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Nachricht vom 07.02.2021
Politik
Immer mehr Flüchtlinge sind im Westerwald gut integriert
Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten hat in den letzten Jahren seit der „Flüchtlingswelle“ 2015 auch im Westerwaldkreis große Fortschritte gemacht.
Chefin Barbara Kötter freut sich bei „Elektro Meuer“ in Stahlhofen über den aus Pakistan geflüchteten neuen Elektrikergesellen. Fotos: privat Region. Bis zum Beginn der Pandemie mit ihren massiven Auswirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigung, wuchs der Anteil von Arbeitnehmer/innen und Azubis mit Fluchthintergrund von Jahr zu Jahr. Wie sieht es derzeit bei uns nach fünf Jahren Integrationsbemühungen und einem Jahr Corona aus?

Das Forum Soziale Gerechtigkeit beschäftigt sich schon seit 2015 mit dem Thema und hat jährlich zu Veranstaltungen mit wechselnden Schwerpunkten rund um Asyl und Arbeitsmarkt eingeladen. Dies ist derzeit nicht möglich, deshalb haben die Verantwortlichen nach umfassender Recherche versucht ein regionales Zwischenfazit der vielseitigen Bemühungen von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nach fünf Jahren zu erstellen.

Heimische Unternehmen suchen Auszubildende und Fachkräfte
Die erfreuliche Tendenz vorweg: die Integrationszahlen steigen auch im Westerwald und im Durchschnitt steht es für geflüchtete Beschäftigte nicht deutlich schlechter um die Arbeitsqualität als für ihre Kollegen/innen. Es gibt aber auch eine weniger gute Wahrheit: viele von ihnen sind auch Jahre nach der Arbeitsaufnahme im Niedriglohnbereich beschäftigt, der nicht zur Sackgasse für die Beschäftigten und ihre Familien werden darf.

Im Mittelpunkt stehen heimische Betriebe, die dringend Fachkräfte suchen und Schwierigkeiten haben, ihre offenen Ausbildungsplätze zu besetzen. Angesichts dieser Entwicklung hat der Ausbildungs- und Arbeitsmarkt im Westerwaldkreis in der jüngsten Vergangenheit vor Corona schrittweise das Potential der Flüchtlingsgruppen stärker ins Blickfeld gerückt. Zumindest ein Teil der rechtlichen und administrativen Hürden, die zuvor einer Ausbildung und qualifizierten Beschäftigung entgegenstanden, sind abgebaut worden. Speziell mit Blick auf junge Flüchtlinge ist die Absicherung ihres Aufenthaltes für die Dauer einer Ausbildung und zweieinhalb Jahre darüber hinaus von besonderer Bedeutung. Die Chancen auf eine dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland und im Westerwald werden dadurch erhöht.

Pandemie erschwert die Bemühungen um Arbeitsmarkt-Integration
Erfreulich viele Flüchtlinge haben mit vielfältigen Unterstützungen unsere Sprache gelernt und den Einstieg in den Arbeitsmarkt geschafft. Doch die Corona-Pandemie erschwert wegen der angespannten Arbeitsmarktlage zunehmend die Integration, es gibt aber weiterhin geringe Fortschritte: so waren Ende 2020 aus dem Westerwaldkreis bei der Agentur für Arbeit in Montabaur aus den Haupt-Asylherkunftsländern noch 490 Arbeitssuchende gemeldet, gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 90 Personen. Zusätzlich waren 59 Bewerber für eine Berufsausbildungsstelle registriert, eine Zunahme um sechs jetzt berufsreife Jugendliche. Theo Krayer weist als Geschäftsführer des Jobcenter Westerwald darauf hin, dass Flüchtlinge von Corona im gleichen Maße betroffen sind wie die übrigen Kundengruppen. „Es gilt darauf zu achten, dass der Spracherwerb möglichst zeitnah fortgesetzt werden kann, da das Sprachniveau die Grundlage für die weitere Integration ist“, so der Arbeitsmarktexperte.

Das Handwerk geht erfolgreich voran
Einer der Hauptakteure ist die für den Westerwald zuständige Handwerkskammer (HwK) Koblenz, die weiterhin für ihre Mitgliedsbetriebe große Anstrengungen unternimmt, um Flüchtlinge fit fürs Handwerk zu machen. So hatten bis Ende 2019 (die Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor) im Gesamtbezirk 984 Auszubildende eine ausländische Staatsbürgerschaft (= 12,1 Prozent) – darunter auch ein erfreulicher Anteil von Flüchtlingen. „Das Handwerk ist seit Beginn der Flüchtlingswelle treibende Kraft für die gelungene Integration von Flüchtlingen am heimischen Arbeitsmarkt. Das zeigt nicht nur der reine Blick auf die Zahlen in unserem Kammerbezirk, sondern die vielen individuellen Erfolgsgeschichten aus der Region“, zeigt sich HwK-Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich erfreut über das Engagement der Handwerksbetriebe.

