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Nachricht vom 10.03.2019 |
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Region |
Nächstenliebe leben – Klarheit zeigen |
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Beim Geburtstagsbesuch bei einem Gemeindemitglied kann es passieren. Von einem der Gäste kommt im Gespräch eine Bemerkung, die deutlich rechtes Gedankengut verrät. Wie sollen Pfarrer und Pfarrerinnen in dieser Situation reagieren? Die Aussage weglächeln, um keine schlechte Stimmung zu erzeugen? Oder Haltung zeigen und den Gesprächspartner darauf ansprechen? |
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Frankfurt am Main/Nord Nassau. Matthias Blöser, Referent im Projekt „Demokratie stärken“ des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), rät zu Letzterem. Rund 100 Pfarrer und Pfarrerinnen und kirchliche Mitarbeitende haben beim Propsteitag der Propstei Nord Nassau Tipps und Hilfen zum Umgang mit rechtspopulistischen Aussagen im Alltag bekommen.
Die Seelsorger und Mitarbeitende aus den Evangelischen Dekanaten Biedenkopf- Gladenbach, Dekanat an der Dill, Weilburg, Runkel und Westerwald waren der Einladung von Nord Nassaus Pröpstin Annegret Puttkammer zu einem Vortrag des Politikwissenschaftlers Matthias Blöser in die Evangelische Akademie nach Frankfurt am Main gefolgt.
Nach der Begrüßung der Anwesenden übergab Pröpstin Puttkammer das Wort zunächst an den Hausherren der Evangelischen Akademie, Dr. Thorsten Latzel. Latzel stellte das Programm der, erst Mitte 2017 gegründeten, Akademie direkt in der Frankfurter Altstadt vor. Rund 430 Veranstaltungen finden jährlich in dem Gebäude am Römerberg statt, wie der Frankfurter Lyrikkongress oder ein Wirtschaftspolitisches Forum zum Klimaschutz. 150 davon werden von der Akademie selbst angeboten. Dr. Thorsten Latzel sieht eine durchweg positive Entwicklung der Evangelischen Akademie: „Wir schaffen es hier, in den Dialog zu treten mit Partnern, mit denen man sonst nicht in Kontakt käme.“
Nach einer Andacht zu Losung und Lehrtext des Tages von Pröpstin Puttkammer, hielt Matthias Blöser seinen Vortrag „ Rechtspopulistische Positionen: eine wachsende Herausforderung im Pfarrdienst“. Zunächst klärte Blöser die Begrifflichkeiten und identifizierte den Rechtspopulismus inhaltlich als milde Form des Rechtsextremismus. Die gefährlichste Eigenschaft der Rechtspopulisten sei deren, häufig geäußerte, Behauptung den einzig wahren Volkswillen zu kennen. „So muss man keinen politischen Diskurs führen, weil man den Willen der Bevölkerung ja angeblich schon kennt“, führte Blöser aus. Die einzige Möglichkeit den Willen des Volkes zu ermitteln, seien demokratische Wahlen, stellte er klar.
Weiter verwies Blöser auf die Methoden, die Rechtspopulisten anwenden, um Stimmung zu erzeugen, wie das Schüren von Überfremdungsängsten. Auch Opfermythen seien ein erprobtes Mittel. Blöser nannte ein Beispiel in der Nähe von Gießen, bei der eine Kirchenvorsteherin sich selbst für ihr Amt im Kirchenvorstand disqualifiziert hatte und sich daraufhin als Opfer darstellte. „Der Opfermythos funktioniert super“, sagte Blöser, „denn, auch wenn man schlechte Argumente hat, kann man gewinnen, weil man ja angeblich ausgegrenzt wird.“
Blöser nannte auch Grenzen des Dialogs mit Rechtspopulisten. Er warnte vor einer falsch verstandenen Diskussionsbereitschaft. Häufig sei kein Interesse an einem echten Dialog vorhanden, so dass es bei Podiumsdiskussionen keinen Raum zur Selbstdarstellung geben dürfe. Er nannte ein gelungenes Gegenbeispiel bei einer Veranstaltung mit Arbeitslosen im Odenwald, bei der alle Vertreter politischer Parteien anwesend waren. Hier wurden zunächst die Probleme der Arbeitslosen thematisiert und die Politikvertreter konnten darauf mit Lösungsvorschlägen reagieren. Dieses Setting habe eine inhaltliche Diskussion möglich gemacht, die keine Möglichkeiten zu Parolen bot, sagte Blöser.
Hilfreich zur Positionierung seien auch öffentliche Worte der Kirchenleitung. So habe der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedfort-Strohm am 13. Oktober vergangenen Jahres, in der Gedenkveranstaltung am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds, deutliche Worte gefunden, von denen man sich leiten lassen könne: „Christinnen und Christen müssen in der ersten Reihe stehen gegen Menschenverachtung“.
Als hilfreich bei Kontakt mit rechtspopulistischen Äußerungen nannte Blöser, sich folgende Thesen vor Augen zu halten: 1) Die christliche Botschaft ist menschenfreundlich, nicht neutral, 2) Gott liebt die Sünder, nicht die Sünde (Joh 8,1-11): Aussage und Person trennen, 3)(vorschnelle) Abgrenzung von Menschen ohne geschlossenes Weltbild kann diese dem Populismus zutreiben, 4) Toleranz menschenfeindlicher Einstellungen kann diese gesellschaftlich verfestigen, 5) Haltung einüben, zeigen und reflektieren, 6) Empathisch und respektvoll an die Lebensrealität des Gegenübers anknüpfen. Sein Resümee: Nächstenliebe leben – Klarheit zeigen. Im Anschluss an den Vortrag gab es Gelegenheit zu Rückfragen und Diskussion. (shg)
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Nachricht vom 10.03.2019 |
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