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Nachricht vom 14.11.2018 |
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Politik |
Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Judenpogroms in Hachenburg |
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Auch zum 80. Jahrestag des Judenpogroms in Hachenburg veranstaltete die Stadt Hachenburg wiederum eine würdige Gedenkveranstaltung in Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse im November 1938. Stadtbürgermeister Stefan Leukel und Johannes Kempf, Mitautor des Buches „Zachor“ über die Juden in Hachenburg, halten es für wichtig, dass die damaligen Gräueltaten nicht verdrängt und vergessen werden. Nur durch die Erinnerung an die Leiden der Opfer von Terror und Gewalt sei es möglich, dass sich die gewaltsamsten und dunkelsten Momente der deutschen Geschichte nicht wiederholen. |
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Hachenburg. Stadtbürgermeister Stefan Leukel konnte zur Gedenkveranstaltung Mitglieder des Stadtrates, Bürger aus Hachenburg und den umliegenden Orten sowie Schülerinnen und Schüler von Realschule plus und Fachoberschule (FOS) – Hachenburger Löwe – (RS plus) und der Grundschule Altstadt begrüßen. Leukel rief die Verwüstung und Plünderung der Synagoge am Alexanderring sowie die Schikanierung und Demütigung der jüdischen Mitbürger am folgenden Tag in Erinnerung.
Die Stadt Hachenburg halte das Gedenken an die jüdischen Mitbürger in lebendiger Erinnerung. Es gebe einen großen jüdischen Friedhof in Hachenburg und Stolpersteine, die an das Schicksal einzelner Juden unserer Stadt erinnerten. Es gebe aber auch Freundschaften zwischen jüdischen und christlichen Familien, die seit Jahrzehnten und über Kontinente hinweg bestehen. Die Familien Schneider und Binge pflegten diese Freundschaft mit der aus Hachenburg stammenden und in die Vereinigten Staaten geflüchteten Familie Hirschberg. Mark Hirschberg, der bereits in den Vereinigten Staaten geborene Sohn der Familie, habe in diesem Sommer bei einem Besuch in Hachenburg den Stolperstein seiner Familie und das Grab seiner Vorfahren besucht.
Mut und Zivilcourage sind notwendig
Stadtbürgermeister Stefan Leukel fasste die Mahnung aus den dunkelsten Momenten der Stadtgeschichte folgendermaßen zusammen: „Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir nicht verdrängen und vergessen. Sondern nur durch die Erinnerung an die Leiden der Opfer von Terror und Gewalt kann es möglich sein, dass sich die gewaltsamsten und dunkelsten Momente unserer Geschichte nicht wiederholen.
Umso mehr verdienen Beispiele von Mut und Zivilcourage unsere Anerkennung. Der Einsatz für Minderheiten und Andersgläubige, für Menschenrechte und Menschenwürde. Den Respekt und die Wertschätzung gegenüber unseren Mitbürgern. Das ist aktuell wieder mehr gefordert denn je.“
Schülerinnen und Schüler der RS plus und FOS bereicherten die Gedenkfeier mit Gedichten der polnisch-israelischen Schriftstellerin und Übersetzerin Halina Birenbaum. Am 2. Mai 1945 wurde sie aus dem KZ Neustadt-Glewe befreit. Die Gedichtvorträge trugen die Titel: „Ein unerwünschtes Thema“, „Tränen“ und „Ich war nur ein Korn“.
Gewalt und Terror auch heute noch möglich?
Johannes Kempf berichtete aus seinen Nachforschungen über das Leben der Hachenburger Juden. Um die schrecklichen Geschehnisse auch für die Schülerinnen und Schüler besser begreifbar zu machen, wählte er das der Synagogenzerstörung vergleichbare Beispiel einer Zerstörung und des Diebstahls „durch Krawallbrüder“ in den christlichen Kirchen. Ebenfalls vergleichbar wären Wohnungseinbrüche durch Rowdies bei Mitbürgern einer bestimmten Nationalität oder Religion, wobei alle Gewalttaten mit Billigung der Politik und unter Wegschauen von Polizei, die ja eigentlich für die Sicherheit von Menschen verantwortlich sein sollte. Könnte man sich das heute mit einem Abstand eines Menschenalters zu den damaligen Geschehnissen vorstellen, so fragte Kempf.
Anschließend berichtete Kempf von den Geschehnissen, die die Juden nach dem 9. und 10. November 1938 trafen. Frauen, Kinder und Männer über 60 hätten in die teilweise zerstörten Wohnungen zurückkehren müssen oder dürfen. Ihnen sei auferlegt worden die Schäden, die sie nicht angerichtet hätten, aus eigenen Mitteln zu beseitigen und wären teilweise auch dazu herangezogen worden, den Nazis, die sie gequält hatten, deren Kosten beispielsweise für die Anreise nach Hachenburg zu ersetzen.
Besonders eindrucksvoll war das Verlesen des Berichtes von Rabbi Simon Friedemann, der aus Altstadt stammte und von Bielefeld ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt worden war. Es war das Lager, in dem auch als einzige Männer unter 60 Alfred Weinberg und Sally Kahn aus Hachenburg sowie der 20jährige Siegfried Rosenthal aus Steinebach an der Wied, für einige Wochen festgehalten wurden. Rabbi Friedemann hatte diesen Bericht in den 1980er Jahren bei den Recherchen zu ‚Zachor‘ mitgeteilt. Er beschreibt dort für die Häftlinge den Zustand der völligen Entrechtung und Willkür, den Hunger, die Quälereien, die Ermordung von Mitgefangenen, stellt aber auch fest, dass dieses Lager 1938 im Vergleich zu den späteren Vernichtungslagern noch ‚paradiesisch‘ gewesen sei.
Von den im Raum Hachenburg lebenden etwa 25 Juden konnten sich nur zwei aus den Fängen der Nazidiktatur befreien. Isaak und Jenny Bernstein emigrierten in die Schweiz. Eine Frau – Berta Engel – starb Ende 1939 in Hachenburg. Alle anderen Juden aus Hachenburg und Umgebung, die 1938 Opfer des Novemberpogroms wurden, sind in den folgenden Jahren ermordet worden. Im Gedenken an die Toten, Verfolgten und Leidenden schloss Johannes Kempf seine nachdenklichen Worte mit dem gemeinsamen Kaddisch-Gebet, ein Gebet, das Juden überall auf der Welt für Ihre verstorbenen Angehörige und Freunde beten und in dem sie gleichzeitig die Größe Gottes preisen.
Zum Abschluss der Gedenkveranstaltung legten Stefan Leukel und Johannes Kempf am Gedenkstein in der Judengasse einen Kranz nieder. Schülerinnen und Schüler der RS plus, die im Sommer an einem Erinnerungs-Seminar in Limburg teilgenommen hatten, nahmen die Gelegenheit wahr, um sich bei Stadtbürgermeister Stefan Leukel für die finanzielle Unterstützung durch die Stadt Hachenburg zu bedanken.
Die Gedenkveranstaltung wurde vom Schulorchester der Realschule plus und FOS unter Leitung von Jens Köhler mit eigens ausgewählten Musikstücken bereichert. Wie in den Vorjahren trugen Schülerinnen und Schüler der Grundschule Altstadt mit einem Liedvortrag unter musikalischer Begleitung von Thomas Krings und Uwe Schollmeier zum Gesamtprogramm bei. (PM)
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