Ein einheimisches Unternehmen, bei dem die Integration besonders erfolgreich war, ist „Elektro Meuer“ in Stahlhofen bei Montabaur: Ein junger Pakistani hat vor wenigen Tagen die Abschlussprüfung als Elektroniker bestanden, ein weiterer ist auf einem guten Weg dahin. „Ich bin mit den Jungs super zufrieden und freue mich total über die bestandene Prüfung“ so Inhaberin Barbara Kötter. Ähnliches berichtet Optiker Andreas Schmidt als Geschäftsführer der „Augenblick GmbH“ in Wirges: „Wir haben Hamid Nuri ausgebildet, er arbeitet erfolgreich bei uns im Geschäft und wir hoffen, dass er uns noch lange als tüchtiger Kollege erhalten bleibt“. Nuri war 2015 mit seiner Familie nach einer langen und leidvollen Flüchtlingsodyssee in den Westerwald gekommen und hatte nach schnellem Spracherwerb die Optiker-Ausbildung begonnen.

Erfreuliches gibt es auch aus einigen Westerwalder Autohäusern zu berichten. So gratuliert das Autohaus Efferz in Neuhäusel seinem Azubi Rashid Alo aus Syrien zur bestandenen Gesellenprüfung als Kraftfahrzeugmechatroniker. „Seinen Erfolg hat er, neben privaten und öffentlichen Unterstützern, vor allem seiner unermüdlichen Zielstrebigkeit zu verdanken. Wir sind stolz auf ihn und freuen uns sehr über seine Entscheidung in unserem Unternehmen zu bleiben“, so Geschäftsführer Christian Efferz.

Auch in der Pflege kann Integration gelingen
Besonders hoch ist der Fachkräftebedarf nach wie vor in der Altenpflege: auch in diesem Bereich konnten einige Flüchtlinge integriert werden. Besonders aktiv war hier seit 2015 das Alten- und Pflegeheim des Hospitalfonds Montabaur gGmbH. Geschäftsführerin Claudia Ahrens weist auf die damit verbundene riesige Herausforderung des Spracherwerbs hin und stellt fest: „Unsere Flüchtlinge sind fleißig dabei und wir hoffen, dass in diesem Jahr zwei die Fachkraftausbildung erfolgreich beenden können“.

Gemischtes Fazit in der ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuung
Wenig positiv fällt dagegen das Fazit von einigen ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuer/innen aus: „Die Integration in den Arbeitsmarkt ist bei uns im Ort in erster Linie an der Gesetzgebung gescheitert“, stellt Inge Luy aus Nentershausen ernüchtert fest. Sie verweist auf einige junge Flüchtlinge, die in heimische Unternehmen vermittelt werden konnten und dort zu wichtigen Mitarbeitern gereift sind - dann jedoch abgeschoben wurden. Einer davon habe seit vier Jahren im gleichen Betrieb gearbeitet. Ähnliches wird aus Horbach berichtet, wo aber immerhin vier junge Männer aus dem Iran und Pakistan eine Ausbildung begonnen hatten. Von denen haben bereits zwei den Gesellenbrief in der Tasche und die beiden anderen werden hoffentlich bald folgen. Erwähnt wird aber auch, dass nicht alle jungen Flüchtlinge gleich motiviert und zuverlässig sind, was in den zurückliegenden fünf Jahren mit einigen Enttäuschungen verbunden war.

Immer mehr Geflüchtete haben nach fünf Jahren feste Jobs oder Ausbildungsplätze. Wirtschaft und Handwerk im Westerwald brauchen sie! Vor allem junge Asylbewerber mit ausreichend erworbenen Sprachkenntnissen brennen nach wie vor oft darauf, eine Lehre abzuschließen, um danach arbeiten zu können. Doch neben den gesetzlichen Hürden stellt auch der schulische Teil der Ausbildung nach wie vor eine Herausforderung dar. Deshalb sind weiterhin sowohl ehrenamtliche als auch hauptberufliche „Lotsen“ nötig, damit weitere junge Asylbewerber/innen mit einer Bleibeperspektive integriert werden können – egal ob in Handwerk, Industrie, Gastronomie oder der Pflege.

Sobald möglich, will das Forum Soziale Gerechtigkeit wieder zu einer öffentlichen Veranstaltung mit vielen Betroffenen zum Thema Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten im Westerwald einladen. Unternehmen, Kommunen oder Flüchtlingshelfer/innen, die sich dabei einbringen wollen, können sich gerne melden bei Forumssprecher Uli Schmidt unter uli@kleinkunst-mons-tabor.de. (PM)
   
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