017 von Hachenburg aufgegeben.
Werktags, abends um 17 Uhr gähnende Leere in der Fußgängerzone. Fotos: Reinhard PanthelHachenburg. Bürgermeister Peter Klöckner trat bei einer Vortragsreihe von „Pro Altstadt Dinkelsbühl“ in Dinkelsbühl auf und berichtete am Fallbeispiel Hachenburg dem Dinkelsbühler Einzelhandel, wie und was man tun müsse, um gegen den drohenden Leerstand anzukämpfen und ein Abwandern der Käuferschichten aus der Innenstadt in die Stadtränder auf die „grünen Wiese“ begegnen können. (der ww-kurier berichtete).

Die Dinkelsbühler waren durch einen positiven SWR-Bericht im Fernsehen auf die Situation des Hachenburger Einzelhandels aufmerksam geworden. Dort wurden mit Filmszenen während des Hachenburger Weihnachtsmarktes Käuferströme vorgegaukelt, die es in der Wirklichkeit des Hachenburger Geschäftsalltags in dieser Form gar nicht mehr gibt. Fotos mit Menschenmassen in allen Gassen der mittelalterlichen Einkaufsstadt weckten Begehrlichkeiten bei den Dinkelsbühlern und man erhoffte sich durch den Vortrag des Hachenburger Verbandsbürgermeisters Klöckner Hilfe und Anregungen für die Lösung der eigenen Probleme.

In dem Vortrag hörte sich das alles auch sehr schön an. Doch Akteure von „Forum Zukunft Dinkelsbühl“ hakten nach und bei der Betrachtung der Hachenburger Wirklichkeit blieb nach einem Besuch vor Ort von den erhofften Botschaften nicht mehr allzu viel übrig. Bei nüchterner Betrachtung musste man erkennen, dass in Hachenburg wie in allen vergleichbaren Kleinstädten auch, das gleiche Problem festzustellen ist: leere Gassen und leere Geschäfte. Positiv erkannte man den Erfolg des florierenden Hachenburger Kinos Cinexx. Da verblüfft es viel mehr, dass die größten Widerstände gegen das Projekt Kino in Dinkelsbühl aus den Reihen von „ProAltstadt“ stammen, zumal das geplante Kino von heimischen Investoren finanziert wird.

Die anspruchsvollen Käuferschichten wandern aus den Stadtkernen ab in die sich ansiedelnden Einkaufszentren der Randgebiete und begnügen sich oft mit „Masse statt Klasse“ – Mode aus den Kartons zu Schleuderpreisen oder nutzen modische Qualität in größeren Dimensionen. Vor allen Dingen die Bequemlichkeit ist oft entscheidend mit dem Auto direkt vor die Tür zu fahren und keinen Parkplatz suchen zu müssen. Hinzu kommt, dass der Versandhandel ebenfalls diese Bequemlichkeit unterstützt und es den heimischen Einzelhändlern zusätzlich schwer macht weiterhin zu existieren.

Der Einzelhandel in den städtischen Zentren kann in Zukunft nur weiter bestehen, wenn gut ausgebildetes und freundliches Fachpersonal den Kundenwünschen gerecht werden kann und Qualität angeboten wird. Erst dann, wenn sich der „Kunde König“ auch als solcher fühlt, braucht man sich nicht vor der Konkurrenz zu fürchten.

Vielerorts ist heute immer noch erkennbar, dass die Mitbewerber aus den Einkaufszentren am Stadtrand von den alteingesessenen Geschäftsinhabern der Innenstadt eher mit viel Misstrauen beobachtet werden, das oft sogar bis hin in ablehnende Konkurrenzmentalität abgleitet. Hinzu kommt, dass die Gewerbetreibenden der Innenstädte sich zu Gewerbevereinen zusammenschließen und durch ihre Mitgliedsbeiträge um Reklame für die Innenstädte bemühen. „Hachenburg ist wunderbar!“, ein Markenzeichen für die Hachenburger Einzelhändler. Die Filialleiter der Einkaufsketten in den angrenzenden Gewerbegebieten, die einst mal allesamt als Industriegebiete ausgewiesen und bebaut werden durften, schließen sich diesem Bemühen des innerstädtischen Einzelhandels – von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht an.

Das Management eines Gewerbevereins erfordert viel Kraft, Zeit und Ideenreichtums. Wenn das alles in der Freizeit gemacht werden soll, dann gibt es nur wenige Interessenten für ein solches Mitwirken am Dienst für die Allgemeinheit. Es kann nur gelingen, wenn man Spitzenleute an der Spitze hat, die ein Team führen können. Dabei ist es auch nicht ausschlaggebend nur mit Forderungen an die Stadtverwaltung heranzutreten und ausreichende Parkplätze in Zentrumsnähe zu fordern. Individualität und das forcieren, was die Konkurrenz am Stadtrand nicht leisten kann, das ist geeignet um verlorene Käuferschichten zurückzugewinnen und neue Kunden zu werben.

Ob man eine „Q-Stadt“ ist oder nicht, das ist dabei nicht entscheidend. 15 Geschäfte hatten mitgemacht, dann fehlten nur wenige, um dieses Qualitäts-Zertifikat erneut zu erlangen. Dieses Zertifikat hat nicht nur Geld verschlungen, sondern man fragt im Nachhinein danach, ob und was es gebracht hat? Die Stadt Hachenburg hat das Glück, von vielen Menschen aus dem Umland als ihre Einkaufsstadt angesehen zu werden. Darüber sollten die Gewerbetreibenden froh und dankbar sein.

Ob die Forderung freitags den „grünen Markt“ vom Neumarkt auf den Alten Markt zu verlegen mehr Kunden nach Hachenburg lockt, das bleibt abzuwarten. Wichtig ist vielmehr, dass die Kunden nach Hachenburg kommen und dort einkaufen. Ebenso fragwürdig ist es, wenn bei Großveranstaltungen das Markttreiben in der Wilhelmstraße als Verbindungsweg zwischen Altem Markt und Neumarkt kaum noch mit einer durchgehenden Ständlergruppe bestückt wird. Da gibt es nicht nur behördliche Anweisungen für ein Freihalten von Rettungswegen zu beachten, sondern auch das egoistische Denken einiger Geschäftsinhaber abzustellen, die keine „Konkurrenz vor der eigenen Tür“ dulden.

Nicht zu vergessen das Gezänk, ob auf dem Markt auch Textilien verkauft werden dürfen, die dem etablierten Einzelhandel beim Umsatz vielleicht fehlen. Nicht das eigene Geld in der Abendkasse zählt und ist für die Einkaufsstadt wichtig, sondern Hachenburg muss als Einkaufsstadt in der Gesamtheit interessant bleiben. So wie in anderen Nachbarstädten ebenfalls. repa
   
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